Flämische Meister bei Schloss Ahlden

Schmeichler, Satyrn, biblische Gestalten

Das niedersächsische Kunstauktionshaus Schloss Ahlden versteigert eine Reihe flämischer Tafelbilder der Familie Brueghel

Von Angelika Storm-Rusche
30.08.2021
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 13

Wenn am 4. September auf Schloss Ahlden eine Reihe flämischer Tafelbilder versteigert wird, findet sozusagen ein kleines Familienfest statt. Denn es kommen Werke von Pieter Brueghel dem Jüngeren (1564 – 1638), seinem Neffen Jan Brueghel dem Jüngeren (1601 – 1678) und dessen Schwager David Teniers dem Jüngeren (1610 – 1690) zum Aufruf. Lassen sich nun auch in den Gemälden Verwandtschaften feststellen, etwa im Kolorit, dann trägt wiederum Pieter Bruegel der Ältere, der „Bauern-Bruegel“ (1525 / 30 – 1569), einen Teil der Verantwortung dafür. Er nämlich hatte, selbst schon in der Folge seines Schwiegervaters Pieter Coecke van Aelst, die flämische Malerei für die nächsten Generationen vorbildlich geprägt. Allerdings starb er jung, sodass sein Sohn Pieter, sobald er reif genug war, sein künstlerisches Erbe weiterführte. Aber er setzte auch eigene Akzente und erweiterte das Themenspektrum. Seine besondere Spezialität war überdies das Rundbild, das aus Italien importierte Tondo.

Beispielsweise sieht der Brueghel-Kenner Klaus Ertz in dem auf Eichenholz gemalten Tondo „Der dicke Bauer und der Händler“ eine seiner Bildfindungen nach eigenhändiger Zeichnung. Grundsätzlich zählt das Thema zu jenen Tondi Pieter Brueghels d. J., die damals allgemein vertraute flämische Sprichwörter oder Lebensweisheiten mehr oder weniger drastisch vor Augen führten. Exemplarisch sind „Die Schmeichler“, deren eigentliche, unübersehbare Bedeutung „Arschkriecher“ wirklich nicht salonfähig ist. Dagegen sitzt hier nun der dicke Bauer, an dem aber auch alles prall ist, breitbeinig auf einer Bank. Ob er gar nicht weiß, dass er über seiner roten Kappe noch einen Hut gestülpt hat? Ganz so tumb, wie es scheinen mag, ist er wohl doch nicht; er ist vielmehr bauernschlau. Denn erstens lässt er dem Krämer mit dem Bauchladen keinen Platz auf seiner Bank, damit der nicht allzu vertraut tun kann, und zweitens beäugt er ihn äußerst argwöhnisch. Dass der Händler ihn übertölpeln möchte, hat er offenbar erkannt: „Mach dich aus dem Staub, du Krämer, lass dich woanders nieder, wo das Volk noch hörend taub und sehend blind ist.“ Diese Worte des Bauern stammen aus der Umschrift eines Blatts, das der Kupferstecher Hieronymus Wierix nach einer Variation des Themas angefertigt hat. Schloss Ahlden hat den Startpreis des moralisierenden, ausgewogen kolorierten und komponierten Genre-Bildchens von Pieter d. J. bei 46.000 Euro angesetzt.

Der dicke Bauer und der Händler Brueghel Auktion Ahlden
„Der dicke Bauer und der Händler“ zählt zu jenen Tondi Pieter Brueghels d. J., auf denen er flämische Sprichwörter oder Lebensweisheiten humoristisch illustrierte. Schloss Ahlden erwartet mindestens 46.000 Euro. © Schloss Ahlden

Dagegen geraten die „Schlafenden Nymphen von Satyrn bewacht“ auf einer Kupfertafel von Jan Brueghel d. J. mit dem Startpreis von 115.000 Euro in die sechsstellige Preiskategorie. Immerhin gehört es der damals meist geschätzten Themengruppe der mythologischen Historie an, wenn sich auch keine konkrete „Story“ damit verbinden lässt. Vielleicht aber schwingt der Mythos von Jupiter und Antiope mit, nach dem Jupiter die schöne Antiope in Gestalt eines Satyrn verführt. Und dass die beiden Satyrn nichts anderes im Sinn haben, ist offensichtlich. Gehörnt, bocksbeinig und fellbewachsen, erfüllen sie rundum ihre aus der Antike überlieferte Ikonografie. Lüstern belauern sie die drei schlafenden Nymphen, Gefährtinnen der jungfräulichen Jagdgöttin Diana, während der geflügelte Amor, seinerseits Liebesgott, den rechten Finger an den Mund legt und ihren Schlaf behütet. Sonst ist er stets dazu aufgelegt, mit seinen mitten ins Herz treffenden Pfeilen Liebe zu entfachen. Doch noch räkeln die drei Schönen sich in schläfriger Selbstvergessenheit. Die Jagd ist erfolgreich zu Ende gegangen; die Beute liegt am linken unteren Bildrand.

In dieser Szene kommt ein insbesondere in Flandern praktiziertes Phänomen ins Spiel: das Expertentum, die der Qualität dienende Arbeitsteilung der Maler in ein und demselben Gemälde. Hier sind es die mythischen Figuren, die offenbar nicht von Jan Brueghel d. J. selbst stammen. Bisher ist es der Forschung nicht gelungen, ihren wahren Urheber zu identifizieren. Vorgeschlagen wird ein Maler aus dem Rubens-Umkreis. Der große Rubens hätte dem Inkarnat Amors und der Nymphen gewiss etwas mehr Sfumato gegönnt. Ihre barocke Leibesfülle aber entspricht zweifelsfrei seinem Figurenstil.

