Auf dem Auktionsmarkt für asiatische Kunst prägen Nervosität und Zuversicht das Bild der vergangenen Monate. Das Spektrum reicht von kleinen bis zu sehr großen Zuschlägen, die rein digitalen Versteigerungen sind auf dem Vormarsch
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18.11.2020
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Kunst und Auktionen Nr. 17
Nicht erst seit Ausbruch der Pandemie, die im Asiatika-Sektor aufgrund von Reisewarnungen zu Verschiebungen von Meilensteinen wie der Art Basel Hongkong oder der India Art Fair (IAF) geführt hat, suchen Auktionshäuser nach zeitgemäßen Formaten zur Vermarktung von Kunst. Der wichtigste Grund hierfür ist sicherlich das Such-, Biet- und Kaufverhalten der Generation Y, die dem Digitalen qua Geburt (zumeist) näher steht als die Sammler alten Typs. Christie’s bemisst den Anteil der Millennials bei den Hongkonger November-Auktionen des letzten Jahres bereits mit 20 Prozent und rechnet hier mit weiterem Zuwachs.
Die großen Häuser blicken aber auch mit gerunzelter Stirn nach Hongkong. Denn die dort aktivsten Käufer stammen nach wie vor aus der VR China, deren Bruttoinlandsprodukt 2019 auf den niedrigsten Stand seit 1992 fiel: die Kunstverkäufe verzeichneten einen Rückgang um satte 10 Prozent. Die aggressive Einschüchterungspolitik Chinas hat Hongkong zudem politische Unruhen und Proteste der Bevölkerung beschert. Dennoch konnten Sotheby’s und Christie’s im letzten Herbst die regulären Versteigerungen vor Ort mit einigen starken Ergebnissen abschließen. Bei Christie’s erzielte das auf (umgerechnet) 1,75 Millionen Euro geschätzte Blatt „The Grand Canyon“ von Wu Guangzhong aus dem Jahr 1989 Ende November letzten Jahres 4,4 Millionen Euro. Und Sotheby’s konnte am 28. November erfreuliche Preissteigerungen bei Blau-Weiß-Porzellanen aus der Sammlung des Hongkongers Sir Quo-Wei Lee verzeichnen: Ein Porzellan-Hu aus der Qing-Zeit kletterte beispielsweise von 11.500 auf über 150.000 Euro.
In Anbetracht der Situation denkt Christie’s-Präsident Dirk Boll an mehr als nur „digitale Ausstellungsräume und Virtual-Reality-Präsentationen“. Für die Zukunft prophezeit er einen grundlegenden Wandel der kommerziellen Vermittlung, wie er in der Musikindustrie und im Buchhandel schon vor 20 Jahren geschehen sei. Dementsprechend präsentierte das Auktionshaus vom 7. bis 21. Juli im coronageplagten New York auch sehr selbstbewusst seine verschobenen Asia-Week-Auktionen „zum ersten Mal in der Geschichte völlig digital“. Die Chinesische Malerei mit Protagonisten wie Zhang Daqian und Qi Baishi konnte hier beachtliche Ergebnisse erzielen. Auch ein Blatt des 1903 geborenen Qi-Baishis-Schülers Wang Xuetao, „Enten mit Blüten“, wurde von 10.000 auf 110.000 Dollar gesteigert.
Das Interesse an traditioneller Malerei zeigt sich auch in der Volksrepublik China. Dort überschritten 2019 drei klassische Arbeiten die Schallgrenze von umgerechnet 25 Millionen US-Dollar – die berühmten Briefe des Malers und Kalligrafen Zhao Mengfu konnten am 19. November bei China Guardian Beijing gar mehr als 33 Millionen Dollar einspielen.
Auch die drei höchsten Zuschläge in der Hongkonger Sommerauktion von Sotheby’s am 9. Juli gehörten dieser Sparte an. Eine Kalligrafie Dong Qichangs (1555 – 1636) beispielsweise, eine Steleninschrift mit Titelblatt, konnte sich von geschätzten 770.000 auf über 1,9 Millionen Euro steigern. Allerdings blieb das hochgepriesene Top-Los der Auktion, zwei Bambus-Darstellungen von Xia Chang (1388 – 1470), unverkauft (Taxe 1,15 Millionen Euro).
Die höchsten Zuschläge der „Monochrome-Auktion“ von Sotheby’s am 11. Juli in Hongkong wurden im Möbel-Bereich erzielt. Ein seltener Langtisch des 17. Jahrhunderts aus Huanghuali-Holz spielte ein Vielfaches der Taxe (rund 460.000 Euro) ein und wurde erst bei 5,7 Millionen Euro zugeschlagen. Auch weitere Lose aus diesem Luxusholz wurden zu hohen Preisen abgesetzt. Sotheby’s spricht nachgerade von einer Huanghuali-Begeisterung, die sich am 9. Oktober auch in der Folgeauktion „Monochrome II“ bestätigte.
