Gallery Weekend Berlin

Unsere Tipps fürs Gallery Weekend

Wenn Anfang Mai das Gallery Weekend in Berlin stattfindet, locken nicht nur die großen Galerien mit moderner und zeitgenössischer Kunst. Wir empfehlen sechs Stationen, die Sie nicht verpassen sollten

Von Katharina Prößl, Simone Sondermann & Clara Zimmermann
29.04.2025

Michael Müller

„Dioskuren: Der geschenkte Tag“, Neues Museum, bis 23. November 2025 & „Fragmente der Zeit“, König Galerie, 1. Mai bis 22. Juni 2025

Wie lässt sich eine Geschichte in abstrakter Malerei erzählen? Das ist eine der Fragen, der der deutsch-britische Künstler Michael Müller nachgeht. Die Geschichte ist die von Kastor und Polydeukes, jenen ungleichen Zwillingsbrüdern aus der griechischen Mythologie, von denen der eine sterblich und der andere göttlich ist. Als Kastor im Kampf fällt, verzichtet Polydeukes auf seine Unsterblichkeit, um seinen Bruder im Hades wiederzusehen. Vater Zeus schenkt den beiden die Möglichkeit, von nun an gemeinsam jeweils einen Tag abwechselnd im Olymp und im Totenreich zu verbringen. Die Idee der spiegelbildlichen Brüder und die mit ihnen verbundene Reflexion der Zeitlichkeit verarbeitet Müller in dem großformatigen Gemäldezyklus „Der geschenkte Tag“, bei dem jedes einzelne der rund sechs Meter hohen Bilder zu einer bestimmten Stunde des Tages entstand: in der Dunkelheit der Nacht, der Dämmerung, im hellen Licht der Mittagszeit. Erstmals zu sehen war das Werk vor zwei Jahren im Frankfurter Städel, doch es scheint wie gemacht für die monumentale Treppenhalle des Neuen Museum in Berlin, für die der Künstler es nochmals erweitert hat. Einst standen hier zwei große Skulpturen von Kastor und Polydeukes aus der Antikensammlung, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, und das wechselnde Tageslicht der beiden gegenüberliegenden Fenster lässt Müllers überwältigende Malerei an jedem Tag, jeder Stunde anders erscheinen. Parallel zu der Schau, die im Rahmen des 200. Jubiläums der Museumsinsel stattfindet, zeigt Müller ab 1. Mai in der König Galerie mit „Fragmente der Zeit“ weitere malerische Explorationen des antiken Mythos und der unsichtbaren Welt.

Marianna Simnett 

„Charades“, SOCIÉTÉ, 1. Mai bis 28. Juni 2025

In ihrer zweiten Einzelausstellung bei SOCIÉTÉ erforscht Marianna Simnett die Schnittstellen von Macht, Maskerade und Mythos. In Videos, Skulpturen und Gemälden thematisiert sie Rollenbilder, Ritual und Täuschung – inspiriert von antiken Erzählungen, sozialen Codes und KI-generierten Bildern. Im Zentrum steht das Video „Leda Was a Swan“, eine verstörend-poetische Neuinterpretation des Leda-Mythos. Simnett dekonstruiert Opfer- und Täterrollen und verwandelt Symbole weiblicher Identität in grotesk-ornamentale Kunstobjekte. „Charades“ ist eine Einladung in eine Welt zwischen Intimität, Spektakel und subversivem Spiel.

Marianna Simnett Gallery Weekend Berlin
Marianna Simnett, „Scored“, 2025. © Courtesy of the artist and SOCIETE Berlin

Schaufenster-Installation im KaDeWe

„Schau, Fenster“, KaDeWe, bis 10. Mai 2025

So etwas hat es in der über 100-jährigen Geschichte des Kaufhaus des Westens noch nicht gegeben: In den zehn Schaufenstern entlang der Tauentzienstraße werden anlässlich des Gallery Weekend Berlin drei Wochen lang die Arbeiten von zehn internationalen Kunstschaffenden gezeigt – ganz ohne Waren. Die Gruppenausstellung wurde vom Kurator und WELTKUNST-Kolumnisten Sebastian Hoffmann realisiert und knüpft an die kunsthistorische Tradition der Schaufenstergestaltung an, die Mitte des 20. Jahrhunderts in New York ihren Ursprung fand. Die Künstlerinnen und Künstler – darunter auch die 94-jährige Isabella Ducrot, vertreten durch die Galerie Capitain Petzel – haben die Räumlichkeit eines Schaufensters als Ausgangspunkt für ihre Installationen gewählt. Einige der Werke, wie etwa Christian Jankowskis Neon-Arbeit „Luftschloss Olymp“, sind erstmals öffentlich zu sehen.

