Kunsthandel

Tefaf auf der Suche nach der Zukunft

Die wichtigste Messe für Alte Kunst sieht sich Herausforderungen ausgesetzt: ein Rückblick auf vier Sektionen der Tefaf.

Von Jan Bykowski, Jan Kohlhaas, Sebastian Preuss, Stefan Weixler
23.03.2016

Alte Meister

Der Auftritt der „Grande Dame“ ist strahlender Höhepunkt auf dem Gemälde von Eglon van der Neer (Abb.), das Haboldt in Maastricht zeigte. Sie kann sich aussuchen, wem sie ihre Gunst schenkt. Der im Hintergrund links Weinende liest gerade ihre Absage. Die Parallelen der „Grande Dame“ zur „Königin der Kunstmessen“, wo sie für 875.000 Euro zu kaufen war, waren lange selbstverständlich. Nach über vierzig Jahren Kunstmesse in Maastricht war es eine Herausforderung, Trend und Tradition zu verbinden. Augenfällig wurde das bei Johnny van Haeften. Ein „Turmbau zu Babel“ von Abel Grimmer konnte mit einem Galerieglas von jenen betrachtet werden, die noch wissen, was das ist. Ein Hochzeitszug von Marten van Cleve dagegen war mit Kopfhörern ausgestattet, um mit Geräuschen und Musik dem smartphonegewohnten Publikum Zugang zu Alten Meistern zu verschaffen. Ein Künstler im Trend ist Frans Pourbus der Jüngere. Sein Porträt der Eleonore von Medici wurde von Fergus Hall für 410.000 Euro angeboten und umgehend verkauft.

Ist bei Pourbus aktuell der Sohn gesucht, machte bei Gentileschi zuletzt der Vater mit hohen Auktionsergebnissen von sich Reden. In Maastricht bot Sarti dagegen ein Werk der Tochter an. Artemisias kleine Kupfertafel mit „Judith und Holofernes“ war am Eröffnungsabend bereits reserviert.

Da hatte die Weiss Gallery eine Heilige Katharina von Alexandria von gleicher Hand schon weitergereicht. Der Käufer hat zugleich auch einen „Jupiter als Satyr“ von Anthony van Dyck erstanden. Das Fragment aus „Jupiter und Antiope“ geht als Leihgabe ins Rubenshuis. Auch zwei bisher fehlende Tafeln des Altars von Hans Schäufelin in der Berliner Gemäldegalerie, die Arnoldi-Livie mit der Preiserwartung von 350.000 Euro angeboten hatte, wurden an einen Privatsammler verkauft und sollen demnächst als Leihgabe an das Museum gehen. Mit zwei weiteren Tafeln, die ebenfalls in Maastricht angeboten wurden, könnte der Altar vervollständigt werden. Zur Dornenkrönung bei der Galerie Sanct Lucas sowie der Geißelung Christi bei Haboldt, liefen bei Redaktionsschluss noch jeweils Verhandlungen.

 

Schon vor der Messe war der Star dieses Jahres verkauft, der bei Talabardon & Gautier trotzdem noch einmal zu sehen war. Denn diese Geschichten will man aus dem Kunsthandel hören: Bei Neye & Company in New Jersey mit 500 Dollar Taxe als „Continental School“ aufgerufen, wurde die kleine Tafel für 870.000 zugeschlagen. Händler vermuten einen Preis zwischen 2 und 3 Millionen Dollar, für die sie nun als Werk des jungen Rembrandt an Thomas S. Kaplan ging. In seiner „Leiden Collection“ trifft „Der Geruch“ auf zwei weitere Elemente dieser Fünf-Sinne-Serie. 
Jan Bykowski

Arbeiten auf Papier

In einem Markt, auf dem nichts nachwächst, muss man das Alte immerzu in neuem Licht erscheinen lassen und sich schnellstmöglich diversifizieren, um Risiken zu minimieren. Die Tefaf bewegt sich in ei- nem derart schwierigen Terrain – und man muss sagen: sehr geschickt, indem sie den Bereich ihrer unbestrittenen Kernkompetenz – Kunst und Kunsthandwerk vor 1800 – in per se fachfremde Richtungen – Moderne, Design und Haute Joaillerie – erweitert hat.

Bei der Einführung der PapierSektion im Jahr 2010 ging es in erster Linie um eine Differenzierung des bestehenden Angebots – die Kundschaft sollte noch individueller bedient werden. Papier ist ohnehin schon länger Trend, und so lag es nahe, auf den Zug aufzuspringen. Der Satellit im Obergeschoss ist heuer optisch besser an das Messeplain angegliedert worden – und somit konnten dann auch alle zufrieden sein. Zurecht. Dennoch bestehen grundsätzliche Probleme.

