Auktionen

Münzen für Triumphe und Tribute

Das Auktionshaus Hirsch in München führt unbeirrt von Spekulationen um das geplante Kulturgutschutzgesetz seine Frühjahrsauktion durch. Highlights aus der Antike bis Rokoko versprechen Spannung.

 

Von Hartmut Kreutzer
09.03.2016

Noch herrscht die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. Aber angesichts der Spekulationen um das geplante Kulturgutschutzgesetz nimmt die Nervosität unter Münzhändlern und -sammlern spürbar zu, weiß man doch nicht, ob Kaufen und Verkaufen künftig noch in bisheriger Form möglich sein wird. 2015 ist es schon zu überraschenden Verkäufen bedeutender Sammlungen im Ausland gekommen. Erste Panikreaktionen?

Unbeirrt davon führt G. Hirsch Nachfolger in München die Frühjahrsauktionen durch. Es beginnt am 17. Februar mit antiken Kunstobjekten (Auktion 316), am folgenden Tag kommen Münzen der Antike (Auktion 317) und tags darauf Münzen aus Mittelalter und Neuzeit (Auktion 318) zur Versteigerung. Unter den Kunstobjekten findet man diesmal besonders viele Schmuckstücke, vorwiegend turkmenischer Herkunft.

 

Paradestück unter den Griechenmünzen ist ein knapp 29 Gramm schweres Silberstück aus Makedonien aus archaischer Zeit (Abb., Nr. 1573, Taxe 25 000 Euro). Auf der Vorderseite sieht man zwei Rinder, geleitet von einem mit zwei Speeren bewaffneten Mann, der einen für Makedonien typischen Spitzhut mit breiter Krempe trägt (Kausia). Die Inschrift ORRESKION wird als Hinweis auf den (nicht genau lokalisierbaren) Volksstamm der Orreskier gedeutet. Die Rückseite zeigt ein viergeteiltes Quadratum incusum. Silberstücke mit den gleichen Bildmotiven, mit ähnlichem Gewicht, aber anderer Beschriftung wurden wohl zwischen 530 und 480 v. Chr. in verschiedenen Teilen Makedoniens oder Thrakiens geprägt.

Ungewöhnlich ist das in kein Nominalsystem passende Gewicht dieser Münzen, die wahlweise als Oktodrachmen oder als Tristatere bezeichnet werden. Man nimmt an, dass diese Geldstücke, die man wohl wegen ihrer groben Ausführung auch Bullion Coins nennt (eigentlich ein Widerspruch in sich, denn Bullion bedeutet ja gerade ungemünztes Edelmetall), nicht für den allgemeinen Geldumlauf, sondern für Tributzahlungen thrakischer beziehungsweise makedonischer Stämme an das Perserreich bestimmt waren (s. U. Wartenberg, Thraco-Makedonian Bullion Coinage in the Fifth Century B.C.: The Case of Ichnai, in: KAIROS, Festschrift für B. Demetriadi, New York 2015).

Teuerste Münze ist ein Aureus des Maximinus II. Daia

 

Teuerstes Stück unter den Römer- münzen ist ein Aureus des Maximi- nus II. Daia (Nr. 2428, Taxe 35 000 Euro). Mit 20 000 Euro geschätzt ist ein anderer Aureus, der unter Diocle- tian geprägt wurde (Nr. 2422). In so ausgezeichneter Erhaltung selten an- zutreffen ist ein Denar, den Kaiser Claudius zu Ehren seines verstorbenen Vaters Nero Claudius Drusus mit dessen Bild prägen ließ (Abb., Nr. 1901, Taxe 4500 Euro). Der Stiefsohn des Augustus und jüngerer Bruder des späteren Kaisers Tiberius hatte sich in den Kämpfen gegen die Germanen einen Namen gemacht (die Inschrift DE GERMANIS über dem Triumphbogen auf der Münz- rückseite verweist darauf ) und war aussichtsreichster Anwärter auf die Nachfolge seines Stiefvaters, als er im Jahr 9 auf einem Feldzug in Germanien durch einen Unfall ums Leben kam. Der erfolgreiche Feldherr galt als untadeliger Charakter und wäre den Römern sicherlich ein weit besserer Herrscher gewesen als sein von den Historikern durchwegs negativ beurteilter Bruder Tiberius.