„Big Bella Terra“, 2024. © Isabella Durcrot und Capitain Petzel Berlin, Foto: Ludger Paffrath
„Big Bella Terra“, 2024. © Isabella Durcrot und Capitain Petzel Berlin, Foto: Ludger Paffrath

Roméo Mivekannin

„Spleen“, Galerie Barbara Thumm, 2. Mai bis 21. Juni 2025

Was verraten historische Fantasien über den Orient über unsere Gegenwart? Roméo Mivekannin beleuchtet in seiner Einzelausstellung „Spleen“ bei Barbara Thumm mit kraftvollen, frei hängenden Leinwänden die Mechanismen des kolonialen Blicks – und kehrt ihn um. Inspiriert von orientalistischen Gemälden des 18. und 19. Jahrhunderts ersetzt der westafrikanische Künstler die Gesichter der dargestellten Figuren durch sein eigenes und macht so Machtverhältnisse und Blickregime sichtbar. Zwischen kritischer Aneignung, Spiritualität und einer Hommage an Jeanne Duval, die Muse Charles Baudelaires, entfaltet sich eine eindrucksvolle Auseinandersetzung mit der Ästhetik des Orientalismus – als theatrale Fiktion, die bis heute nachwirkt. Ein kluger und vielschichtiger Beitrag, der koloniale Bildtraditionen herausfordert und historische Fantasien als Spiegel gegenwärtiger Machtverhältnisse nutzt.

Roméo Mivekannin Gallery Weekend Berlin
After Édouard Debat-Ponsan, le massage: scène de Hammam, 2024, Acrylic and elixir bath on canvas. © Roméo Mivekannin and Galerie Barbara Thumm

Danielle Brathwaite-Shirley

„UNCENSORED“, NOME, 2. Mai bis 26. Juli 2025

Wie viel Unbehagen kann Kunst erzeugen – und gleichzeitig verbinden? Die in Berlin lebende Künstlerin Danielle Brathwaite-Shirley zeigt in ihrer ersten Einzelausstellung bei NOME mit dem Titel „UNCENSORED“ neue Werke, die sich gegen Zensur stellt und marginalisierte Stimmen hörbar macht. Brathwaite-Shirley arbeitet an der Schnittstelle von Performance, Sound, Malerei, Animation und Archivarbeit – ihre Installationen sind immersive Erfahrungsräume, in denen sich Realität und Fiktion vermischen. Dabei nutzt sie bewusst das Unheimliche, um Empathie durch geteiltes Unbehagen zu erzeugen. In der Schau werden Emotionen sichtbar gemacht, die wir häufig verdrängen – ein ebenso politisches wie poetisches Plädoyer für radikale Sichtbarkeit. Die 2015 gegründete Galerie NOME in der Potsdamer Straße ist zum ersten Mal beim Gallery Weekend dabei.

„Skeptical“, 2025. © Danielle Brathwaite-Shirley and NOME, Berlin
„Skeptical“, 2025. © Danielle Brathwaite-Shirley and NOME, Berlin

Niklas Apfel & Collectif Blitzbereit

„Look at me“, SPOILER Aktionsraum, 2. bis 4. Mai 2025

Bereits im dritten Jahr präsentiert das Sellerie Weekend ein erfrischendes Kunstprogramm, das parallel zum Gallery Weekend stattfindet. Das Festival spielt sich in den nicht-kommerziellen und kommunal organisierten Kunsträumen der Stadt ab und hat sich in den vergangenen zwei Jahren als wichtiger Standort der freien Szene etabliert. Hinter der Initiative steckt das Team des SPOILER Projektraums, der im vergangenen Jahr seinen Standort an der Westhafenbrücke in Moabit schließen musste. Nun haben sie eine temporäre neue Heimat in einer ehemaligen Pit-Stop-Werkstatt in der Birkenstraße gefunden. Anfang Mai wird hier die kollaborative Performance „Look at me“ des Künstlers Niklas Apfel und dem Collectif Blitzbereit zu sehen sein. 

Die Performance „Look at me“ von Niklas Apfel und Collectif Bitzbereit. © Ida Weber
Die Performance „Look at me“ von Niklas Apfel und Collectif Bitzbereit. © Ida Weber

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