Auktionen

Im Morgennebel

Werke des großen Romantikers Caspar David Friedrich kommen nicht oft unter den Hammer. Jetzt versteigert das Auktionshaus Heickmann in Chemnitz ein Landschaftsaquarell von ihm

Von Stefan Weixler
05.09.2018

„Seine Bilder können ebenso gut auf dem Kopf gesehen werden“, soll Johann Wolfgang von Goethe 1815 über Caspar David Friedrich gelästert haben. Sulpiz Boisserée jedenfalls zitiert ihn am 11. September so in seinem Tagebuch – und fügt noch an: „Goethes Wut gegen dergleichen“ habe „sich ehemals ausgelassen mit Zerschlagen der Bilder an der Tischecke …“

Goethes Bilderwut

Wie bitte?! Der Weimarer Dichterfürst, die Inkarnation der Etikette – ein heimlicher Ikonoklast? Was um alles in der Welt provozierte Goethe an scheinbar harmlosen Gemälden wie dem „Mönch am Meer“ oder „Abtei im Eichwald“? Was verstörte ihn so an einer Ästhetik, von der er 1805 noch restlos überzeugt schien? Als Initiator der „Weimarer Preisaufgaben“, eines 1799 ins Leben gerufenen Wettbewerbs zur Förderung der bildenden Kunst, hatte Goethe dem Maler damals nämlich einen Teilsieg zugeschanzt. Und das, obwohl die unter der Hand bei ihm eingegangenen Sepia-Zeichnungen „Wallfahrt bei Sonnenaufgang“ und „Sommerlandschaft mit abgestorbener Eiche“ in keinster Weise den thematischen Vorgaben entsprachen – denn gefragt waren eigentlich Illustrationen zur griechischen Sagenwelt.

Künstler auf Abwegen?

Doch mit der Zeit kippte Goethes Meinung, was auch Friedrich nicht verborgen blieb. Der notierte im August 1810 einigermaßen irritiert, was ihm gerade zu Ohren gekommen war: „Goethe hat kürzlich einer Künstlerin geraten, mich zwar zu besuchen, aber sich ja nicht durch meine Reden verführen zu lassen.“ Und natürlich wusste auch Karl Ludwig von Knebel, Goethes „Urfreund“, dass Friedrich in Weimar mittlerweile nicht mehr ganz so hoch im Kurs stand: „Goethe preist sein Talent“, schrieb der Lyriker im Juli 1811, „aber beklagt, dass er damit auf irrem Wege ginge.“

Erhöhter Abstraktionsgrad

Gemeint war: Friedrich scherte sich nicht um klassische Erwartungshaltungen. Der Maler wollte keine Ideallandschaften mehr ins Bild setzen, die der Betrachter mit den Augen durchwandern konnte. Ihm ging es gar nicht um die Außenwelt – nein: Er zielte auf das Innenleben, fing Gefühlseindrücke ein, die beim Betrachter Resonanz erzeugen sollten. Gemäß seinem Motto: „Schließe dein leibliches Auge, damit du mit dem geistigen Auge siehest dein Bild. Dann fördere zutage, was du im Dunkeln gesehen, dass es zurückwirke auf andere von außen nach innen.“ Was dabei letztlich herauskam, waren wirkmächtige Kunstwerke, die aufgrund ihres erhöhten Abstraktionsgrads – und hier wurde Goethe wider Willen zum Propheten – im Grunde tatsächlich „den Baselitz“ machen konnten. Denn sie tragen den Keim der Moderne in sich.

Auktion in Chemnitz

Ein eigenhändig „Morgennebel“ betiteltes Aquarell über Bleistift und Feder macht das deutlich: Farbstreifen gliedern die untere Bildhälfte, amorphe Formen lösen die obere in Richtung Nichts auf. Ein zentraler Bildstock verklammert die divergierenden Zonen.

Das Chemnitzer Auktionshaus Heickmann bringt die bislang unveröffentlichte, 12,6 mal 20,8 Zentimeter große Landschaftsvision am 15. September bei moderaten 35 000 Eurounter den Hammer – eine Einlieferung aus altem sächsischen Privatbesitz. Sie entstand am 16. Mai 1828 auf einer kurzen Wanderung durch Nordböhmen. Am selben Tag offenbar wie ein vergleichbares Blatt im Statens Museum for Kunst, Kopenhagen – wie der Friedrich-Experte Helmut Börsch-Supan aus Anlass der Versteigerung bemerkt. Eine „Mittelgebirgslandschaft“ aus derselben Werkreihe, die Friedrich vermutlich in der Gegend von Teplitz geschaffen hat, wurde am 30. Mai bei Grisebach in Berlin übrigens für 200 000 Euro versteigert.

Service

KUNST UND AUKTIONEN Nr. 14, 7. September 2018

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