Die Sparten „chinesisches Porzellan“ und „Jade“ sind weiterhin recht gefragt. Namhafte Provenienzen führen allerdings nicht zwingend zum Auktionserfolg. So konnten beispielsweise neun der 50 am 11. Juli in Hongkong bei Sotheby’s angebotenen Porzellane aus dem Besitz des Händlers Marchant nicht veräußert werden. Eine Famille-rose-Vase mit der eher seltenen Darstellung der „Königinmutter des Westens“ aus dem Jahr 1730 jedoch spielte 600.000 Euro (Taxe 90.000 Euro) ein. Sie ist dem Südchinesen Tang Jintang zugeschrieben, der für seine feine Emailmalerei bekannt ist.
Koller in Zürich versteigerte am 16. Juni eine Doucai-Vase zum stolzen Hammerpreis von 170.000 Franken (Taxe 30.000 Franken). Der auf die Yongzheng-Epoche (1723 – 1735) datierte, kleine Schultertopf mit kurzem Hals zeigt in meisterlicher, vielfarbiger Bemalung die „Drei Freunde des Winters“ – Pflaume, Bambus und Kiefer. Für ein feines Trinkhorn aus spinatgrüner Jade mit schwarzen Einsprengseln, das einen halbplastischen Qilong-Drachen zeigt, musste man 46.000 Franken investieren (Taxe 8000 Franken).
Van Ham attestiert Steigerungen bei buddhistischer Kunst. So erzielte ein bedeutender „Buddha in Meditation“ aus der Pre-Angkor-Zeit (100 – 900) Ende Mai in Köln 33.000 Euro – er befindet sich nun in einer süddeutschen Privatsammlung. Obgleich die Auktion im Rahmen der Classic-Week in Präsenz stattfinden konnte, soll auch die Asiatika-Sparte künftig digital auf der schon 2017 gegründeten virtuellen Plattform des Hauses vertreten sein. So sieht Van Ham sich gut gerüstet für die Zukunft.
Gespannt sein darf man auf die weitere Entwicklung bei Nagel in Stuttgart, wo die nächste große Sonderauktion mit asiatischer Kunst am 8. / 9. Dezember stattfindet. Am 10. Juli – inmitten der Umstrukturierungsphase des Unternehmens – wurde eine abgespeckte Asiatika-Auktion abgehalten. Eine 110 Zentimeter große indische Bronzefigur der Shiva in Nataraja-Form steigerte sich damals von 2500 auf 8000 Euro.
Japanische Kunst bleibt nach wie vor ein Randgebiet im großen Asiatika-Business – und konnte bei Christie’s in New York doch einen Weltrekord verbuchen. Stolze 900.000 Dollar (Taxe 150.000 Dollar) wurden am 22. September für Hokusais Farbholzschnitt „Kanagawa oki nami ura“ bewilligt, besser bekannt als „Die große Welle vor Kanagawa“.
In diese Höhen konnte sich die Kölner Japan-Auktion von Lempertz am 27. Juni zwar nicht schwingen – die Versteigerung punktete jedoch als White-Glove-Sale mit teilweise großen Steigerungen. Im Fokus stand die namhafte Netsuke-Sammlung des Verlegers Albert Brockhaus. Ein 6,5 Zentimeter großes Pferde-Netsuke des 18. Jahrhunderts aus der Kyoto-Tradition (signiert „Mitsuharu“) stieg nach langem Bietgefecht von 18.000 auf 80.000 Euro: Feine Details und eine kraftvolle Darstellung sorgten für dieses beachtliche Ergebnis. Eine 70 Zentimeter große meiji-zeitliche Figur eines bemalten Oni, gedacht als Ständer für ein Kurzschwert, wurde bei 13.000 Euro (Taxe 4000 Euro) zugeschlagen. In der allgemeinen Auktion japanischer Gürtelknebel konnte sich ein kleiner Elfenbein-Shishi aus dem 19. Jahrhundert behaupten: Ein deutscher Sammler sicherte sich das Stück zum Schätzpreis von 11.000 Euro.
Insgesamt prägten kleine und große Zuschläge, Nervosität und Zuversicht das Bild der vergangenen Monate. Sicher ist: Heraklits Diktum, nichts sei so beständig wie der Wandel, beschreibt trefflich die momentane Situation des Auktionshandels. Aber hat das jahrhundertealte Konzept der Publikums-Auktion – mit Bietgefechten, blitzschnellen Bewilligungen und der immer wieder bangen Frage: Kommt jetzt gleich der Zuschlag oder nicht? – deshalb ausgedient? Kaum zu glauben – aber schwer zu beantworten. Fest steht zumindest: Alte Gewiss- und Gewohnheiten stehen derzeit auf dem Prüfstand – auch im Asiatika-Segment.