Kunsthandel

Man reibt sich die Augen auf der Art Basel

Hohes Niveau und zahlreiche Neuzugänge bestimmen die 47. Ausgabe der Art Basel. Das tut allerdings ebenso eine verbreitete Vorsicht: Das Programm wirkt so retrospektiv wie selten zuvor

Von Christiane Meixner und Jan Bykowski
17.06.2016

Ob es an der steigenden Zahl privater Museen liegt, die gefüllt werden wollen, oder an der irrigen Idee, dass sich mit großer Kunst stets auch Großes sagen lässt: In jedem Fall wächst auf der 47. Art Basel die „Unlimited“-Sektion noch einmal gewaltig. Galeristen aus aller Welt bauen in diesem beinahe musealen Areal Arbeiten auf, die ihre Messekojen in jedem Fall sprengen würden. 88 Projekte sind es in diesem Jahr. Manche Beiträge wurden in den ersten Tagen tatsächlich verkauft, etwa die Neon-Installation „The mor of you the more I love you“ von Tracey Emin, gemeinschaftlich von Lehmann Maupin, White Cube und Xavier Hufkes auf die Messe gebracht, der „Tomatoe Head (Green)“ von Paul McCarthy, den Hauser&Wirth für 4,75 Millionen Dollar in die USA weitergereicht haben, oder Mike Kelley’s „History“, bei Skarstedt für 1,5 Millionen Dollar. Die Zahl der möglichen Käufer für solche Mega-Werke ist zwar selbst auf der Art Basel überschaubar. Aber es adelt die Kunst. Als wertfördernder Katalysator läuft die nach wie vor wichtigste europäische Plattform für den Kunsthandel noch immer rund. Und das, obwohl sie sich mit ihren Ablegern in Miami Beach und seit Kurzem auch in Hongkong selbst Konkurrenz macht. Basels Direktor Marc Spiegler winkt solche Argumente gleich ab: Jede der drei Messen habe ein differenziertes Profil. Dass manche Sammler aus Asien oder den USA sich nun den Weg in die Schweiz sparen, hat er nicht feststellen können. Verkäufe in diese Regionen geben ihm recht. Die Pace Gallery hat zusammen mit Esther Schipper und Gallery Ske zwei der Installationen von Prabhavati Meppayil – wiederum aus der Sektion „Unlimited“ – an einen Amerikanischen Sammler verkauft und auch David Zwirner fand zahlreiche Abnehmer für Millionenwerke in den USA, wohin  „Stack“ von Donad Judd oder ein großformatiges Werk von Kerry James Marshall gingen. Aus Asien kam nicht nur  der Käufer von Luc Tuymans „Painting (portrait)“. Ebenfalls für über eine Million Dollar hat Sprüth Magers die Collage „Olyka I“ von Frank Stella nach Asien verkauft.

Basel sei, so Spieler, weiter „the place to be“ und deshalb keine der teilnehmenden Galerien gut beraten, wenn sie mit Unverkauftem von einer Messe zur anderen reise. Er kann sich diese Erwartung leisten. 287 Teilnehmer zählt die Art Basel aktuell – und jeden Platz in den zentralen Messehallen hätte er dreimal vergeben können. Das garantiert ein Niveau, von dem die XXL-Werke im kuratierten „Unlimited“-Bereich ebenso künden wie die Rangelei möglicher Kandidaten um einen Platz in Sektionen wie „Statements“ oder „Feature“. Allein acht Neuzugänge gibt es im Haupt-Sektor; darunter die auf Malerei der L’École de Paris spezialisierte Galerie Applicat-Prazan (Paris), Borzo (Amsterdam), die Galerie Barbara Wien (Berlin) sowie Stevenson (Kapstadt / Johannesburg) mit einem Fokus auf zeitgenössischer südafrikanischer Kunst. Als Neuzugänge verzeichnet die Messe Joségarcía (Mexiko City) und die Pace / Mac Gill Gallery (New York).

Die Sektion „Feature“ hat man erweitert, um acht neue Teilnehmer unterzubringen – darunter Bergamin & Gomide (São Paulo), Corbett vs. Dempsey (Chicago), Grimm (Amsterdam) und Waldburger Wouters (Brüssel). Highlights seien hier unter anderem eine Neuinszenierung von Jannis Kounellis’ zentraler Arbeit „Da inventare sul posto“ aus den frühen Siebzigerjahren sowie Werke der 1919 geborenen Mira Schendel, „die den wichtigsten Phasen ihres künstlerischen Schaffens zugeordnet werden“. Zwei dieser Rückbesinnungen könnten Zufall sein, doch es geht weiter: Die James Cohan Gallery (New York) zeigt seltenen Pop von Robert Smithson, der als Land-Art-Künstler berühmt geworden ist. Grimm (Amsterdam) spendiert den historischen Konzeptarbeiten von Ger van Elk einen Solostand, und aus Berlin bringt die Galerie Wentrup die Installation „Sammelstelle“ von Olaf Metzel mit – eine „immersive und gefühlsgeladene Installation, die ursprünglich als Reaktion auf die Ankunft von Flüchtlingen in Deutschland aus dem ehemaligen Jugoslawien 1992 gedacht war.“

