Bremer Kunsthalle und Ostertorwache

Wir starten heute in der Kunsthalle Bremen und finden über das Szenelokal Canova den Weg zum Künstlerhaus Gerhard Marcks

Bremen ist eine unaufgeregte, herrlich unprätentiöse Stadt. Das kleinste Bundesland Deutschlands ist hoch verschuldet, doch das Mäzenatentum gehört zum bürgerlichen Selbstverständnis. Das spiegelt auch die Sammlung der Kunsthalle wider, die auf den Bremer Kunstverein von 1823 zurückgeht. Eine Kollektion von Weltrang, die von Dürer über Monet und Picasso bis zu James Turrell reicht – Kunstgeschichte aus sieben Jahrhunderten. 2020 verpasste sich das Haus eine aufregende neue Konzeption mit dem Namen Remix.

Die Dramaturgie folgt dem chronologischen Prinzip, das durch Themenräume ergänzt wird, die Fragen wie Glauben und Krieg, Welthandel und Kolonialismus, Natur und Globalisierung nachgehen – im Spiegel der Hansestadt. So verblüfft etwa im Forum „Bremen und die Welt“ eine Komposition der Bremer Stadtmusikanten aus Präparaten, „Love Saves Life“ (1995), der ein Standbild aus Skeletten, „Love Lasts Forever“ (1997), gegenübergestellt ist, ein Werk des italienischen Künstlers Maurizio Cattelan. Oder Raum 5, der sich mit dem globalen Handel befasst. Seestücke und Stillleben der Niederländer Jan van Goyen, Jacob Ochtervelt oder Rachel Ruysch belegen, dass bereits im 17. Jahrhundert Handel mit Übersee stattfand. Die im Raum hängende Kogge „Cui Bono“ von Hew Locke (2017) ergänzt den Erzählstrang um die Folgen des Kolonialismus und der weltweiten Migrationsbewegungen. Dazu sorgen intensive Wandfarben, mutige Hängungen und ungewöhnliche Inszenierungen von Gemälden und Skulpturen immer wieder für ästhetische Überraschungen.

Für eine kulinarische Pause ist das Szenelokal Canova hinter dem Kunsttempel gut. Frische, saisonale Gerichte wie Nordsee-Fischsuppe oder das Zweierlei vom Salzwiesenlamm sind hier Konzept.

Sophia Martinecks „Die Fliege“ (2013) bis 20. Oktober iim Wilhelm Wagenfeld Haus
Sophia Martinecks „Die Fliege“ (2013) bis 20. Oktober iim Wilhelm Wagenfeld Haus © Sophia Martineck: Die Fliege, 2013 / Wilhelm Wagenfeld Stiftung

Nur wenige Schritte, und wir stehen vor dem klassizistischen Torhausensemble der ehemaligen Ostertorwache. Wir bleiben diesseits, wo das blitzweiße Säulengebäude einem der bedeutendsten Bildhauer des 20. Jahrhunderts gewidmet ist: Gerhard Marcks. Die Kollektion des Künstlerhauses für abstrakte Kunst und figürliche Plastik basiert auf seinem Lebenswerk, rund 500 Skulpturen, 12.000 Zeichnungen und 1200 druckgrafische Blätter geben der Schau alle drei Monate ein neues Gesicht. Im Dialog mit Marcks werden zeitgenössische Bildhauer präsentiert, Hanswerner Kirschmanns „Plattengrammatik“ ab September und Anna Franziska Schwarzbachs „Alles Eisen“ ab 1. Dezember.

Im baugleichen Torhaus gegenüber betreut die Wilhelm Wagenfeld Stiftung den Nachlass eines der Pioniere der Produktgestaltung. Das Repertoire des 1900 in Bremen geborenen Bauhaus-Designers reicht vom Salzstreuer über den orangefarbenen Salatseiher bis zu seinen ikonischen Leuchten. Sonderausstellungen zur Designgeschichte und Alltagskultur zeigen ein gemischtes Programm. Den Abend verbringen wir im Gourmetrestaurant Chapeau La Vache. Die Speisekarte offeriert regionale Gerichte mit mediterranen Akzenten. Die Atmosphäre ist großbürgerlich, der Service exzellent, die Weinkarte erlesen.

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