Das Gallery Weekend in Berlin feiert in diesem Jahr seine 20. Ausgabe mit 55 teilnehmenden Galerien. Verlässlich stellt sich die Frage nach den Highlights – wir empfehlen diese acht Ausstellungen
Von
23.04.2024
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Erschienen in
Weltkunst Nr. 225
In der Ausstellung „territory“ zeigt die Galerie Sprüth Magers (Oranienburger Straße 18) angesagte Künstlerinnen aus Asien und versammelt Arbeiten von Mire Lee, Liu Yujia, Gala Porras-Kim, Tan Jing und Zhang Ruyi. Alle fünf wollen wissen, wie und weshalb wir uns abgrenzen, und schrecken auch nicht davor zurück, ihre Antworten drastisch in Szene zu setzen. Während Zhang Ruyi Gewächse als „Modern Fossils“ (2022) aus Abflussrohren kriechen lässt, bietet Mire Lee Betonmischer und anziehend eklige Skulpturen auf, in denen Flüssigkeiten zirkulieren. Etwas verstörend, aber ein produktiver Schock.
An der Kunst von Julius von Bismarck kommt niemand vorbei. Eindringlich führt der Berliner Künstler vor, was wir mit der Erde machen und wohin uns das führen wird. Sein Aktivismus ist mitunter brutal: Das Video „Punishment“ (2011) zeigt ihn beim Auspeitschen von Seen und Bergen, für „Raumfisch“ (2017) schickte er einen tropischen Fisch im gläsernen U-Boot auf eine Reise durch die Antarktis. Die neue Ausstellung in der Galerie Alexander Levy (Alt-Moabit 110) zeigt unter anderem ein Video aus Namibia: Julius von Bismarck filmt provozierend langsam, wie sich Insekten vom allgegenwärtigen Neonlicht bis zur totalen Erschöpfung um die Lampen hetzen lassen. Anhand solch vermeintlich nebensächlicher Details erzählt der Künstler die ganz großen Geschichten. So erinnert er an Prometheus, der Zeus das Feuer stahl und es den Menschen brachte. Zeus bestrafte sie alle: Den Titanen ließ er festketten, und der Erde spendierte er die Büchse der Pandora. Besser lassen sich die Widersprüche zwischen Fortschritt und den daraus resultierenden Übeln kaum fassen.
Für die Galerie Judin (Potsdamer Straße 83) ist es eine Premiere, für die Künstlerin ein kleines Comeback nach dem Tod ihres langjährigen Berliner Galeristen Michael Schultz im Dezember 2021. In der imposanten Halle von Juerg Judin präsentiert Cornelia Schleime Malerei aus zehn Schaffensjahren – und nur wer das Werk der 1953 in Ostberlin Geborenen genau kennt, wird Bilder wie „Mutter“ (2023) zuordnen können. Schleimes Porträts sind zeitlos, ihre Figuren rebellisch und ausdrucksstark. Die massive Bespitzelung und Drangsalierung durch das DDR-Regime bis zu ihrer Ausreise 1984 hat sie geprägt. In jedem Gesicht, das die Künstlerin groß und frontal malt, manifestiert sich ein Individuum im Spannungsfeld zwischen sozialen und politischen Verhältnissen. Der Rest ist märchenhafte Fantasie und erweitert den Raum der Bilder assoziativ ins Unendliche.
Wie ausgewaschen wirkt das Bild des Pop-Art-Künstlers. Mit seiner Interpretation der „Campbell’s Soup Box“ (1986) verbinden sich für gewöhnlich immer neue, farbstarke Varianten der Dosensuppen, von denen er sich angeblich jahrelang ernährte. Die Auswahl in der Galerie Bastian (Taylorstraße 1), die zum Weekend Warhols spätes Werk zeigt, unterscheidet sich davon. Trotz seiner Größe wirkt das Dargestellte, neben Suppendosen auch Greyhound-Busse und Feuer speiende Vulkane, wie aus einem Comic: schnell gezeichnet, auf relevante Details reduziert und in schlichtem Schwarz-Weiß. Dennoch erkennt man den Meister, allein weil er „Campbell’s“ schon 1962 zu seinem Markenzeichen machte. Und natürlich spielt Warhol auch ironisch mit dem angeschnittenen Motiv auf seinen obsessiven Drang zur Wiederholung an.