Kunsthandel

München: Ein Frühling für Kunst und Antiquitäten

Auch weit über die bayerischen Landesgrenzen hinaus hat die Münchner Messe „Kunst & Antiquitäten“ Tradition. Ihre regionalen Anfänge hat sie dabei längst hinter sich gelassen

Von Gloria Ehret
09.03.2018

Knapp 60 Aussteller laden zur 97. „Kunst & Antiquitäten“ in den Münchner „Postpalast“ ein. Zur Frühjahrsausgabe der Traditionsmesse gibt es ein paar Veränderungen: Als 1. Vorsitzender folgt Max Lerch Andreas Ramer nach, er wird unterstützt vom 2. Vorsitzenden Martin Puch. Beide sind Münchner Kunsthändler in zweiter Generation, haben die Eltern schon als Kinder auf die Messe begleitet und sorgen für den unerlässlichen frischen Wind. Dass der jedoch nichts Gewachsenes, Bewährtes hinwegfegt, dafür steht seit bald 50 Jahren Gründungsmitglied und das „Urgestein“ Andreas Ramer als Messeleiter.

Kontinuität und unerlässliche Erneuerung ist garantiert

Zwar ist die Volkskunst dank Ausstellern wie Herold Neupert immer noch gut vertreten. Doch erwartet den Kunstfreund die ganze Vielfalt an Objekten der klassischen Sammelgebiete Gemälde, Skulpturen, Möbel, Design, Textilien, Glas, Porzellan, Silber, Vitrinenobjekte, Volkskunst, Ikonen oder Asiatika. Rund 25 Aussteller kommen aus Bayern, 15 aus dem ferneren Deutschland und sieben aus Österreich, doch das Angebot ist international.  Nicht zuletzt sind es die Allrounder aus Österreich – darunter Markus Kral, Matthias Kindler, Rochus Probst, Markus Strassner und Ludwig E. Wimberger, die mit Möbeln des 17. bis 19. Jahrhunderts, Skulpturen, Gemälden und einer breiten Palette an Kunsthandwerk, das bei uns nicht mehr selbstverständlich zu finden ist, aufwarten. So deckt die Messe einen Zeitraum von rund sechs Jahrhunderten ab. Auch preislich ist der Bogen weit gespannt. Der „Einsteiger“ kann ebenso fündig werden wie der Connaisseur.

Im breit gefächerten Programm der Kunsthandlung Ehrl (Greding) fällt ein exaltiert tanzenden Satyr aus einer Art-Deco-Wandverkleidung ins Auge (4.500 Euro). Er konkurriert mit einem großformatigen römischen Mikromosaik, das den Tempel der Vesta und Sibylle in Tivoli vorstellt und G(ioacchino) Rinaldi F(ecit) signiert, in eine Eisenplatte mit Bleifassung als dekoratives Wandbild eingelassen ist. Etwa gleichzeitig, um 1810 entstandenen, ist eine zierliche süddeutsche Empire-Konsole. Und für 22.000 Euro wartet eine prunkvolle französische  Deckelvase derselben Epoche auf einen neuen Besitzer.

Brigitte Martini hat neben erlesenen Möbeln und Interieur-Zubehör immer auch spektakuläre Gartenobjekte.

Diesmal hat man die Wahl zwischen einem Paar auf Eisen emaillierter Gartenvasen um 1870 aus der Manufaktur Paris (8.500 Euro) und einem Gartenzwerg vom Ende des 18. Jahrhunderts. Die 63 Zentimeter großer Terrakotta-Figur stellt den 1739 geborenen und 1837 fast hundertjährig in Durham gestorbenen Jozef Boruwlaski vor. Der Pole war Komponist an vielen europäischen Höfen, so bei Maria Theresia in Wien oder König Stanislaus I. (3.200 Euro). Wie weit Brigitte Martinis Spektrum gefächert ist, zeigt ein süddeutsches Altarmodell um 1770 in originaler Fassung (4.900 Euro).

