Georg Philipp Rugendas

Wie Rugendas den Krieg sah

Das Angebot für den Soldatenmaler Georg Philipp I Rugendas ist auf dem Kunstmarkt wieder gestiegen, doch vor allem seine Genrebilder müssen um die Gunst der Bietenden kämpfen

Von Michael Lassmann
05.07.2021

Der Augsburger Maler und Radierer Georg Philipp I Rugendas (Augsburg 1666–1742) gehört zu den einflussreichsten Vertretern der barocken Schlachtenmalerei in Deutschland, obwohl er fernab der großen, stilbildenden Kunstzentren Europas tätig war. Vermutlich war er sogar der erste deutsche Maler, der neben dramatischen Gefechtsszenen auch den Alltag gewöhnlicher Soldaten beschrieb. Trotzdem gilt er spezialisierten Sammlern heute nicht mehr viel – vielleicht, weil seine Bildfindungen den Krieg häufig fiktionalisierten und somit keine historische Relevanz beanspruchen können.

Nach autodidaktischen Versuchen in der Radiertechnik begann der 16-jährige Rugendas eine Lehre bei dem Augsburger Maler Isaak Fisches. 1690 ging er für zwei Jahre nach Wien, von dort aus für weitere 14 Monate nach Venedig, um schließlich seine Studien an der Accademia di San Luca in Rom abzuschließen. Im Sommer 1695 kehrte er endgültig nach Augsburg zurück und arbeitete zunächst überwiegend als Maler. In einer Zeit, in der regierende Höfe ihren Machtanspruch neben ihrer dynastischen Legitimation auch von militärischer Durchsetzungskraft herleiteten, fand er dank seiner Spezialisierung ein einträgliches Betätigungsfeld vor. Für einzelne Auftraggeber wird er Darstellungen von historischen oder aktuellen Kampfhandlungen ausgeführt haben, die sie oder jedenfalls ihr Haus ruhmreich für sich entschieden hatten; die spätere Werkgruppe mit Motiven von der Belagerung seiner Heimatstadt Augsburg durch bayrische und französische Truppen im spanischen Erbfolgekrieg gehen jedoch zweifellos auf eigene Beobachtungen zurück.

Meist aber hatten seine Bilder keinen belegbaren Bezug zu konkreten militärischen Ereignissen und gaben anscheinend reine Fantasiegefechte wieder. Insofern sind seine Inszenierungen von Scharmützeln, Belagerungen, plündernder Soldateska, marschierenden Truppen oder einzelnen Reitern nur bedingt der historischen Schlachtenmalerei zuzurechnen, sondern eher dem Soldatengenre, zumal Rugendas auch Schilderungen vom öden Lageralltag breiten Raum gab.

Ein Bildpaar mit „Kriegsszenen“ von Georg Philipp I Rugendas, hier zu sehen eines der 41,5 mal 39 Zentimeter großen Pendants, verbesserte sich im Februar 2020 auf Schloss Ahlden von 4800 auf 6000 Euro. © Schloss Ahlden
Ein Bildpaar mit „Kriegsszenen“ von Georg Philipp I Rugendas, hier zu sehen eines der 41,5 mal 39 Zentimeter großen Pendants, verbesserte sich im Februar 2020 auf Schloss Ahlden von 4800 auf 6000 Euro. © Schloss Ahlden

Dieser weitaus größere, „unhistorische“ Teil seines Schaffens wirft allerdings Fragen auf, die nach wie vor nicht völlig geklärt sind: Bei Auftragswerken für seine überwiegend adeligen Kunden würde man die übliche Referenz an deren Erfolge als Feldherren erwarten – es sei denn, seine Mäzene hätten seine durch fundierte Detailkenntnis bestechenden Ereignisbilder einzig aus standestypischer Faszination für das Kriegshandwerk bestellt. Eine weitere These, dass Rugendas solche Bilder auf Vorrat für den freien Verkauf produzierte, geht von Marktstrukturen aus, die damals in den Niederlanden und Italien, jedoch kaum in Deutschland anzutreffen waren. Vielleicht ist dies der Grund, warum sich Rugendas fast zwei Jahrzehnte hindurch überwiegend als Radierer und Verleger betätigte, bevor in seinem letzten Schaffensjahrzehnt wieder die Malerei in den Vordergrund trat.

