Kunsthandel

Der Fund meines Lebens

Kunsthändler sind auch Wissenschaftler, Detektive und Schatzsucher: Alexander Giese von der Wiener Kunsthandlung Giese & Schweiger entdeckte eine Venedigansicht Rudolf von Alts, die sein Leben veränderte

Von Redaktion Kunst und Auktionen
22.07.2019

Was war Ihre bislang überraschendste Entdeckung?

Von den vielen Entdeckungen, die ich als Kunsthändler bislang machen durfte, ist mir eine in besonderer Erinnerung geblieben. Es handelt sich um ein Aquarell des österreichischen Künstlers Rudolf von Alt (1812 – 1905), das einen Ausblick auf die Riva degli Schiavoni in Venedig zeigt.

Welchen historischen Wert besitzt das Stück?

Das Venedig, wie es Rudolf von Alt hier darstellt, ist in dieser Form heutzutage – vor allem in dieser Einsamkeit – nicht mehr erlebbar. Das Entrée der Stadt ist hier das Thema, seine Eleganz und Weitläufigkeit, seine geschichtliche Außerordentlichkeit und kunsthistorische Schönheit.

Wo und wie haben Sie das Objekt entdeckt?

Man muss von einem absoluten Zufall sprechen. Im Frühjahr 2006 hatte ich meine heutige Frau, eine Schweizerin, kennengelernt und nutzte jede Gelegenheit, um in die Schweiz zu reisen. Unter dem Vorwand, ein wenig bedeutendes österreichisches Bild begutachten zu müssen, reiste ich nach Zofingen. Als ich schon fast wieder auf dem Weg aus der Schaustellung des dortigen Auktionshauses war, um endlich weiter nach Zürich zu reisen, entdeckte ich es: im hintersten Winkel, schlecht beleuchtet und als österreichische Schule, Mitte 19. Jh., bezeichnet. Die fehlende Signatur von Alts machte die Zuschreibung für einen doch noch recht unerfahrenen Jungkunsthändler nicht unbedingt einfacher. Aber der Sammlungsstempel der Rudolf von Alt Sammlung Lobmeyer ließ mich alle Zweifel verwerfen.

Was ist mit dem Stück danach passiert?

Leider war ich nicht der Einzige, dem die Entdeckung gelungen war und so musste ich einen durchaus angemessenen Preis für das Werk bezahlen. 2006 publizierten wir das Aquarell im Rahmen unserer Jahresausstellung. Heute befindet es sich in einer sehr schönen Privatsammlung in Wien. Es ist eines dieser Werke, die man gelegentlich besuchen muss, um die Erinnerung frisch zu halten. Zum Glück gewähren mir die Besitzer Zugang.

Hat sich durch die Entdeckung etwas für Sie verändert?

Ich bin damals euphorisiert nach Zürich weitergereist, habe die Frau, in die ich schwer verliebt war, geheiratet und eine Familie gegründet. Wenn man so will, hat Rudolf von Alt alles verändert. Dafür bin ich ihm ewig dankbar.

Service

Information

Alexander Giese ist Geschäftsführer der 1980 gegründeten Kunsthandlung Giese & Schweiger in Wien, die zu den führenden Adressen für österreichische Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts gehört.

Dieser Beitrag erschien in

KUNST UND AUKTIONEN Nr. 10/2019

Zur Startseite