Katharina von Werz in München

Ein offenes Haus

Seit sechzig Jahren schafft Katharina von Werz Gemälde und Skulpturen voller Ausdruckskraft. Zu Besuch bei der Künstlerin, die in einer bohemienhaften Villa mit herrlich verwunschenem Garten arbeitet und lebt

Von Christa Sigg
10.10.2023
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 219

Alles scheint im Fluss, auch die Oberflächen wollen nicht zur Ruhe kommen, und jede Leichtigkeit ergibt sich erst aus der Überwindung. „Sogar bei einem weichen Material wie Ton, das sich problemlos formen und deformieren lässt, braucht es Geduld, um ein Gefühl zum Ausdruck zu bringen“, erklärt von Werz, „das gelingt in der Malerei naturgemäß schneller.“ Sie möchte dieses sehr ursprüngliche und unmittelbare Gestalten mit den Händen dennoch nicht missen, es öffnet weitere Perspektiven auf ihre Malerei.

Eine ganze Menagerie von kleinen Keramiken
Eine ganze Menagerie von kleinen Keramiken bevölkert das Haus und den Garten. In Miniatur verströmen sie den beweglichen, fröhlichen und dynamischen Geist, den die 83-jährige Künstlerin auch als Mensch verkörpert. © Regina Recht

Es kommt nicht von Ungefähr, dass sich die Künstlerin in einigen Serien auf Schwarz und Weiß beschränkt hat: „Ich wollte die Figur im Raum erforschen, die Verhältnisse bei Drehungen beobachten, ganz ohne die Ablenkung durch das Kolorit und dessen Temperatur.“ Letztlich sei es aber die Farbe, die sie so sehr zur Malerei ziehe. Und das ohne jede Scheu vor intensivem Pink oder Apfelgrün, ihr „Gebirgsgarten“ von 2021 mutet wie eine Anhäufung leuchtend bunter Bonbons an. Eine vergleichbare Phase kühler Farben hatte von Werz auch in den späten Sechzigern, und ihr „Clown“ aus Kreisen, der in die Sammlung von Herzog Franz von Bayern gefunden hat, ist dafür ein eindrucksvolles Beispiel. Doch mit Einteilungen und Schubladen kommt man in diesen Œuvre nicht weit, und wenn es eine Gewissheit gibt, dann die Überraschung. Tag für Tag.

Und wenn die Lust ausbleibt? Dann hilft nur: anfangen. „Kreativität entsteht aus dem Machen, nicht aus dem Nichts“, ist sie überzeugt und blättert zum Einstieg durch einen ihrer unzähligen Kunstbände. Katharina von Werz kennt eh alles, seit frühester Kindheit ist sie mit den alten Meistern und der Moderne vertraut, voller Begeisterung verfolgt sie Zeitgenossen wie Frank Auerbach, Martha Jungwirth oder Cecily Brown. Francis Bacon und Willem de Kooning gehören genauso in diese Runde, die unter pastosen Strichen die Geheimnisse der menschlichen Figur ergründet.

In den Werken der Münchnerin wirbelt die halbe Kunstgeschichte durcheinander, und ohne Vertun bekennt sie sich zu ihren Vorbildern: „Kein Maler fängt bei null an, jeder sammelt Eindrücke und Bilder.“ Das reicht bei ihr von einfachen Gesten bis zu ganzen Kompositionen wie einer Bordellszene von Jan Steen. Manche Lösungen versucht sich von Werz geradezu „einzuverleiben“, wie sie es nennt. Entscheidend sei, dass aus diesem Prozess am Ende etwas Eigenes resultiere.

Das Zusammenspiel von zwei Körpern inspiriert die Malerei von Katharina von Werz
Das Zusammenspiel von zwei Körpern inspiriert die Malerei von Katharina von Werz ebenso wie ihr lebendiges, plastisches Werk. © Regina Recht

Unwillkürlich muss man an Bacons fast manische Auseinandersetzung mit Diego Velázquez’ Porträt von Papst Innozenz X. denken. Die Geschichte der Malerei ist voller Annäherungen, Anspielungen und Aneignungen, und wenn sich Katharina von Werz mit Tizians „Dame in Weiß“ beschäftigt, darf man das durchaus als frechen Seitenhieb auf einen berühmten Vorgänger verstehen: Schon Rubens hatte die Schöne ungeniert abgekupfert, man befindet sich also in allerbester Gesellschaft.

Doch das ist nur eine Facette dieses umfangreichen Schaffens. Wenn sich Katharina von Werz allein auf ihre Intuition verlässt, braut sich noch mehr zusammen. Adam und Eva werden dann vom Drogenrausch der Farben in ein neues Paradies befördert, eine New Yorker Dachlandschaft gewinnt die flirrende Magie eines Kirchenfensters, und weit draußen vor der Stadt tanzt sich ein Liebespaar ekstatisch ins Delirium. Wieder sind Bewegung und Emotion die Parameter eines Bilderkosmos, der in erster Linie malerischen Gesetzen genügt. Daraus freilich entwickelt Katharina von Werz ihre erstaunlichsten Werke.

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