Die aktuelle Offerte war gewohnt schmal, nahm mit 51 Losen seit 2011 jedoch um erstaunliche 75 Prozent zu. Die größere Auswahl erwies sich bei genauerem Hinschauen allerdings als wenig verführerisch, denn gerade unattraktive Lose wurden mehrfach angeboten. Da ist es fast ein Wunder, dass die Quote der Rückgänge mit etwas mehr als 50 Prozent konstant blieb. Doch abgesehen von den vielen ermüdenden Wiederbegegnungen bot der Markt auch sonst nur wenig an ersprießlichen Qualitäten. Zudem scheinen viele Käufer zunehmend auch durch – bisweilen leider täuschend einleuchtende – Fälschungen und Fehlzuschreibungen verunsichert, die zum Teil auch aufgrund unzureichender Expertise unter Rugendas’ Namen gelegentlich in den Verkauf gelangen. Möglicherweise war das mit ein Grund, warum ein Großteil der Bieter erhöhte finanzielle Risiken scheute; die zögerlichen Gebote selbst für auf den ersten Blick attraktive Motive sprechen für sich.

Welche Resultate hingegen möglich sind, wenn eine gesicherte Provenienz ins Feld geführt werden kann, erwies sich 2015 auf der von Sotheby’s durchgeführten Sonderauktion „Das Königshaus von Hannover“, auf der zwei große Ausstattungsbilder mit korrespondierenden, nicht näher spezifizierten „Schlachtenszenen“ für 100.000 Euro weitergereicht wurden. Ohne einen solchen Provenienz-Bonus scheint das durchschnittliche Preisniveau den Aufwand einer eingehenden Recherche in der Regel jedoch nicht zu rechtfertigen, weshalb potenzielle Käufer sich oft allein gelassen sahen: Wer sich nicht absolut sicher war, wie ein qualitätvoller Rugendas idealerweise auszusehen hat, griff darum nur ungern ein wenig tiefer in die Tasche. Das geschah denn auch selten genug.

Mit einem letzten Gebot von 4200 Euro wurde Georg Philipp I Rugendas’ „Kavallerie-Gefecht“ im Dezember 2020 bei Cambi in Genua knapp unter Taxe abgegeben. © Cambi Casa D’Aste
Mit einem letzten Gebot von 4200 Euro wurde Georg Philipp I Rugendas’ „Kavallerie-Gefecht“ im Dezember 2020 bei Cambi in Genua knapp unter Taxe abgegeben. © Cambi Casa D’Aste

Der Anteil der Zuschläge unter 5000 Euro stieg von 40 Prozent auf die knappe Hälfte, und statt zuvor sieben wurden nur noch drei Hammerpreise über 10.000 Euro notiert. Streng genommen war es nur einer, denn zwei Zuschläge von 2011 und 2013 bei Ansorena, Madrid, verdienen es allein spaßeshalber, genauer unter die Lupe genommen zu werden: Dort kam im Juni 2007 erstmals ein repräsentatives Großformat mit einer „Schlachtenszene in Flandern“ zum Aufruf, das in Folge so viele Auktionsauftritte absolvieren sollte wie kein anderes Werk des Malers. Die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht auffällig hohe Taxe von 25.000 Euro erfüllte es anscheinend mühelos, doch dieser Erfolg wurde rasch entzaubert.