Objekte vom Jugendstil bis zum Design der 1950/60er Jahre breitet Monika Fahrensons „Brigantine“ aus. Deutlich höher als der Gartenzwerg ist der „Große Kopf“, den der Wiener Franz Hagenauer um 1930 in Messing gegossen hat (15.000 Euro). Mehr Platz benötigt eine Anrichte oder soll es ein Barschrank sein? Auf jeden Fall geht das extravagante Möbel aus Ahorn mit Messingrohr um 1950/55 auf den studierten Mailänder Architekten und Möbeldesigner Paolo Buffa zurück (4.500 Euro) und war 1984 in der Ausstellung „Die Fünfziger“ in der Stuckvilla zu sehen. Mit Art Nouveau und Art Deco kommt zudem Wolfgang Gützlaf aus Berlin.

Die einst begehrten Biedermeier-Möbel hatten vorübergehend einen Durchhänger bei der Nachfrage. Nicht jedoch bei Dr. Tilman Roatzsch, der das Beste vom Besten aus dieser dem privaten heimischen Ambiente huldigenden Mobiliar des frühen 19. Jahrhunderts immer die Treue gehalten hat.

Zum dritten Mal ist die Landshuter Rüstkammer mit Waffen vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhunderts dabei

Selbst die friedlichsten Kunstfreunde werden an der bildhaft schönen Südtiroler Tartsche um 1480 gefallen finden. Denn der leinenbezogene, mit zartem Rankendekor gefasste Holzschild überzeugt auch als prächtiger Wandschmuck (25.000 Euro). „Echte“ Waffensammler werden sich für den 1588 datierten Radschlosspuffer begeistern, der einst für einen Angehörigen der Trabantenleibgarde der sächsischen Fürsten gedient hat (18.000 Euro).

Alte Orient-Teppiche und Textilien galten eine Zeit lang als verstaubt und wurden als Sammelobjekte eher vernachlässigt. Max Lerch gelingt es sie anhand von außergewöhnlich schönen historischen Beispielen im Bestzustand in neuem Licht erscheinen zu lassen: So steht der usbekische Bochara Nim-Susani aus dem frühen 19. Jahrhundert in seiner strahlend-dekorativen Wirkung keinem Gemälde nach (12.500 Euro). Auch sein kaukasischer „Kuba“ mit seltener S-Borte um 1860 überzeugt als textiles Kunstwerk (14.500 Euro).

Martin Puch favorisiert Ikonen, hat daneben immer auch ausgewählte Skulpturen im Programm. In die Kultur des Fernen Ostens taucht man bei Peter Hardt mit seinen thailändischen Buddha-Figuren ein. Ein großer Bronze-Kopf mit glänzender brauner Patina und Resten von Vergoldung wohl aus dem 15. Jahrhundert stammt aus Ayutthaya. Dieselbe Zeit und Region vertritt die Figur eines stehenden Bronze-Buddha mit eingelegten Augen, der beide Hände im abhayamudra-Gestus (der Beruhigung des Ozeans) erhoben hat. Eine weitere Anlaufstelle für Asiatica ist die Karlsruher Darya Galerie von Rafiq Nahim. Karl Jürgen Schlotter (Bad Kissingen) steuert Tibetica bei.

Was wäre eine Kunstmesse ohne Gemälde?

Neben den Generalisten bestückt eine Reihe spezialisierter Galerien die Postpalast-Wände mit Bildern  des 19. bis 21. Jahrhunderts: Das Stuttgarter Kunsthaus Bühler spannt den Bogen vom 19. Jahrhundert bis heute. Nur auf Anfrage erfährt man die Preise der Landschaften von Albert Kappis aus den 1880ern, von Curt Herrmanns farbstrahlendem Stilleben „Runde Blumenvase neben Tisch“ (1908) oder Henri Lebasques impressionistische Sicht auf die „Kinder des Künstlers im Garten“ von 1914. Maria Caspar-Filsers etwa gleichzeitiger Blick auf eine „Kirche in hügeliger Landschaft bei Florenz“ ist für 11.500 Euro zu haben. 2016 hat der Sindelfinger Andreas Jauss Palmen in der Wüste zu „Licht und Raum“ in Acryl verklärt (7.000 Euro).