Amor hält in seiner linken Hand die langen Leinen zweier Jagdhunde in Hundemänteln – ein interessantes Detail. Mit dieser Geste des kleinen Gottes leitet Brueghel geschickt den Blick auf die rechte Bildseite, die ganz der Hundemeute gilt. Damit weist er sich auch als Tiermaler aus, in einem Fach also, in dem sonst der ebenfalls zum Brueghel-Kreis gehörende Flame Frans Snyders hervorstach. Dass der jüngere Jan Brueghel die Naturkulisse der Waldlandschaft beherrschte, bestätigt sich hier mit den kräftigen, eine Lichtung umgebenden Bäumen.

Schlafende Nymphen Brueghel Auktion Ahlden
Jan Brueghel d. J. beweist sich auf der Kupfertafel „Schlafende Nymphen von Satyrn belauscht“ auch als Tiermaler. Die mythologische Szene soll mindestens 115.000 Euro bringen. © Schloss Ahlden

Diesen Schauplatz hat Jan Brueghel d. J. auf der Eichenholztafel „Paradieslandschaft mit Erschaffung des Adam“ wesentlich erweitert, sodass man schon von den typischen Merkmalen der flämischen Landschaft reden kann. Sie hatte sich gegen Ende der 1620er-Jahre, der von Klaus Ertz genannten Datierung der Bildtafel, mit ihrer Farbstaffelung und ihrem Tiefensog in eine verklärte Ferne längst etabliert. Allerdings übernimmt diese Landschaft vornehmlich rahmende Funktion, wobei der jüngere Jan den Tieren im Vordergrund mehr Gewicht verleiht als der Schöpfungsszene im Mittelgrund.

Die Erschaffung Adams vollzog sich am sechsten Schöpfungstag: „Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß“ (1. Mose 2:7). Demnach hat Jan Brueghel d. J. diesen sechsten Tag für sein Bild gewählt, als eine noch friedfertige Tierwelt das Paradies bevölkerte. Beispielhaft dafür sind Hund und Katze, die rechts im Bild beieinanderliegen. Der Maler hat all die Tierarten ins Bild gebracht, die ihm bekannt sein konnten, heimische aus nahen, so gut wie exotische aus fernen Weltregionen. Besonders stolz muss er auf die Kenntnis des Rentiers gewesen sein, das er übergroß gemalt, ja geradezu porträtiert hat. Bis dahin soll es nur eine einzige Darstellung dieser Spezies gegeben haben, ein Aquarell des umfassend gebildeten Joris Hoefnagel. Der Bieter auf diese inhaltsreiche Paradieslandschaft muss mindestens 90.000 Euro parat halten.

David Teniers Noli me tangere Auktion Ahlden
Mit der biblischen Historie „Noli me tangere“ konnte sich David Teniers d. J. bestens als Landschafts- und Figurenmaler ausweisen. Die neutestamentliche Szene um Jesus und Maria Magdalena startet bei 39.000 Euro. © Schloss Ahlden

Wer sich für die biblische Historie „Noli me tangere“ von David Teniers d. J., Öl auf Eichenholz, interessiert, sollte ein Startgeld von 39.000 Euro einkalkulieren. Als Spross einer Malerfamilie, der bei den Brueghels eingeheiratet hatte, war der jüngere Teniers in Antwerpen von künstlerischen Einflüssen umgeben. Hinzu kam der damals moderne Barock, den Rubens, Van Dyck und Jordaens eingeführt hatten. Teniers wird also die Koproduktion „Noli me tangere“ von Rubens und Jan Brueghel d. J. gekannt haben. Jedenfalls war das Thema der neutestamentlichen Szene um Jesus und Maria Magdalena bestens geeignet, ihn als Landschafts- und Figurenmaler auszuweisen. Gewählt hat er für die unwirkliche Begegnung von Jesus und Maria Magdalena eine sanfte Hügellandschaft. Da beide in der Morgenfrühe aufeinandertreffen, lässt der Maler rosafarbene Wolken über den Himmel ziehen, in den – zugunsten einer harmonischen Komposition – eine Gruppe junger Bäume aufragt. Die Figuren dienen nicht mehr als dekorative Staffage oder als thematischer Vorwand für die Landschaftsmalerei. Sie sind gleichberechtigt und, ins Zentrum gesetzt, letztlich bildprägend.

Jesus blickt, aufrecht stehend, sanftmütig auf Maria Magdalena herab. In seiner rechten Hand hält er einen Spaten: „Sie meint, es sei der Gärtner“, heißt es bei Johannes 20, 15. Der Maler hat diese Worte ausgesponnen und Jesus eine Karre mit Gemüse zur Seite gestellt. Reife Früchte liegen am Boden. Während Jesus schlicht mit langer dunkler Tunika und rotem Manteltuch gewandet ist, trägt Maria Magdalena Juwelen und ein kostbares goldfarbenes Kleid, eine Anspielung auf ihre Vergangenheit in Luxus und Unzucht. Ihr „fliegender“ blauer Mantel zeugt von der raschen Geste ihres Kniefalls. Die hat es auch in Rubens’ Version des Themas gegeben. „Noli me tangere“ (Berühre mich nicht) ist Jesu Antwort auf ihre spontan ausgebreiteten Hände. Mit der Blütenhecke auf der einen und dem kleinen Tulpenstillleben auf der anderen Bildseite zeigt David Teniers sich des „Familientreffens“ würdig: Schließlich ist er der Schwiegersohn Jan Brueghels d. Ä., des „Blumen-Brueghel“.

Service

AUKTION

Schloss Ahlden

Auktion 4. und 5. September
Besichtigung 22. August bis 2. September

www.schloss-ahlden.de

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