Ausstellungen

Der Plan hinter dem Genie

Zahlreiche Gemälde und Vorstudien des Künstlers Fra Bartolommeo noch bis zum 15. Januar 2017 im Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam vereint

Von Dorothee von Flemming
27.10.2016

Kirche, Politik und Kunst waren im Florenz des ausgehenden 15. Jahrhunderts eng mit­einander verwoben, als Girolamo Savonarola, der Bußprediger aus dem Dominikanerkloster San Marco, mit seinen Drohpredigten alles Weltliche verdammte. Er forderte, Luxusgüter und Unschickliches zu vernichten. Ein Ruf, dem auch sein glühender Anhänger, der junge Künstler Baccio della Porta, folgte und seine Nacktstudien und anderen anstößigen Werke in den riesigen Scheiterhaufen auf der Piazza Signoria warf.
Als Savonarola in Ungnade gefallen war und hingerichtet wurde, trat der junge Mann, erschüttert von dessen Tod, im Jahr 1500 als Fra Bartolommeo in Savonarolas Kloster ein, wo er sich mehrere Jahre jeglicher künstlerischer Tätigkeit enthielt. 1504 nahm er die Malerei wohl auf Anraten des Abtes wieder auf, widmete sich von nun an biblischen Themen und Motiven aus der christlichen Heilsgeschichte und schrieb damit Kunstgeschichte.
Fra Bartolommeos 500. Todestag im Jahr 2017 ist für das Rotterdamer Museum Boijmans Van Beuningen, das mit 400 Blättern, davon 100 doppelseitig ausgeführten, die weltweit größte Sammlung seiner Zeichnungen besitzt, ab 15. Oktober Anlass für eine große Ausstellung dieses Meisters der Florentiner Hochrenaissance. Gezeigt werden zehn Werke aus Florenz und Lucca – darunter das riesige Altarbild mit der Darstellung des „Padre Eterno“. Aber auch Gemälde aus Chicago, Berlin und dem Pariser Louvre sind zu sehen – zusammen mit deren prachtvollen und oft minutiös ausgeführten Vorzeich­nungen: So entfaltet sich ein einzigartiges Bild vom Entstehungsprozess seiner Gemälde, der anschaulich wie bei kaum einem anderen Künstler verfolgt werden kann.
Aus der Zeit vor seinem Eintritt in das Kloster bildet das „Jüngste Gericht“– ein für den Friedhof des Klosters Santa Maria Nuova geschaffenes Fresko, das sich jetzt in San Marco befindet – wohl den Höhepunkt. Wie dieses nicht in der Ausstellung präsentierte Werk entstand, werden in Rotterdam zahlreiche wundervolle Vorstudien für den thronenden Christus, Maria und einige Apostel belegen. Das Monumentalwerk blieb beim Eintritt des Künstlers ins Kloster unvollendet und wurde später von seinem Mitarbeiter Mariotto Albertinelli fertiggestellt.
Für die Vorstudien, die anfänglich in Feder und brauner Tinte, später in schwarzer Kreide, weiß gehöht, oder in roter Kreide ausgeführt wurden, bediente sich Fra Bartolommeo diverser Hilfsmittel, darunter einer beweglichen Gliederpuppe. Auch Gips- und Wachsmodelle von Kindern, Füßen und Köpfen sowie von Torsi, über die er zur Erarbeitung von Faltenwürfen Lappen drapierte, fanden sich im Nachlass. Auf das Repertoire seiner Figurstudien sowie seiner hinreißenden Zeichnungen von Landschaften und Felspartien in der Umgebung von Florenz griff er immer wieder zurück, wenn er seine Gemälde schuf.
Großen Einfluss auf Fra Bartolommeo hatte die Begegnung mit dem Werk von Giorgione und Giovanni Bellini, das er auf einer Reise nach Venedig 1508 kennenlernte und das sein Interesse für Licht und Atmosphäre weckte. Letzteres wird in der großartigen Komposition des „Padre Eterno“ von 1509 aus Lucca sichtbar. Zum Großartigsten im Spätwerk von Frau Bartolommeo gehört die zwei Jahre vor seinem Tod gemalte „Madonna della Misericordia“, die ebenfalls aus Lucca anreist. Die auf einem Podest stehende Madonna mit theatralisch ausgebreiteten Armen wird von zahlreichen Figuren in variierten Posen umringt. Ein Bild voller Dynamik, in das der Betrachter durch den direkten Blickkontakt einiger Personen förmlich hineingezogen wird.

 

Service

Abbildung:

Vorzeichnungen aus dem Rotterdamer Museum zeigen die Entwicklung der „Madonna della Misericordia“ (1515) von Fra Bartolommeo (Foto: Lucca, Museo Nazionale di Villa Guinigi; Rotterdam, Museum Boijmans Van Beuningen (Koenigs Collection))

Ausstellung

„Fra Bartolommeo – die göttliche Renaissance“, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, 15. Oktober bis 15. Januar

Dieser Beitrag erschien in

WELTKUNST Nr.120/2016

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