Sommerauktionen

Neue Farben für Berlin

Eine junge Generation bringt neue Impulse in die Auktionshäuser der Hauptstadt. Aber noch dominieren bei den Sommerauktionen die Klassiker der Moderne

Von Lisa Zeitz
23.05.2023
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 213

Europaweit steht Berlin in der Kunstproduktion ganz vorne: Künstlerinnen und Künstler mit internationalem Renommee unterhalten hier ihre Ateliers, manche, wie Tomás Saraceno, Alicja Kwade oder Ólafur Elíasson, mit großen Teams. Aber wie sieht die Berliner Auktionslandschaft aus? „Als Kunstmarktstandort ist Berlins Stärke, dass es sowohl national als auch international der Ort in Deutschland ist, der weiterhin die meisten kunstaffinen Besucher anlockt“, sagt Daniel von Schacky, der seit Kurzem die Grisebach-Geschäftsführung von seinem Stiefvater Bernd Schultz übernommen hat und das Haus zusammen mit Diandra Donecker leitet. „Davon profitieren wir täglich.“ Auf diese Magnetwirkung und auf das Internet müssen die Berliner Auktionshäuser setzen, denn in Deutschland leben kauffreudigere Sammlerinnen und Sammler eher im Rheinland oder in München.

Rund 2500 Objekte versteigert Grisebach im Jahr und spielt mit einem Umsatz von zuletzt 73 Millionen Euro in der obersten Liga – deutschlandweit nur von der Konkurrenz Ketterer in München übertroffen, die erstmals die 100 Millionen Euro geknackt hat. Grisebach, 1986 gegründet, konnte dafür im Winter den höchsten Zuschlag verbuchen, der jemals im deutschsprachigen Raum erzielt wurde, als Reinhold Würth ein Selbstbildnis von Max Beckmann zum Hammerpreis von 20 Millionen Euro erwarb.

Julie Wolfthorns Bild „Mädchen mit Katze“ ist bei Bassenge
Julie Wolfthorns Bild „Mädchen mit Katze“ ist bei Bassenge auf 18.000 Euro geschätzt. © Galerie Bassenge

Star der Sommerauktion ist Lyonel Feiningers Gemälde „Trompetenspieler im Dorf“ von 1915, einer Zeit, als in den Figuren des deutsch-amerikanischen Künstlers noch die Nähe zu seinen Comics zu spüren ist, aber auch der unheimliche Unterton des Ersten Weltkriegs. Grisebach hat für die Vermarktung des Werks einen Filmclip mit dem Regisseur Edward Berger produziert, der für sein oscarprämiertes Epos „Im Westen nichts Neues“ berühmt ist: „Die Gesellschaft löst sich auf“, sagt Berger darin. Er deutet auf die Furchen am Boden, sie erinnern ihn an Krater. „Man wünscht sich Harmonie zurück.“ Weitere Klassiker des Expressionismus und der zeitgenössischen Kunst präsentiert Grisebach mit Werken von Franz Marc, Max Pechstein, Sol LeWitt und Franz West. In der Abteilung 19. Jahrhundert ragen vierzehn Scherenschnitte von Philipp Otto Runge aus der Sammlung Speckter heraus. Noch ein Schwergewicht: August Mackes Ölbild „Mann auf Bank“ ist auf rund eine Million Euro geschätzt.

Auf ein Werk von Macke ist in diesem Juni auch David Bassenge besonders gespannt. In dritter Generation führt er die Galerie Bassenge, die auch für wertvolle Bücher bekannt ist und im vergangenen Jahr mit rund 10.000 Objekten einen Umsatz von 13,7 Millionen Euro erzielte. „Das herausragende Einzel-Highlight der Auktion ist das hinreißend schöne Aquarell „Garten am Thunersee III“ von August Macke von 1913.“ Die Taxe von 120.000 Euro nennt Bassenge „sehr attraktiv“. Immer wieder bringt sein Haus originelle Sonderkataloge heraus: Im Juni ist die Auktion „Mythos und Eros“ dem kuriosen Wiener Künstler Alexander Rothaug (1870–1946) gewidmet. Schon einmal hat Bassenge erfolgreich dessen muskelstrotzende Motive versteigert. Ein zweiter Sonderkatalog heißt „Phantastische Welten“ und spannt einen Bogen von der Renaissance über Symbolismus und Surrealismus bis zur Gegenwart. Neben den angesehenen Berliner Häusern Dr. Irene Lehr, Nosbüsch & Stucke, Dannenberg und Quentin – und den Preußen-Auktionen von Lempertz – hat dieses Jahr in einem Bunker am Hohenzollerndamm ein neues Auktionshaus die Berliner Arena betreten: Lena Winter, die bei Grisebach, Ketterer und in der Galerie Johann König Erfahrungen gesammelt hat, und Sebastian Greber leiten das Auktionshaus am Grunewald mit Fokus auf Kunst nach 1945. Die erste Versteigerung im April lief sehr gut.

Und noch ein Beispiel für den frischen Wind in der Hauptstadt: Auch das 1989 gegründete Haus Jeschke van Vliet hat sich verjüngt und mit dem jungen Geschäftsführer Balázs Jádi seinen Namen aktualisiert. Jeschke Jádi ist auf moderne und zeitgenössische Kunst sowie wertvolle Bücher spezialisiert. „2022 konnten wir rund 3,5 Millionen Gesamtumsatz erreichen“, so Jádi, „bei einer Umsatzsteigerung von 14 Prozent zu 2021.“ Dabei geht die Hälfte der verkauften Lose ins Ausland. Die nächste Auktion umfasst Skulpturen wie Hede Bühls bronzenen „Kopf“, Grafiken von Helen Frankenthaler, Robert Longo und Alex Katz und ein auf 7000 Euro geschätztes Ölbild von Bernard Schultze, „Eine dunkle Szene“ aus dem Jahr 2000.

Das älteste Berliner Auktionshaus schließlich, Leo Spik, wurde 1919 gegründet und versteigert in jährlich vier Auktionen am Kurfürstendamm jeweils rund 1700 Lose, vor allem Antiquitäten. In dem Bereich hat es das Mittelmaß zunehmend schwer, aber besondere Stücke reüssieren: Eine Vierkantflasche aus der Reiseapotheke Augusts des Starken brachte kürzlich 13.000 Euro, ein barocker Aufsatzschreibsekretär aus Mainz 39.000 und ein kleines Ölbild von Lesser Ury mit Berliner Straßenszene 42.000 Euro. Im Juni kommen wieder Antiquitäten aller Art zum Aufruf, darunter Antikenkopien, Miniaturen und Gemälde aus der Auflösung einer Berliner Diplomatenwohnung. Ein Trend? Zunehmend gefragt, so die Kunsthistorikerin Anja Gebauer, seien Designklassiker und Vintage-Artikel wie Taschen und Koffer von Hermès oder Louis Vuitton.

Spik Auktionen KPM-Prunkteller
Bei Spik erzielte der KPM-Prunkteller mit dem Bildnis der Königin Luise von Preußen jüngst 21.000 Euro. © Johannes Zappe/Leo Spik Auktionen

Service

AUKTIONEN

Grisebach

Sommerauktionen, 1./2. Juni,

Fotografie Online Only, 26. Mai bis 4. Juni

Bassenge

Kunstauktion, 7. bis 10. Juni,

Fotografie, 14. Juni

Jeschke Jádi

Moderne und Zeitgenossen, 23. Juni

Leo Spik

Kunst und Antiquitäten, 22. bis 24. Juni

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