Bei drei weiteren Auktionen in nur zwei Jahren fiel es durch, bevor Ansorena seinen Marktwert durch drei kaum noch glaubwürdige Zuschläge bei jeweils 18.000 Euro (2009, 2011 und 2013) wiederherzustellen suchte. Im April 2015 warfen die Spanier schließlich das Handtuch und boten den Wanderpokal ein letztes Mal für nun erkennbar entnervt geschätzte 1200 Euro an. Anscheinend fand man endlich einen realen Käufer, der mit 3200 Euro einen Preis akzeptierte, den man angesichts des dekorativen Werts guten Gewissens auch für eine qualitätvolle Kopie veranschlagen kann. Offenbar hat er immer noch Freude daran, denn seither hat man nichts mehr von dem Bild gehört. Seine denkwürdige Auktionsgeschichte ist indessen von mehr als nur anekdotischem Wert, denn sie illustriert gleichzeitig, welchen Unwägbarkeiten sich Sammler angesichts der durchwachsenen Qualität des Angebots mitunter gegenübersehen.

9000 Euro erzielte das Dorotheum im April 2012 für „Ein Kavallerie-Scharmützel“ von Georg Philipp I Rugendas, wobei die Taxe um 50 Prozent verbessert wurde. © Dorotheum, Wien
9000 Euro erzielte das Dorotheum im April 2012 für „Ein Kavallerie-Scharmützel“ von Georg Philipp I Rugendas, wobei die Taxe um 50 Prozent verbessert wurde. © Dorotheum, Wien

Zweifellos „echt“ ist hingegen das Ergebnis von 9000 Euro, mit dem im Dorotheum, Wien, im April 2012 die Taxe für „Ein Kavallerie-Scharmützel“ um 50 Prozent verbessert wurde. Unkorrigiert steht auch der Zuschlag von 11.000 Euro, der im September 2016 bei Sotheby’s und Leclere in Paris für zwei korrespondierende „Gefechtsszenen“ gelang. Lediglich mit 4000 Euro angesetzt, holte der Satz am Ende den einzigen fünfstelligen Wert von Bestand in den letzten zehn Jahren. Ein weiteres Paar mit „Kriegsszenen“ verbesserte sich im Februar vergangenen Jahres auf Schloss Ahlden von 4800 auf 6000 Euro. Mit einem letzten Gebot von 4200 Euro musste ein „Kavallerie-Gefecht“ im Dezember bei Cambi, Genua, allerdings knapp unter Taxe abgegeben werden. Aufgrund der bei Rugendas aktuell eher seltenen Marktfrische hätte eine „Lagerszene“ im vergangenen September bei Neumeister, München, gute Chancen haben müssen, blieb zum Schätzpreis von 6000 Euro jedoch liegen. Zum um 2000 Euro nach unten korrigierten Taxwert fanden die Münchner heuer im April schließlich doch einen Abnehmer dafür.

Rugendas’ Zeichnungen, die meist zur Vorbereitung von Gemälden oder Radierungen dienten, brachten bei entsprechender Ausführung gelegentlich mehrere Tausend Euro, doch im Mai 2019 gelang bei Bassenge, Berlin, zum ersten Mal ein fünfstelliger Zuschlag: 4500 Euro erwartete man für die um 1738 datierte Tuschezeichnung „Eine Reiterschlacht vor einer weiten Landschaft mit Festungsanlagen“; zugeschlagen wurde sie jedoch erst bei 14.000 Euro – im vergangenen Jahrzehnt der höchste „echte“ Wert für eine Arbeit des Künstlers! Grafische Arbeiten sind oft bereits für weniger als 100 Euro zu haben; aktuell liegt die Obergrenze bei höchstens 2000 Euro.

Resümee

  • Mit 51 Losen wuchs die Offerte seit 2011 um satte 75 Prozent, wobei rund ein Dutzend Lose allerdings mehrfach angeboten wurden.
  • Rugendas wird nach wie vor europaweit gehandelt, doch stieg der Warenanteil deutscher Häuser seit 2013 von 40 auf über 60 Prozent.
  • Das Preisniveau ist seit 2011 deutlich gesunken; so stieg der Anteil der Zuschläge bis 5000 Euro von 40 Prozent auf die knappe Hälfte, während statt zuvor sieben nur noch ein Wert über 10.000 Euro notiert wurde.
  • Schlachtenszenen waren meist höher bewertet als die im Vergleich selten angebotenen Genre-Motive

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