Kunsthandel

Shutdown: Galerien in der Krise

Berlin hat rund 400 Galerien, die wegen der Corona-Krise auf unbestimmte Zeit geschlossen sind. Was bedeutet das für die Menschen und ihre Firmen? Wir haben fünf Berliner Galeristen gefragt, wie sie mit der Ausnahmesituation umgehen

Von Lisa Zeitz
31.03.2020

Der Galerist Johann König in der Videokonferenz mit dem Künstler Tatsuya Yamasaki (Abbildung: Galerie König)
Der Galerist Johann König in der Videokonferenz mit dem Künstler Tatsuya Yamasaki (Abbildung: Galerie König)

»Als das Gallery Weekend abgesagt wurde, haben wir die Werke von Loie Hollowell, die wir zeigen wollten, im digitalen Showroom hochgeladen und sofort eines für 250 000 Euro verkauft. Viewing Rooms sind jetzt meiner Meinung nach aber der falsche Weg. Die Leute wollen was erleben, sich mit der Kunst identifizieren. Mich energized die ganze Sache. Wir machen jetzt live auf Instagram jeden Morgen um 10 Uhr Rundgänge mit den Künstlern der Galerie. Wir haben mit Jorinde Voigt angefangen, dann kam Jeppe Hein, dann Michael Elmgreen. Am Ende können die Zuschauer Fragen stellen. Die Energie im Gespräch mit Alicja Kwade war so stark! Das kann man auch auf Youtube sehen.«
Johann König, König Galerie

»Wir sind ein größeres Schiff mit 23 Kolleginnen und Kollegen. Mit den zwei Galerien in Berlin und einer in Leipzig halten wir schon seit Jahren tägliche Telefonkonferenzen ab, diese Situation ist nicht neu. Solidarität ist nun das Wichtigste: Mein Hauptanliegen sind jetzt neben den Sammlern und Künstlerinnen und Künstlern die Kolleginnen und Kollegen. Um unser eingeschworenes Team zusammenzuhalten, müssen wir jedes Mittel ausschöpfen, bis hin zur Kurzarbeit. So ein Schiff wie Eigen + Art kann man nur mit Profis machen. Wenn dann wieder Wind in die Segel bläst, sind wir die Ersten auf hoher See!«
Judy Lybke, Galerie Eigen+Art

»Schon als die ersten E-Mails kamen, ›Wir schließen‹ oder ›temporarily closed‹, dachte ich, das ist die falsche Message. Wir müssen ein Zeichen setzen, dass wir da sind. Kultur hilft in diesen Zeiten, bei Sinnen zu bleiben. So haben wir eine Videothek eingerichtet und zeigen online Künstlervideos, die wir auch auf Instagram und Facebook teilen, zuerst drei Videos von Anna Witt. Auf Instagram gibt es in den Stories Mini-Interviews mit den Künstlerinnen. Was ich mir wünsche? Dass Fonds für die Kultur und für Galerien eingerichtet werden, dass die Mehrwertsteuer auf sieben Prozent oder weiter gesenkt wird, dass Messen ihre Beiträge reduzieren: Wir würden gerne wachsen, aber die Miete in der jungen Sektion beträgt rund 12 000 Euro, für einen größeren Stand 25 000 Euro – diesen Sprung muss man erst mal hinkriegen. Von der Stadt Berlin wünsche ich mir, dass sie erkennt, was die Galerien eigentlich leisten!«
Tanja Wagner, Galerie Tanja Wagner

»Für ein Ein-Mann-Unternehmen ist das, was sich jetzt durch die Coronakrise abzeichnet, eine existenzvernichtende Katastrophe. Ein größerer Verkauf ist schon vor einer Woche deswegen geplatzt, weil die Sammler – im Eventbusiness tätig – von 100 auf 0 runtergehen mussten. Keine Aufträge mehr, kein Kunstkauf. Plötzlich wird das nackte Überleben wichtig. Da ich in der Galerie übernachten kann, werde ich mich bei einer Ausgangssperre dorthin zurückziehen. Es gibt genug zu tun.«
Semjon H. N. Semjon, Semjon Contemporary

Christiane Möbus
Christiane Möbus "rette sich wer kann – every man for himself", 2001/2020 in der Berliner Galerie Volker Diehl (Abbildung: Marcis Schneider, Courtesy DIEHL, Berlin)

»Wir als Galerie befinden uns keinesfalls in der Krise. Ganz im Gegenteil, ich denke es ist an der Zeit und sehr gut, dass viele Entwicklungen der letzten Jahre mal überdacht und in Frage gestellt werden. Manch eine Veranstaltung, sei es nun die ein oder andere Messe oder Ausstellung wird nicht mehr stattfinden. Das sollte man aber als Chance begreifen. Ich glaube, es gibt über 800 Messen und über 500 Biennalen weltweit mittlerweile. Dass das ein oder andere ‚Event‘ nicht mehr stattfindet, wird eher der Qualität zugutekommen als abträglich sein.

‚Rette sich wer kann/Every man for himself‘ von Christiane Möbus, eine eindrückliche Installation aus dem Jahr 2001, ist kein politisch apodiktisches Statement, sondern eine poetische Setzung. Assoziativ nach allen Seiten offen. Weder moralisch noch tagespolitisch noch apokalyptisch will sie sein. Aber mit leichter Ironie trifft sie den Nerv des Betrachters. Eher ein Symbol für unseren seelischen Zustand Grenzen und Einschränkungen zu überwinden. Vielleicht aber auch eine Provokation unsere eigene Haltung und Empathiefähigkeit in so schwierigen Zeiten kritisch zu hinterfragen. Wie sehr sich diese Arbeit nun im Zeitgeist gerade wiederfinden würde, haben wir uns vor der Eröffnung im Traum nicht vorstellen können. Umso schöner zu sehn, dass diese 20 Jahre alte Installation nichts an Brisanz und Spannung und Aktualität verloren hat.«

Volker Diehl, Galerie Volker Diehl

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