Bilder von gnadenloser Ehrlichkeit: Der Berliner Gropius Bau würdigt die amerikanische Fotografin Diane Arbus in einer großen Ausstellung. Wir sprachen dort mit Neil Selkirk, der nach Arbus’ Tod ihr Werk sichtbar machte
ShareAm Ende des Kurses, den ich 1971 bei Diane belegte, hatte ich keine Ahnung, ob ich etwas gelernt hatte. Sechs Monate später beging sie Selbstmord. Danach beschäftigte ich mich 18 Monate lang mit ihren Arbeiten. Und weil mich die Familie bat, in ihrer Dunkelkammer Abzüge zu machen, vertiefte ich mich vollständig in ihre Bildsprache. Das beeinflusste mich ästhetisch sehr. Ich wurde unfähig, in meinen Bildern Lügen zu produzieren, denn daraus besteht die kommerzielle Fotografie. Ich wurde völlig besessen von Fakten, von den Dingen, so wie sie waren. Dann musste ich herausfinden, wie ich damit umgehen und meinen Lebensunterhalt verdienen konnte.
Absolut. Ich musste einfach wieder den Glauben an wahrhaftige Fotografie finden. Fotografien müssen Dokumente sein, sonst sind es Konstrukte oder die Ideen von anderen. Das Erstaunliche für mich war die Erkenntnis, dass Dinge, die real geschehen, viel außergewöhnlicher sind als alles, was wir uns ausdenken können. Am Ende des Buches „Diane Arbus Untitled” gibt es einen schönen Satz. Doon schreibt in ihrem Nachwort, dass „nichts, was unsere Imagination hervorbringt, so beeindruckend, aufregend, magisch oder verwirrend sein kann” wie eine Begegnung mit der Realität. Genau das wollte Diane uns zeigen.