Marktentwicklung für Krypto-Kunst

Losgelöst von Zeit und Raum

NFT-Kunstwerke haben in jüngster Zeit zweistellige Millionenbeträge auf Auktionen erzielt. Wird die digitale Krypto-Kunst auch zum Turbo für den Kunsthandel?

Von Sebastian C. Strenger
23.04.2021
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 7

Der Verkauf von Krypto-Kunst könnte dem Handel bald einen weiteren Hebel bescheren – und zwar eine Auktionslizenz. Eine solche benötigt man laut Auskunft der Wirtschaftskammer Wien nämlich als Kunstgalerie für Kryptokunst mit Sitz in Österreich – und für Deutschland scheint eine ähnliche Lösung angedacht zu sein.

Das Auktionshaus Christie’s, das kürzlich für das Werk „First 5000 Days“ des US-amerikanischen Künstlers Beeple – eine fälschungssichere Arbeit aus der Blockchain – einen All-in-Preis von nahezu 70 Millionen Dollar erzielte, hat einen Marktplatz für Non-Fungible-Token-Art (NFT-Art) aus der Taufe gehoben – und den Mitbewerber Sotheby’s sogleich veranlasst, nachzuziehen. Der Konkurrent präsentierte jüngst während einer dreitägigen Auktionsreihe das Künstler­pseudonym PAK – mit Werken in Gestalt von variierenden Würfelkonstruktionen, die in der Blockchain registriert und damit NFTs im engeren Sinn sind. Für die Organisatoren war die Veranstaltung ein voller Erfolg. Den analogen Sammlern freilich musste es so vorkommen, als hätten Werke des amerikanischen Minimalisten Sol LeWitt (1928 – 2007) Eingang in den virtuellen Raum des 21. Jahrhunderts gefunden.

Aber wie neu ist das Thema NFT-Kunst und -Markt wirklich? Ausgangspunkt war der 2009 ins Leben gerufene Bitcoin. Mit ihm entstand das Feld der Kryptowährungen, mit denen in der Welt der Blockchain bezahlt werden konnte. An der Entwicklung der verschiedenen Blockchain-Produkte, zu der auch Krypto-Kunst gehört, hatte dann vor allem das seit 2012 in Wien ansässige RIAT Institute for Future Cryptoeconomics Anteil. Und auf kunstwissenschaftlicher Ebene unternahm es das Karlsruher ZKM unter seinem Leiter Peter Weibel mit der Ausstellung „cryptoART Playground“ 2018 erstmals, die seit 2015 bestehende Ethereum-Blockchain im Kunstbereich unter die Lupe zu nehmen.

Bei Ethereum hatte man mit digitalen Sammelkarten, sogenannten CryptoPunks begonnen – dabei wurden 10.000 Unikate mit 24 x 24 Pixeln verschiedener Charaktere vermarktet. Durch die limitierte Auflage stiegen die unspektakulären Bilder schnell im Wert. CryptoKitties – digitale Katzen – folgten. Internationale Art-Flippers begannen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Und in der Folge loteten auch renommierte Auktionshäuser und Galerien Verkaufsmöglichkeiten aus.

Seit Kurzem besteht nun sogar die Möglichkeit, Information zu einem analogen Kunstwerk – Autorschaft, Eigentum etc. – in einer Blockchain festzuhalten. In unseren von Fälschungsskandalen à la Beltracchi gebeutelten Zeiten ist das gar nicht so uninteressant! Beispielsweise speicherte das Auktionshaus Christie’s, als es 2018 die renommierte Sammlung des amerikanischen Reeders Barney A. Ebsworth versteigerte, die Ergebnisse in einer Blockchain.

Auktionsplattformen leisten Händlern und Galerien bereits seit vielen Jahren gute Dienste. Künstler und deren Galeristen haben dort zeitgenössische Kunst bereits in Zusammenarbeit mit größeren deutschen Auktionshäusern – beispielsweise mit Lempertz – vermarktet. Und nun könnte Handelsware, wie eingangs gesagt, bald sogar direkt über Auktionsplattformen angeboten werden. Nachdem der Messezirkus ohnehin geschrumpft ist – und das nicht erst seit der Pandemie –, könnte die Krypto-Kunst dem Einzelhandel also neue Türen öffen – auch zur Vermarktung von analoger Kunst!

Und wie sieht dann das Museum von Morgen aus? Ist Krypto-Kunst überhaupt öffentlich präsentabel? Es mag zunächst noch schwer vorstellbar erscheinen, dass in den Ausstellungshäusern für Contemporary Art der Zukunft überwiegend Screens hängen werden, auf denen NFT-Kunst betrachtet wird. Doch animierte Fotos – etwa von Tobias Zielony (* 1973) – Videos und Medienkunst gibt es seit Langem. Und so manch einer feiert diese Entwicklung sogar als eine Befreiung der Kunst, weil digitale Arbeiten nicht mehr an Zeit und Raum gebunden sind. Schon möglich also, dass uns Corona auch in diesem Bereich eine Zeitenwende bescheren wird. In etwa zehn Jahren werden wir es wissen …

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