Denn die Sektion mit ihren diesmal 23 Ausstellern lebt im Grunde von zehn, zwölf echten Spezialisten für Handzeichnungen. Darunter Hochkaräter wie Wienerroither & Kohlbacher (Wien), die zu Preisen bis zu 150.000 Euro Arbeiten von Kirchner, Kokoschka und Schiele verkauften; ebenso Stephen Ongpin (London), der für 11.000 Euro Jacob Adriaensz Backers „Junger Knabe mit Federkappe“ und für 70.000 Euro ein Selbstporträt von Govaert Flinck (verso: Figurenszene) absetzen konnte; und nicht zuletzt Wilfried Utermann (Dortmund), der zwischen 20.000 und 170.000 Euro Blätter von Feininger, Nolde und Beckmann (Abb., „Zwei Herren mit Spielkarten“, Bleistift, 1936, 21 x 14,7 cm) weiterreichte. Dazu gesellen sich aber auch Antiquariate (u. a. Crouch Rare Books, London), Experten für Altmeistergrafik (E. H. Ariëns Kappers, Amsterdam), für japanische Farbholzschnitte (Galerie Tanakaya, Paris) und sogar Fotos (u. a. Johannes Faber, Wien). Und selbst, wenn man das alles unter dem Dach „Papier“ subsummieren möchte: Viele herausragende Arbeiten dieser Bereiche verteilten sich über die gesamte Messe: So hatte Richard Nagy (London), Sektion Moderne, wieder mal eine Reihe Klimt-und Schiele-Zeichnungen dabei; Helmut H. Rumbler (Frankfurt) wurde seinem exzellenten Ruf auf dem Gebiet der Altmeistergrafik einmal mehr bei den Gemälden gerecht; und der im Antiquitäten-Bereich angesiedelte Heribert Tentschert (Bibermühle) sorgte für die Sensation im Antiquariats-Sektor: mit einem Pariser Stundenbuch von 1408 / 10, das Paul Limburg wohl für den Duc de Berry gestaltete (12 Millionen Euro).

An sich hätte die abgekoppelte Papier-Sektion das Zeug zu einem wahren Gabinetto dei Disegni – was fehlt, ist ein wenig mehr Konzentration. 
Stefan Weixler

Antiquitäten

Der größte Bereich der Messe ist traditionell dem riesigen Angebot an Antiquitäten vorbehalten. Zusammen mit zwölf spezialisierten Antikenhändlern waren über hundert Galerien vertreten, die aus nahezu jedem denkbaren Sammelgebiet faszinierende Objekte offerierten. Und allem Geunke zum Trotz wurden auch in den meisten Sparten gute Ergebnisse erzielt.

Nicht zu übersehen war ein gigantischer Marmorfuß mit Sandale, der einst zu einer römischen Monumentalstatue des 2. / 3. Jahrhunderts gehörte. Die spektakuläre Plastik begeisterte auch Nicht-Antikensammler und war bei Cahn (Basel) schnell verkauft (350.000 Euro). Beeindruckend war auch der Bronzekopf einer Römerin, für den Sycomore (Genf ) 300.000 Euro bekam. Er war vermutlich in späterer Zeit mit Blei gefüllt und als Gewicht verwendet worden. Ungefähr zum gleichen Preis reichte Vanderven (’s-Hertogenbosch) ein Paar bronzener Griffringe mit Taotie-Masken aus der östlichen Zhou-Zeit (770 – 221 v. Chr.) an einen Schweizer Sammler weiter. Ebenfalls sechsstellig war die Summe, die ein Privatsammler für eine seltene Blau-Weiß-Pagode aus Porzellan der Qing-Dynastie (um 1800 – 1820) bei Jorge Welsh (London / Lissabon) hinblätterte. Cohen & Cohen (Reigate) konnte einen Lack-Ständer mit Perlmutt-Intarsien aus der Ming-Dynastie an das Pariser Musée Guimet vermitteln. Auch wenn – oder gerade weil – die Verhandlungen mit Museen oft viel Geduld in Anspruch nehmen, freut es die Händler immer besonders, wenn eines ihrer Stücke den Weg dorthin findet. Ein Augenmodell aus gedrechseltem Elfenbein und Bein, um 1680 von Stephan Zick in Nürnberg gefertigt, hätte Georg Laue (München) gleich mehrfach verkaufen können. Den Zuschlag bekam das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Und den Terrakotta-Löwen von Clodion (um 1770 – 1790) kaufte bei Daniel Katz (London) zwar ein New Yorker Privatsammler, aber mit beratender Unterstützung von zwei Museumskuratoren. Überhaupt war die Nachfrage bei europäischen Skulpturen gut. Senger (Bamberg) freute sich über zahlreiche Verkäufe, darunter der 1,70 Meter große Heilige Oswald des Memminger Meisters Christoph Scheller (Lindenholz, um 1510), der für 160000 Euro in die Schweiz ging.

