500 Jahre Bauernkrieg

Der Aufstand der kleinen Leute

Vor 500 Jahren erhoben sich die deutschen Bauern gegen Armut und Ungerechtigkeit. Wie der Bauernkrieg die Kunst befeuerte, zeigen nun Ausstellungen in Ost und West

Von Ralph Gesternberg
14.02.2025

Als frühbürgerliche Revolution wurde der Bauernkrieg in der DDR angesehen, deren freiheitliche Ideale sich im Arbeiter-und-Bauernstaat endlich erfüllt hatten. Das Konterfei des Theologen und Reformators Thomas Müntzer, der sich dem Bauernheer anschloss und am 27. Mai 1525 nach der Schlacht bei Frankenhausen als geistiger Führer der aufmüpfigen Bauernschaft enthauptet wurde, zierte die Fünf-Mark-Banknote der DDR. Eine tragische, quasi präkommunistische Lichtgestalt und eine blutig niedergeschlagene Revolution – zirka 6000 Bauern ließen auf dem thüringischen Schlachtfeld ihr Leben –, das war das Narrativ, das die SED-Führung zu einem künstlerischen Großprojekt inspirierte. Ein monumentales Schlachtengemälde sollte entstehen, das die historischen Ereignisse heroisierte. Vorbild dafür war ein russisches Panoramabild der Schlacht bei Borodino, das 1962 in einem eigens dafür erbauten Panoramamuseum in Moskau untergebracht worden war.

Mindestens ebenso gigantisch sollte das Bauernkriegspanorama auf dem Schlachtenberg bei Bad Frankenhausen werden. 1972 wurde das Projekt in Auftrag gegeben. Drei Jahre später, zum 450. Jahrestag des Bauernkrieges, waren der Rundbau, der das 123 Meter lange und 14 Meter hohe Monumentalgemälde beherbergen sollte, sowie das Eingangsgebäude fertiggestellt. Allein ein Künstler fehlte den Auftraggebern. „Man hat wohl zuerst mit Bernhard Heisig und auch mit Wolfgang Mattheuer gesprochen, die dankend abgelehnt haben“, erzählt Silke Krage, Leiterin für Museumsmanagement/Fachwissenschaft des Panorama Museums. „Und irgendwann kam dann Werner Tübke ins Gespräch.“

Herrenberger Altar
Jerg Ratgeb schuf den Herrenberger Altar um 1519 und wurde selbst zum Opfer im Bauernkrieg. © Staatsgalerie Stuttgart

Tübke, dessen eigener Malstil sich eher an alten Meistern wie Albrecht Dürer, Lucas Cranach und Pieter Bruegel orientierte, als am sozialistischen Realismus, sagte schließlich zu – allerdings zu seinen Bedingungen. Keine ideologisch gefärbte Staatskunst wollte er schaffen, sondern das zeitlose Porträt einer Epoche: der Renaissance. Mit zahlreichen Helfern arbeitete er zwischen 1976 und 1987 an seinem apokalyptischen „Welttheater“, das er mit mehr als 3000 Figuren in Szene setzte. Noch heute seien die Menschen beeindruckt von der künstlerischen Wucht, den Details, der Farbigkeit, der Lichtinszenierung, wenn sie vor dem monumentalen Werk stehen, sagt Silke Krage, die schon zur feierlichen Eröffnung 1989, kurz vor dem Mauerfall, im Panorama Museum beschäftigt war.

Nach der deutschen Einheit gab es mehrfach Bestrebungen, das Museum zu schließen. DDR-Auftragskunst stand unter dem Verdacht, ideologisch kontaminiert zu sein. Doch der Besucherstrom hielt an. „Und wie hätte ein Kunstwerk von diesen Dimensionen anders entstehen sollen als mit einem Staatsauftrag?“, fragt Silke Krage. „Auch die Sixtinische Kapelle in Rom war ein Auftragswerk.“

2025 ist die „Sixtina des Nordens“, wie sich das Museum inzwischen selbstbewusst nennt, Teil der großen Thüringer Landesausstellung „freiheyt 1525 – 500 Jahre Bauernkrieg“. Dann werden auf dem Schlachtenberg bei Bad Frankenhausen die historischen Vorlagen, Holzschnitte und Flugblätter zu sehen sein, die Werner Tübke bei der Arbeit am Panoramabild verwendet hat, um sich die vergangene Epoche zu vergegenwärtigen.

