Ausstellungen

Schaufenster: Picassos grafisches Werk

Galerien und Kunsthandlungen haben geschlossen – wir öffnen ein digitales Schaufenster. Hier führt uns Elke Mohr von Die Galerie in Frankfurt durch ihre Ausstellung zu Picassos grafischem Werk

Von Elke Mohr
16.04.2020

Mitten in der Krise um Covid-19 hat DIE GALERIE in Frankfurt am Main eine ihrer bedeutendsten Ausstellungen der letzten Jahre eröffnet – vorerst virtuell, in einer Video-Dokumentation und einem animierten 3D-Rundgang durch die Galerieräume auf zwei Etagen: In grober Chronologie wird hier der ganze Reichtum des grafischen Œuvres des Ausnahmekünstlers Pablo Picasso ausgebreitet.  

Auch wenn momentan noch die Besucher physisch fehlen, die Ausstellung „Pablo Picasso. Ausgewählte Druckgrafik und Arbeiten auf Papier“ kommt zur rechten Zeit und mutet wie ein Privileg an. Mit ihrer einfachen, digitalen Erreichbarkeit bringt sie Kunstinteressierte verschiedenster Couleur zusammen: von den Laien, die der schillernde Name Picassos lockt, bis hin zu spezialisierten Sammlern, die hier Freude an den ganz seltenen und außergewöhnlichen Blättern finden. Der 1881 in Málaga geborene Picasso und seine unverkennbare Kunst haben schon manche Krise überstanden – zwei Weltkriege, Weltwirtschaftskrise und Kalten Krieg; das nährt die Zuversicht und Gelassenheit, dass es gerade seine Kunst ist, die hilft, unser von der Corona-Pandemie bestimmte Leben zu meistern. Picassos Kunst ist so viel mehr, weist schon heute darüber hinaus. Sie antwortet nicht auf das Tagesgeschehen in der Welt, sondern strahlt aus, was bleibt: Schönheit, Liebe, aber auch Leidenschaft, Eros, Gewalt, und das auf ganz eigenen Weise.

Was das Besondere an Picassos Kunst ist, zeigt die Ausstellung in DIE GALERIE in lockerer chronologisch biografischer Folge anhand von rund 60 Zeichnungen, Radierungen der Frühzeit, Lithografien der mittleren und Linolschnitten der reifen Jahre. In seiner fast manischen, eruptiven Kreativität hat Picasso ein immenses Werk von rund 2500 Grafiken geschaffen, die zum Teil in hoher Auflage gedruckt wurden und die seinen Ruhm schon zu Lebzeiten manifestierten.

Der Ausstellungsrundgang beginnt mit den, um 1905 entstandenen, zarten Kratz-Gravuren aus der sogenannten Suite des Saltimbanques, die Picasso den Akrobaten- und Zirkusartisten des Cirque Médrano in Paris gewidmet hat. Dort, wo sich das Akrobaten-Thema mit alttestamentarischen Szenen wie der des Salométanzes, verschränkt, sind die Blätter besonders reizvoll. Chronologisch beschreitet die Ausstellung in DIE GALERIE den weiteren Weg des Künstlers über den Kubismus  zur  „Klassik“, zu einer Werkauswahl aus der nach Picassos ersten großen Verleger Ambroise Vollard genannten Suite Vollard, einer Serie von 100 Grafiken, die in den 1930er Jahren entstanden. Der Minotaurus-Mythos – in der Radierung „Minotaure aveugle guidé par une Fillette“ in ganz eigener, vielleicht autobiografischer Interpretation – der Stierkampf und das Verhältnis Maler – Modell sind in diesen Radierungen immer wiederkehrende Motive.

Picassos Zuwendung zur Lithografie geht mit einer neuen Muse und Lebensgefährtin einher, der jungen Françoise Gilot, die Modell zahlloser Porträtdarstellungen wird. Françoise Gilot war Picassos Geliebte von 1945 bis 1953 und Mutter seiner Kinder Claude und Paloma. Die Bildhommage „La Femme à la Résille (Femme aux Cheveux verts)“, eine Farblithografie in aufwändiger ornamentaler Ausgestaltung, ist eines der markantesten Blätter der Ausstellung. In der Aquatinta mit Zuckeraussprengverfahren „La Femme a la Fenêtre“ hat der Künstler seine junge Geliebte zärtlich porträtiert, wie sie abwesend aus einem Fenster blickt. Die abstrahierte Frisur und das Gesicht sind emblematisch für seinen geometrisierenden, abgewandelt kubistischen Ansatz zur Darstellung der Figur, den Picasso in den 1930er-Jahren entwickelte, in den 1940er-Jahren verfeinerte und in den 1950er-Jahren neu erfand.

Die letzte Ehefrau Jacqueline Roque schließlich entfachte erneut einen kreativen Sturm und bestimmt das Alterswerk des Künstlers. Picasso hatte sie 1953 kennengelernt, und ihr Konterfei ziert viele der Linolschnitte der 1950er-Jahre, in denen er seine charakteristische Linienkunst mit der Flächigkeit eines Linolschnitts auszutarieren versteht, auch in so klassischen Sujets wie dem Stillleben. Das zeigt der 1962 entstandene Linolschnitt „Nature morte sous la Lampe“ in besonderer Weise.

In einem eigenen Kabinett innerhalb der Ausstellung wird der Druckgraphik eine Auswahl an Original-Zeichnungen zur Seite gestellt. Besondere Beachtung verdient hier ein zweiseitig bemaltes Blatt aus einem der Skizzenbücher Picassos. Die Tuschzeichnung „La Toilette“ auf der Vorderseite dieses Blattes beschreibt Picassos Erinnerungen an die Sommerferien, die er 1951 mit Geneviève Laporte, für kurze Zeit Modell und Geliebte des 25 Jahre älteren Künstlers, verbrachte. Diese schlugen  sich im Werk als „Periode Geneviève“ nieder.

Service

AUSSTELLUNG UND VIRTUELLER RUNDGANG

Die Ausstellung ist bis 23. Mai jederzeit nach Vereinbarung, auch über das offizielle Ausstellungsende hinaus, zu besichtigen.

Online sind verfügbar:

Video zur Eröffnung der Ausstellung

3D-Ausstellungsrundgang

Podcasts herausragender Werke der Ausstellung: https://soundcloud.com/user-456470295/die-galerie-podcast-folge-1  und https://soundcloud.com/user-456470295/podcast-folge-2

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