In der Neuzeitauktion fällt schon wegen ihrer Größe (Durchmesser 63,9 Millimeter) und ihrer prächtigen Bildgestaltung eine vergoldete Medaille ins Auge, die 1764 anlässlich der Krönung Josefs II. zum römisch-deutschen König geprägt wurde (Abb., Nr. 3170, Taxe 250 Euro). Nachdem die lange Reihe der deutschen Kaiser aus dem Hause Habsburg 1742 durch die unprogrammgemäße Wahl des Bayernherzogs Karl Albert eine Unterbrechung erfahren hatte, konnten sich nach seinem Tod 1745 wieder die Habsburger durchsetzen. Gewählt wurde der Ehemann der Kaisertochter Maria Theresia, der als Kaiser Franz I. dann alles daransetzte, den Habsburgern den Thron endgültig zu sichern – und er erreichte, dass bereits zu seinen Lebzeiten sein 23 Jahre alter Sohn Josef zum Nachfolger gewählt und gekrönt wurde. Das Ereignis fand in Frankfurt a. M. statt, wo die Herrscher des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation seit 1562 gewählt und gekrönt wurden.

Die Krönung Josephs II. sieht auf der Medaille etwas anders aus, als Goethe berichtet

 

Goethe hat das illustre, höchst kostspielig inszenierte Riesenspektakel, das er als Vierzehnjähriger in seiner Heimatstadt miterlebte, in aller Ausführlichkeit in seinen Lebenserinnerungen geschildert (Gedanken und Erinnerungen, Erster Teil, Fünftes Buch). Anschaulich und bisweilen mit leicht spöttischem Unterton beschreibt er den Verlauf der Krönungsfeierlichkeiten und des sich anschließenden, turbulent ausartenden Volksfests auf dem Römerberg. 

Auf dem Avers der Medaille sieht man Joseph II. im Krönungsornat mit wallendem Lockenhaar, auf dem Haupt die Reichskrone, deren Aussehen und Sitz allerdings nicht ganz der Realität entsprechen. Bei der Einkleidung für den Krönungsakt ergab sich nämlich, dass die massive achteckige Krone aus dem Mittelalter dem jungen König viel zu groß war. Sie stand, tüchtig ausgepolstert, damit sie überhaupt einigermaßen fixiert werden konnte, „wie ein übergreifendes Dach vom Kopf ab“, wie Goethe bemerkte. Auf dem Münzbild ist freilich davon nichts zu sehen, denn der Medailleur hat das Aussehen der Krone so verändert, dass sich ihr unterer Rand passgenau an die Stirn anschmiegt, wobei sich die einzelnen, in Wirklichkeit rechtwinklig geformten Platten der Krone nach unten etwas verjüngen und das Ganze dadurch – entgegen der Realität – nach oben zu breiter wird. Überhaupt muss – Goethe zufolge – der schmächtige junge Mann in dem unförmigen, um seine Glieder schlotternden Ornat eine eher komische Figur abgegeben haben, als er nach der Krönung gemeinsam mit seinem Vater zu Fuß den Weg vom Dom durch die Menge zum Rathaus nahm, wo das Krönungsmahl stattfand.

 

Die figurenreiche Rückseite der Medaille illustriert den Höhepunkt der Zeremonie, die einem genauestens festgelegten, seit dem Mittelalter im Wesentlichen unverändert gebliebenen Programm folgte. In Demutshaltung kniet der frisch gekürte König – umgeben von den neun Kurfürsten – auf den Stufen des mit riesigen Kerzenleuchtern geschmückten Hochaltars. Segnend legt ihm der auf einem Thron sitzende Erzbischof von Mainz, der die Zeremonie leitete, die Hand aufs Haupt; gleich wird er ihm gemeinsam mit den Erzbischöfen von Köln und von Trier, die noch hinter ihm stehen, die Krone aufsetzen. Seitlich treten die sechs weltlichen Kurfürsten hinzu, Krone, Reichsapfel, Szepter und Reichsschwert bereithaltend. Links im Bild- hintergrund sieht man unter einem Baldachin den amtierenden Kaiser Franz I. stehend, umgeben von seinem Gefolge, auf dem Kopf die mitraförmige Krone Kaiser Rudolfs II. Die theatralisch gestaltete Szene atmet ganz den Geist des Spätbarocks. In der Auktion finden sich noch sieben weitere, anlässlich der Krönung Josephs II. geprägte Medaillen (Nr. 3171 – 3177, Taxen 100 – 450 Euro).

 

 

Gerhard Hirsch Nachfolger, München (Auktion: 17.–19. Februar 2016)

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