Herrenberger Altar
Jerg Ratgeb schuf den Herrenberger Altar um 1519 und wurde selbst zum Opfer im Bauernkrieg. © Staatsgalerie Stuttgart

Ein weiteres Zentrum des Bauernkrieges befand sich im heutigen Baden-Württemberg. Vor fünfhundert Jahren besetzten und plünderten die aufständischen Bauern dort Burgen und Klöster, zum Beispiel das Kloster Schussenried in der Nähe von Biberach. Als Teilprojekt der Großen Landesausstellung Baden-Württemberg wird dort die Präsentation „Uffrur! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“ zu sehen sein, die die historischen Ereignisse im gesamten Südwesten Deutschlands mit zirka 200 Exponaten beleuchtet. Zentrales Objekt der Ausstellung sei die „Weißenauer Chronik“, erklärt der Kurator Marco Veronesi. „Sie beschreibt die Geschehnisse im Kloster Weißenau, unweit von Ravensburg, anhand von elf Federzeichnungen. Das heißt, wir haben hier die Dynamik der Ereignisse im Bild.“

Ergänzt werden die Exponate durch acht Protagonisten des Bauernkrieges, die „mittels künstlicher Intelligenz zum Leben erweckt“ werden. Neben Götz von Berlichingen und Georg von Waldburg-Zeil, der wegen seines brutalen Vorgehens gegen die Bauern den Beinamen „Bauernjörg“ erhielt, wird auch der Maler Jerg Ratgeb für die Ausstellung digital animiert. Ratgeb, der bedeutende Werke wie den „Herrenberger Altar“ schuf, verhandelte als Rat der Stadt Stuttgart mit den aufständischen Bauern, die ihn schließlich zum Kriegsrat und Kanzler wählten. Nach der Niederschlagung des Aufstands wurde er des Verrats bezichtigt und zum Tode verurteilt. Marco Veronesi sieht in ihm eine tragische Figur, jedoch keinen Revolutionär, wie es die DDR-Historiker getan haben. „Man wollte ihn als Revolutionär sehen, aber es gibt tatsächlich wenig Anhaltspunkte dafür.“

Auch Werner Tübke hat Jerg Ratgeb in seinem Panorama porträtiert. Indem er ihn zwischen Tilman Riemenschneider und Albrecht Dürer platzierte, würdigte er ihn ebenfalls vor allem als Künstler, nicht als Revolutionär. Wie spannend und spannungsreich die Sicht auf den Bauernkrieg in Ost und West heute noch ist, kann man in den beiden großen Landesausstellungen sowie in verschiedenen Einzelausstellungen zum Jubiläumsjahr herausfinden. Auch ein Gegenwartsbezug wird sich leicht herstellen lassen, denn soziale Ungleichheit und der Kampf um Freiheit und Menschenrechte prägen auch unsere unruhigen Zeiten. 

Service

AUSSTELLUNGEN

FREIHEYT 1525

Thüringen war Schauplatz eines entscheidenden Wendepunktes des Aufruhrs und finaler Wirkungsort des radikalen Reformators Thomas Müntzer. Daran erinnert die Thüringer Lande sausstellung in Mühlhausen – Müntzers letzter Wirkungsstätte als Prediger – und in Bad Frankenhausen.

DER WELT LAUF

Die kunsthistorische Betrachtung der zeitgeschichtlichen Quellen und deren künstlerische Verarbeitung durch Werner Tübke in seinem monumentalen Epochengemälde bilden das Zentrum der Ausstellung „Der Welt Lauf“ im Panorama Museum in Bad Frankenhausen vom 11. Mai bis 17. August 2025.

GERECHTIGKEYT 1525

Mit einer dezentralen Landesausstellung unter dem Titel „Gerechtigkeyt 1525“ erinnert auch Sachsen Anhalt an die Aufstände vor 500 Jahren und ihre Auswirkungen. Höhepunkte sind Ausstellungen im Kunstmuseum Moritzburg in Halle sowie Veranstaltungen im Mansfelder Land.

UFFRUR!

Als Teil der Großen Landesausstellung des Landesmuseums Württemberg erzählt „UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“ von den Ereignissen im deutschen Südwesten. Die Schau ist vom 26. April bis 5. Oktober 2025 im Kloster Schussenried zu sehen, das selbst Schauplatz der Ereignisse war: Im März 1525 wurde es von Bauern besetzt und geplündert.

Zur Startseite