Was läuft?

Hans Holbein & William Turner

Mit Holbein wird die Renaissance in Frankfurt lebendig und Turner hüllt in München die Welt in kunstvollen Nebel – das sind unsere Museumstipps zum Wochenende

Von Tim Ackermann
08.11.2023

Holbein und die Renaissance im Norden

Städel Museum, Frankfurt, bis 18. Februar 

Fein dargestellt sind die Menschen in den Bildern von Hans Holbein. Nicht nur der Stoff ihrer Gewänder erscheint fassbar real, man meint auch die Atembewegungen darunter wahrzunehmen. Die Renaissance wird in seinen Gemälden wahrhaft lebendig. Das Können, das Holbein unter anderem auch am englischen Königshof demonstrierte, kam natürlich nicht aus dem Nichts. In Augsburg hatte der 1497 geborene Maler in der Werkstatt seines Vaters – Hans Holbein d.Ä. – eine hervorragende Ausbildung genossen. Letzterer hatte seinen größten Konkurrenten in Hans Burgkmair d.Ä., der ebenfalls in Augsburg eine Werkstatt betrieb. Die Ausstellung zeigt, wie die drei Maler und ihr Umfeld die bayerische Stadt zu einem wichtigen Zentrum der Renaissance nördlich der Alpen machten. Mehr erfahren

General Idea

Gropius Bau, Berlin, bis 14. Januar 

Noch immer sehr zeitgemäß wirkt der Ansatz, den die 1969 gegründete Gruppe General Idea seit ihren Anfängen verfolgte: Die drei Kanadier Felix Partz, Jorge Zontal und AA Bronson bedienten sich gern im Fundus schon bekannter Motive oder Symbole, um diese umzudeuten und so mit eleganter Irritation für Aufmerksamkeit zu sorgen. Sie nahmen beispielsweise Robert Indianas berühmtes Schriftbild „Love“ (1966) und ersetzten die vier Buchstaben durch das Wort „Aids“. Dadurch wurde die Epidemie, der Partz und Zontal dann leider 1994 auch selbst zum Opfer fielen, ins Bewusstsein gebracht und gleichzeitig entdämonisiert. Mehr erfahren 

„Nazi Milk“
„Nazi Milk“ aus der Ausstellung „General Idea“ 1979/1989). © Collection Gaby & Wilhelm Schürmann

William Turner

Lenbachhaus, München, bis 10. März

Romantiker waren ja viele im frühen 19. Jahrhundert. Aber keiner war dabei gleichzeitig so reflektiert wie Joseph Mallord William Turner, geboren 1775 im Londoner Stadtteil Covent Garden: Er begriff als Erster, dass die Wahrheit eines Bildes nicht in seinem Gegenstand liegt, sondern in der Wahrnehmung des Malers. Und er übersetzte diese Sinnesempfindung auf die Leinwand. Das macht ihn zu einem Giganten, dessen Spuren in der Kunst nachwirken, lange noch nachdem der Sonnenstrahl des Impressionismus die dichten Sturmwolken Turners aus der Malerei vertrieben hatte. Warum es heute für jeden und jede einen passenden Turner gibt, erklärt die Schau des Lenbachhauses in München. Mehr erfahren

William Turner Lenbachhaus
William Turner, „Three Seascapes“, um 1827. © Tate

Nicole Eisenman

Whitechapel Gallery, London, bis 14. Januar

Für kunstinteressierte Menschen ist London immer eine Reise wert. Neben der furiosen Frans-Hals-Schau der National Gallery bietet sich in diesem Herbst als zweiter Pflichtprogrammpunkt unbedingt ein Abstecher ins East End an, wo die Whitechapel Gallery eine Ausstellung von Nicole Eisenman zeigt. Die amerikanische Künstlerin hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten einen felsenfesten Standpunkt in der Kunstgeschichte ermalt. Von der Kritik wird sie als feinfühlige Seismografin zeitgenössischer Seelenausbrüche angesehen. Sie ist quasi der Frans Hals des 21. Jahrhunderts – wenn Frans Hals eine lesbische Mutter gewesen wäre, die in den Biergärten von Brooklyn abhängt. Mehr zum Londoner Kunstherbst lesen Sie hier.

Nicole Eisenman Beer Garden with AK
Genüsslicher Start ins Wochenende: „Beer Garden with AK“ (2009) von Nicole Eisenman. © Nicole Eisenman. Courtesy die Künstlerin und Hauser & Wirth

Venezia 500

Alte Pinakothek, München, bis 4. Februar

Vor gut einem halben Jahrtausend stand die venezianische Renaissance in voller Blüte. Lassen sich nach so langer Zeit in den Bildern immer noch neue Geheimnisse entdecken? Ja, tatsächlich, wie diese Ausstellung in der Alten Pinakothek in München beweist. Sie stellt einige Ergebnisse von jüngeren Forschungen an rund 200 Werken der venezianischen Malerei aus der Sammlung des Museums vor – und die Befunde der Restauratorinnen und Restauratoren sind bemerkenswert: So brachte etwa der Röntgenfluorenszenz-Scan eines Doppelbildnisses, das einen Astronom und seinen jungen Scholaren zeigt, eine darunter liegende übermalte Skizze einer Landschaft ans Licht. Und die besondere Komposition dieser Landschaft deutet wiederum auf einen sehr berühmten Urheber hin, dem nun das Doppelbildnis zugeordnet werden kann. Mehr erfahren

Bordone
Erst nachträglich wurde Paris Bordones Porträt eines Mannes um die Juwelen erweitert. © Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München

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