Die Münchner Galerie Gabelsberg von Christoph Gruber, direkt bei den Pinakotheken gelegen, zeigt Werke namhafter deutscher Maler des 19. Jahrhunderts. Sie punktet mit Max Liebermanns  „Spielendem Kind“ (110.000 Euro). Über Heinrich Bürkels vielfiguriger „Heuernte“ (30.000 Euro) bauschen sich schwere Wolken zu einem Gewitter zusammen, während Otto Pippels „Blick auf das Maximilianeum“ (18.000 Euro) im flirrend impressionistischen Licht sich nur dem Kenner zu erkennen gibt. Die berühmten Chiemsee-Maler stehen – wo sonst? – bei der Gailer-Galerie in Frauenchiemsee im Mittelpunkt.

Klassische Modere hält Ladrón de Guevara bereit: Emil Noldes Porträt eines „Südinsulaners“, das der Maler im Frühjahr 1914 in Neuguinea in Gouache und schwarzer Tusche auf Japanpapier festgehalten und signiert hat. Eine kleine duftige „Farbkomposition“ von Gabriele Münter in Öl auf Papier ist monogrammiert, bezeichnet und datiert „München B2/59“. Sie stammt aus 1959, genau wie Karl Schmidt-Rottluffs Aquarell „Alte Fabrik“.

Kolhammer & Mahringer aus Wien verweisen auf zwei außergewöhnliche, fast lyrische Arbeiten von Heroen der Klassischen Moderne: Marc Chagalls signiertes Farblitho „Ile Saint-Louis“ von 1959 (WVZ 225) und Picassos getöpfertes Henkelgefäß in Gestalt einer Taube aus der „Edition Picasso Madoura“ (55/200) von 1954 (jeweils 18.800 Euro).

Dass es unseren Zeitgenossen nicht in erster Linie um anmutige Schönheit geht, führt Gottfried Helnwein deutlich vor Augen: Eher verstörend wirkt sein 192 mal 150 Zentimeter großes Totenmasken-artiges Bildnis „Beethoven“ in Öl und Acryl  aus dem Jahr 1995  (78.000 Euro) innerhalb der Offerte mit  Kunst des 20. Jahrhunderts bei Michael Draheim. Weniger aufrührend, ragt hier auch Bruno Krauskopfs signierte Gouache einer „Sitzenden“ um 1918 im Stil Toulouse Lautrecs (6.800 Euro) heraus. Auch Stefan Decker aus Baden-Baden, Nikolas Fink, München, oder Michael Vogt aus Fürstenfeldbruck füllen ihre Wände mit Bildern –  schauen Sie vorbei, denn es gibt immer etwas zu entdecken.

2017 wurde Maria Sibylla Merian anlässlich ihres 300. Todestages vielerorts gewürdigt

Doch keine andere Kunsthändlerin hat sich in den letzten Jahren so sehr um deren Werke verdient gemacht wie das Sindelfinger Kunstkabinett Strehler. Immer hat sie eine Reihe herrlicher Blätter im Portfolio. Neben frühen Kupferstichen offeriert sie auch originale Papierarbeiten der klassischen Moderne. Vater Peter Bierl aus Eurasburg und Tochter Franziska Bierl, die das legendäre Antiquariat Wölfle in München übernommen hat, betreiben zwei unabhängige Antiquariate, bei denen sich das Stöbern“ immer lohnt.

Wer in seinen vier Wänden weder für eine englische Leuchte um 1900 der „Lamp Gallery“ noch für eine Uhr von Linckersdorff oder ein Paar dekorativer Silberleuchter oder sonstiges Tafelsilber von Christopher Kende (Tübingen) Platz hat, und auch die Vitrinen nicht mit weiteren artifiziellen Kunstkammer- oder Vitrinenobjekten der Spezialisten Dr. Birbaumer & Eberhardt oder Kutnjak bestücken will, kann sich immer noch an den Schmuckständen von Müller-Heffter oder Seewald begeistern.

Service

Messe

Kunst & Antiquitäten
Postpalast, München
10. bis 18. März

Eine Version dieses Beitrags erschien in

Weltkunst Nr. 140 / 2018

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