Man reibt sich die Augen angesichts einer Messe für moderne und zeitgenössische Kunst, deren Programm so retrospektiv wie selten wirkt

Schmal schaut daneben das Angebot der „Statements“ mit jungen, aufstrebenden Künstlern aus, zu denen diesmal Steve Bishop (Supportico Lopez, Berlin), Helen Johnson (Mary Mary, Glasgow) und Sol Calero (Laura Bartlett, London) gehören. Und ein Programmpunkt wie die „Parcours Nights“ am 18. Juni mit Performances, Vorführungen und Interaktionen von Anne Imhof, die just den Preis der Berliner Nationalgalerie für junge Kunst erhalten hat, Eva Kotátková und Nástio Mosquito scheint geradezu futuristisch.

Umsatz aber wird mit Hardware gemacht. Da mag das Filmprogramm der in Kairo lebenden Kuratorin Maxa Zoller noch so ambitioniert sein und der „Parcours“ mit 19 ortsspezifischen Installationen etwa von Jim Dine – der erstmals eine solch große Arbeit in Europa zeigt – oder Alfredo Jaar in die Basler Altstadt locken: Die am härtesten umkämpfte Zone bleibt der Hauptbereich der Messe für die international etablierten Galerien. Wann immer hier ein neuer Name auftaucht, müssen zwangsweise Galerien weichen. Für Mark Müller aus Zürich, der nach 23 Jahren nun zum ersten Mal auf der Warteliste landete, ist das ähnlich bitter wie für Bernd Klüser, der auf vier Jahrzehnte lückenlose Teilnahme zurückblicken kann. Was die Ablehnung der etablierten Münchner Galerie bizarr macht, ist die zeitgleiche Entscheidung des europäischen Galeristenverbands Feaga. Sie ehrt Klüser 2016 für sein Lebenswerk und frühes Engagement für Maler wie Gerhard Richter oder Sigmar Polke und ab den Achtzigerjahren auch für Andy Warhol. Der Preis wurde in Messehalle 1 vergeben – und zwar während der Eröffnung der Art Basel.

Basel wolle Galerien, die „jünger und vermeintlich hipper seien“, mutmaßt Mark Müller (Zürich), der Künstler wie Katharina Grosse und François Morellet vertritt. Tatsächlich konzentriert man sich auf solche Händler, die spezifische Marktsegmente vertreten und deren Sammler bestens kennen. Ein Beispiel dafür ist Applicat-Prazan: Die Galerie hat in den vergangenen 23 Jahren die französische Malerei nach 1950 in den Blick genommen und ist darin zum Experten geworden. Dass auch die Sammler verstärkt auf solche kunstgeschichtlich relevanten Phasen schauen, mag nicht zuletzt mit dem Hype um die jüngste Kunst vergangener Jahre zusammenhängen. Mit den explodierenden Preisen des sogenannten Zombie Formalism, die diese abstrakte Malerei erst in ungeahnte Höhen katapultierte und hinterher abstürzen ließ: Bilder von Jacob Kassay, Dan Colen oder Adam McEwen. 

Die Art Basel hat schon im vergangenen Jahr ihre Zonen neu geordnet und nach Zeiten und Strömungen eingeteilt, damit der Besucher schneller sehen kann, was aus diesem Bereich angeboten wird. Das habe sich bewährt, meint Spiegler, und helfe den Sammlern dabei, unmittelbar zu vergleichen, wer beispielsweise die besten Stücke der Klassischen Moderne zeige. So gewinnen bei all der Konzentration auf Übersicht und Bewährtes die Satellitenmessen wieder an Gewicht. Die „Liste“ war immer dafür bekannt, dass sie vielversprechende Künstler wie Galerien im etwas labyrinthischen Gebäude der ehemaligen Warteck-Brauerei präsentiert – früher galt sie gar als „Wartehalle“ für künftige Art-Basel-Kandidaten. Wer sich hier zur Eröffnung umschaut, sieht internationale Sammler durch Kojen streifen, die ähnlich voll sind wie die der Hauptmesse. Zusammen mit der „Volta 12“, der „Photo Basel“, mit „Scope“ und der „Design Miami / Basel“ bildet sie ab, was die Galerien der Art Basel noch nicht erreicht hat, künftig aber eine Rolle spielen könnte.

Abbildung ganz oben:

Pat O’Neill (* 1939), „Safer than Springtime“, 1964, angeboten von Cherry and Martin, Los Angeles (Foto: Cherry and Martin, Los Angeles)

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