Bei den Uhren standen prunkvolle französische Pendulen hoch im Kurs. Redding (Gündisau) reichte mehrere im sechsstelligen Bereich weiter, darunter eine ungewöhnlich große „Chariot Clock“ (Paris, 1805 / 10). Mühlbauer (Pocking) verkaufte eine astronomische VasenUhr aus vergoldeter Bronze (Abb.) für 380.000 Euro. Ein nahezu identisches Stück wurde 1798 an Paul I. in St. Petersburg geliefert und befindet sich heute im Kreml. Jetzt kam ein Holländer zum Zug. 
Jan Kohlhaas

Moderne und Design

Die Moderne steht auf der Tefaf zwar etwas im Schatten der alten Kunst, aber gute Geschäfte sind auch hier zu machen. Glänzend lief es für die Cardi Gallery aus London, die für rund zwei Millionen Euro ein Nagelrelief von Günther Uecker vermittelte. Der gewichtigste Deal gelang Dickinson, ebenso London, mit Renoirs flirrender Wasserlandschaft samt Dame im Ruderboot, entstanden 1885 und zu Beginn für 12 Millionen Dollar angeboten. Über den gezahlten Preis hüllte man sich in Schweigen.

Rund zwei Millionen war einem Sammler bei Thomas Salis (Salzburg) Paul Delvaux’ erotisch aufge- ladenes Rätselbild „La grande allée“ von 1964 wert (Abb.). Auch Landau Fine Art (New York) punktete mit dem belgischen Surrealisten; hier war „Le miroir“ von 1936 erfolgreich. Die Amsterdamer Galerie Delaive nutzte ihren Heimvorteil und reichte eine expressiv-abstrakte Papierarbeit von Sam Fancis (1990) für 450.000 Euro weiter, aber auch zwei großformatige Bilder von Karel Appel. Beck & Eggeling aus Düsseldorf hatten Fortüne mit Heinz Mack, Gerhard Richter und Heribert C. Ottersbach.

Zufriedenheit herrschte bei der Londoner Mayor Gallery, wo eine ganze Werkparade aus dem Kontext von Zero und Op Art ihre Liebhaber fand. Dieses Umfeld prägte, wie derzeit überall, das Geschehen. Lucio Fontana war wohl der meist verkaufte Künstler der Messe. Karsten Greve setzte drei Werke von ihm ab, darunter eine große bemalte Keramikvase, für die 350.000 Euro gezahlt worden sein sollen. Ein „Concetto Spaziale“ aus den frühen Sechzigern verkaufte Odermatt-Vedovi aus Brüssel (um 700.000 Euro). Den derzeitigen Otto-Piene-Boom nutzte die Berliner Galerie Bastian mit einem besonders schönen Rauchbild aus der begehrten Frühzeit von 1961. Für „unter 400.000 Euro“ sicherte sich ein Sammler das Meisterwerk. Auch einige bemalte Keramikgefäße von Picasso, angesiedelt zwischen 18.000 und 60.000 Euro, fanden bei Bastian ihre Liebhaber.

In der Abteilung „Design“ hatten fast alle Händler Verkaufserfolge: Didier (London) mit seiner Auswahl von Künstlerschmuck der Moderne, Ulrich Fiedler (Berlin) mit den neu gefundenen Möbeln des Jugendstilarchitekten Alfred Genander, Laffanour-Galerie Downtown (Paris) mit einem spektakulären Möbelensemble des Mexikaners Luis Barragán oder Bel Etage (Wien) mit erlesenen Stücken des Wiener Jugendstils.

Das Faszinosum der Tefaf ist und bleibt der Reichtum der Alten Meister, der Antike, des europäischen Kunsthandwerks bis hin zu den Höhenflügen der asiatischen oder afrikanischen Kunst. Aber da immer mehr epochenübergreifend gesammelt wird, ist die Moderne eine feste Größe in Maastricht. Das hat sich auch dieses Jahr wieder bestätigt.  
Sebastian Preuss

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