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Auf ins Geflecht!

Bei Van Ham kommt die Möbelsammlung von Wolfgang Thillmann mit Klassikern aus dem Hause Thonet zum Aufruf

Von Peter Dittmar
07.01.2019

Ein „Sessel“ ist kein Sessel, sondern ein Stuhl. Ein „Fauteuil“ kein gepolsterter Sessel, sondern ein Armlehnstuhl. Ein „Kanapee“ kein weiches Sofa, sondern eine Bank mit Rücken- und Armlehne. Ein „Stockerl“ kein handlicher Stock, sondern ein Hocker. Und ein „Faulenzer“ kein legerer Mensch, sondern die Fußstütze eines „Schauklers“. Mit diesem österreichischen Vokabular muss man sich vertraut machen, wenn man sich dem Thonet-Mobiliar aus der Sammlung Thillmann zuwendet, die Van Ham am 22. Januar versteigert.

Halbfauteuil Palais Palffy, Entwurf Michael Thonet / Söhne, um 1870, Foto: Van Ham, Köln
Halbfauteuil Palais Palffy, Entwurf Michael Thonet / Söhne, um 1870, Foto: Van Ham, Köln

Bugholzmöbel weckten Thillmanns Sammellust

Wolfgang Thillmann, einst Lehrer für Deutsch und Philosophie, kam aus sehr praktischen Erwägungen zu seiner Passion. In den Neunzigerjahren suchte er schlichte Gebrauchsmöbel für sein Haus. Doch bald wurde daraus eine Leidenschaft, die in Ausstellungen und Publikationen zu Möbeln aus Schicht- und Bugholz mündete, darunter auch der Band „Perfektes Design – Thonet Nr.14″ mit Tabellen, die genaue Datierungen ermöglichen. Nun aber hat die Sache ein Ende. Gut 200 Lose ruft Van Ham aus. Sie reichen von den frühesten Stücken aus der Mitte des 19. Jahrhunderts über die Wiener Secession bis in die Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts – Kinder- und Puppenmöbel eingeschlossen. Darunter auch einige Stücke der Konkurrenten wie J. & J. Kohn oder der Dresdner Fabrik für Möbel aus gebogenem Holz. Sie waren sofort auf dem Plan, nachdem das kaiserliche Privileg von 1842, „jede, auch die sprödeste Gattung Holz auf chemisch-mechanischem Wege in beliebige Formen und Schweifungen zu biegen“, und das nachfolgende Patent von Thonet 1869 aufgegeben worden waren.

Salontisch Nr. 5, Entwurf Gebrüder Thonet, um 1890, Foto: Van Ham, Köln
Salontisch Nr. 5, Entwurf Gebrüder Thonet, um 1890, Foto: Van Ham, Köln

Designklassiker in Serie

Die Thillmann’sche Sammlung beginnt mit dem Sessel Nr. 1 – auf 2500 bis 3000 Euro taxiert. Und sie kann die Nr. 2 und Nr. 3 nicht nur aus der Serienproduktion vorführen (Taxen bis 1500 Euro). Sie hat auch zwei Beispiele der Nr. 3 aus der allerersten Fertigung parat, die auf 6500 bis 7000 Euro geschätzt sind, weil davon nur noch vier weitere Stücke in Museen in Köln und München erhalten sind. Und so geht es fast vollständig weiter bis zur Nr. 22 und bis zu Sessel Nr. 91 in charakteristischen Beispielen, die Taxen meist unter 1000 Euro. Natürlich fehlt in diesem Repertoire nicht die Nr.14: der berühmte Kaffeehausstuhl, von dem seit 1865 mehr als 50 Millionen Exemplare produziert wurden. Er bestand lediglich aus sechs Einzelteilen, die der Käufer selbst zusammenfügen konnte – gewissermaßen Ikea avant la lettre. Zerlegt ließen sich so 36 Stühle, die 182 Kilo wogen, in einer Kiste von nicht einmal einem Kubikmeter versenden – was dem Erfolg des Herstellers gewiss nicht hinderlich war.

Schaukelsofas führen die Offerte an

Die höchsten Taxen – neben zwei Verkaufsplakaten von 1867 und 1873 mit 8000 Euro – beanspruchen zwei Schaukelsofas mit 6800 bis 7500 Euro. Die Version mit Armlehnen führt seit 2015 mit umgerechnet 26500 Euro bei Phillips in London die Liste der bestbezahlten Thonet-Möbel an, während das etwas ältere Beispiel ohne Armlehnen mit knapp 6000 Euro in diesem April bei Bonhams an fünfter Stelle rangiert. Dieses Preisgefälle verrät etwas über das schwierige Geschäft mit Thonet – fast die Hälfte der Angebote geht auf Auktionen in der Regel zurück. Dies geschieht ungeachtet der pathetischen Bemerkung von Adolf Loos: „Siehe den Thonetsessel! Ist er nicht aus demselben Geiste heraus geboren, aus dem der griechische Stuhl mit den gebogenen Füßen und der Rückenlehne entstanden ist, schmucklos das Sitzen einer Zeit verkörpernd?“ Jetzt wartet die Gemeinde der Thonet-Liebhaber mit Spannung darauf, wie sich die einzigartige Sammlung von Wolfgang Thillmann am Markt behauptet.

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Auktion

„Thonet“
Van Ham, Köln
22. Januar

Dieser Beitrag erschien in

Welkunst Nr. 151/2018

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