Kunsthandel

Die junge Tradition der Frieze London

Seit einem gefühlten Jahrhundert, tatsächlich erst seit 13 Jahren zeigen die Messen Frieze und Frieze Masters in London junge Kunst bis Alte Meister

Von Dirk Bennett
28.09.2016

Seit gefühlten hundert Jahren öffnet die Frieze Art Fair alljährlich ihre Pforten für den anspruchsvollen Kunstliebhaber – offbeat, gewagt und immer cool. Dabei war es erst 2003, als Amanda Sharp und Matthew Slotover, in der Erfolgsspur ihres gleichnamigen Kunstmagazins, mit ihrer Kunstmesse ziel- und geschmackssicher – so erwies es sich im Nachhinein – eine Marktlücke erkannten und erschlossen. Was ursprünglich als zeitgenössische Messe in einem Zelt im herbstlichen Regents Park begann, hat sich in der Zwischenzeit zu einem kulturellen Mammut- and Ganzjahresunternehmen ent­wickelt. Beim schnellen Blick mag sich angesichts der schier unendlichen Frieze-Inkarnationen Konfusion breitmachen: drei Hauptveranstaltungen – Frieze, Frieze New York, Frieze Masters –, drei Kunstmagazine (das deutschsprachige wurde kürzlich eingestellt) und Events wie Focus, Live, Sculpture Park, Talks, Projects, Film, Sounds, Collections und der Frieze Arts Award – 2016 für den Multimediakünstler Yuri Pattison.

Diversifikation ist das bleibende Thema der Messe: Neu hinzugekommen sind Frieze Academy sowie die Abteilung „The Nineties“ für den nostalgischen Rückblick und die Neubewertung, etwa von Wolfgang Tillmans’ erster Schau beim Galeristen Daniel Buchholz in Köln 1993 oder die Skandalschau „Sensation“ von 1997.

Puppentheater für Erwachse­ne liegt im Trend, und Künstler aller Sparten wie Wael Shawky, die Tiger Lillies oder Tim Spooner haben ihm in den vergangenen Jahren ungeahnt neue Dimensionen verliehen. Deshalb setzt auch die Frieze auf eine experimentelle Kollaboration zwischen der Schriftstellerin Sibylle Berg und dem Künstler Claus Richter. Weitere Highlights sind Präsentationen von Künstlerinnen wie Goshka Macuga, Channa Horwitz, Latifa Echakhch, Francis Upritchard oder Rana Begum.

 

Als bisher erfolgreichste Neuerung hat sich die Frieze Masters erwiesen, eine erst 2012 eingeführte und separat prä­sentierte Kategorie, aus der ein unmittelbarer und deutlicher Sprung der Besucherzahlen resultierte – von 60.000 auf 83.000 in ihrem ersten Jahr und 105.000 Besuchern für 2015. Zahlenmäßig mehr oder weniger ausgeglichen ist inzwischen das Verhältnis zwischen der zeitgenössischen und Fine-Art-Abteilung der Frieze: 160 Vertreter aus 30 Ländern bieten Gegenwärtiges; die übrigen knapp 140 Teilnehmer sind ausgesuchte internationale Galerien, die die traditionellen Genres bedienen. Im Sinn hatte man jenes kaufkräftige Publikum, das mit der zeit­genössischen Kunst zuvor nicht angesprochen wurde. Überraschenderweise misch­ten sich die Besucher schnell und möchten immer mehr Gale­rien mit Positionen nach 1945 Teil der Frieze Masters sein. Hier stehen ihre Werke zwischen alten Meistern, Keramik, Silber, Antiquitäten, Asiatika und Wunderkammerobjekten. 

Zeitlich wie preislich ist der Rahmen weit gefasst: Er reicht von 1000 Pfund für Siebdrucke der Textilkünstlerin Anni Albers bei Alan Cristea bis zu fünf Millionen Pfund für einen archaischen kretischen Helm (Galerie Kallos). Zwei Gemälde von Francesco Zucchi im Stile Arcimboldos, jedoch hundert Jahre später, sind bei der David Koetser Gallery für mehrere hunderttausend Pfund im Angebot, ein Paar Fotografien von Man Ray bewegen sich zwischen ein und zwei Millionen Euro. Namen wie dieser sorgen dafür, dass sich die Messe zu einem wichtigen Termin für die Einkäufer der internationalen Sammlungen und Museen entwickelt hat.

Frieze und Frieze Masters, das sind erneut knapp 300 Aussteller, die rund 500 Pfund pro Quadratmeter Ausstellungsfläche bezahlen. Es ist ein guter Deal, gerade für Aussteller vom Kontinent, die vom schwächelnden Pfund als Folge des Brexit profitieren. Die möglichen negativen Folgen des Austritts für den Kunstmarkt abzufedern bleibt wichtigstes und erklärtes Anliegen des Sektors, der sich für die nahende Herbstsaison wappnet.

 

Service

oberste Abbildung

Penny Siopis (*1953), „When Is a Life Grievable?“, Zeitunngsausschnitte, Tusche, Leim/Lwd., 2015, 57,5×76,5cm (Foto: Stevenson, Cape Town)

Termin

Frieze / Frieze Masters, London, 6. bis 9.Oktober

Dieser Beitrag erschien in

WELTKUNST Nr. 120/2016

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