Ausstellungen

Haute Couture mit Tiefgang

Die Villa Stuck blickt auf 40 Jahre deutsche Vogue

Von Tim Ackermann
18.10.2019

Die Mode mag eine Pariserin sein, aber die Modejournalistin ist zweifellos in New York geboren! Als der Verleger Condé Montrose Nast 1909 die Vogue erwarb, begann der beispiellose Aufstieg eines bis dato eher unwichtigen New Yorker Gesellschaftsblattes zur heute einflussreichsten gedruckten Instanz, was innovative Bekleidungsentscheidungen betrifft. Condé Nast verdankte den Erfolg seines Projekts der ersten Chefredakteurin Edna Woolman Chase, die das Magazin von 1914 bis 1952 leitete. Doch auch einige Nachfolgerinnen von Chase wie Diana Vreeland in den Sechzigerjahren oder seit 1988 Anna Wintour, deren Kompromisslosigkeit im Buch »Der Teufel trägt Prada« thematisiert wurde, sind Teil der Vogue-Legende.

Die Modejournalistinnen aus Manhattan überzeugten schnell ein globales Publikum: Bereits 1916 wurde die britische Ausgabe gegründet, 1920 folgte eine französische. Die deutsche Vogue existiert – nach einem ersten Versuch in den Jahren 1928/1929, den die Weltwirtschaftskrise beendete – immerhin seit dem Jahr 1979 in München. Was den willkommenen Anlass für eine würdigende Ausstellung in der Villa Stuck bietet.

Der Titel »Ist das Mode oder kann das weg!? 40 Jahre Vogue Deutschland« deutet die bereits angesprochene Lust an der Kompromisslosigkeit an. Diese umzusetzen in einer Ausstellung, die sich abheben sollte von der gewohnten Schnittmenge, die zwischen Kunst und High Fashion in den Museen ohnehin längst existiert, war Aufgabe des Kuratorenteams aus Christiane Arp, Chefredakteurin der deutschen Vogue, Michael Buhrs, Direktor der Villa Stuck, sowie dem Künstler und Fotografen Martin Fengel. Und als erste Erkenntnis lässt sich feststellen, dass nun nicht die Mode oder die Kunst im Zentrum stehen, sondern wirklich das Magazin, das beide zusammenbringt: So zeigt ein Karl Lagerfeld gewidmeter Raum neben seinem ersten entworfenen Damenmantel von 1954 und seinen Fotos von Modeshootings eben auch eine von ihm gezeichnete Karte aus dem Jahr 2006, mit der sich die vom Modeschöpfer ­ausstaffierte Comicfigur Bearbrick als Cover­motiv bewarb – bei der deutschen Vogue.

Scrapbooks von Matthias Ziegler © VOGUE Deutschland, 2019. Foto: Vanessa Daly
Scrapbooks von Matthias Ziegler © VOGUE Deutschland, 2019. Foto: Vanessa Daly

Es geht in den neun Räumen der Ausstellung also stets um das Magazin, seine Produktion und seine gesellschaftliche Relevanz. Das scheint nur konsequent, da bereits im Neustartjahr 1979 ein Heft entstand, für das Helmut Newton in seine Geburtsstadt Berlin zurückkehrte, um Impressionen entlang der Mauer zu fotografieren. Und wenn die Kleider im ersten Raum wahre Haute-Couture-Träume sind, die das Publikum schwelgen lassen, folgt bald der Blick hinter die Kulisse: Reportagefotograf Matthias Ziegler legte als Vorbereitung für seine Vogue-Strecken Alben an, die die Welt abseits des Glamourzirkus zeigen. Er fotografierte zum Beispiel das Model Julia Stegner als Unicef-Botschafterin im vom Kindersterblichkeit geplagten Sierra Leone oder traf in China den Künstlerdissidenten Ai Weiwei zum Shooting.

Scrapbooks von Matthias Ziegler © VOGUE Deutschland, 2019. Foto: Vanessa Daly
Scrapbooks von Matthias Ziegler © VOGUE Deutschland, 2019. Foto: Vanessa Daly

Die Magazinstrecke veredelt das eigene Antlitz – das weiß auch der Schweizer ­Künstler Ugo Rondinone, der für die Werkserie »I Don’t Live Here Anymore« ab 1995 sein Gesicht geschickt in Modelfotos hineinmontierte, die er zuvor aus Heften wie der deutschen Vogue entnommen hatte. Der Anblick seiner Bilder irritiert. Und beweist, dass es der Kunst vorbehalten ist, die Konventionen und Spielregeln der Modewelt ernsthaft infrage zu stellen.

Service

Ausstellung

»Ist das Mode oder kann das weg!? 40 Jahre Vogue Deutschland«, Villa Stuck, bis 12. Januar

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