Briefpapier

Die Kunst des Schreibens

Oldschool? Von wegen! Briefpapier ist ein Einrichtungsgegenstand mit Außenwirkung und gehört als solcher in jeden Haushalt. Unsere Stilkolumne gibt Tipps für ein kunstvolles Heim. Folge 23: die schönsten Briefpapiere

Von Stella von Senger, Sebastian Hoffmann und Cecil von Renner
27.09.2023

„Ich werde Dich küssen und Dich an mich drücken und alle möglichen sensationellen Dinge sollen dann passieren. Alle Arten von Rutschen, Wälzen, Stampfen, Ausschweifungen jeder Art. Und dann werde ich seufzen. Und wenn Du deinen Kopf an meine Schulter legst, dann bekomme ich langsam Hunger. […] Ich werde wieder in die Küche kommen, so tun, als ob Du nicht da wärst und abermals forschen. Und während Du dort stehst und Frühstück machst, werde ich Deinen Nacken und Deinen Rücken und die süßen Melonen deines Hinterns und Deine Kniekehlen küssen und Dich umdrehen und deine Brüste küssen und es gibt Spiegelei.“ Das schrieb Arthur Miller an Marilyn Monroe im April 1956 kurz vor ihrer Hochzeit.

Genau wie eine gut funktionierende Küche, in der jeder Handgriff sitzt, sollte oder besser: kann ein „anständiges“ eigenes Briefpapier zum Haushalt gehören. Wir schreiben „kann“, weil natürlich auch ein schönes unbedrucktes Papier große Freude macht. Und weil wir mal wieder nicht in England leben, wo auf dem hauseigenen Briefpapier eben nur das Haus, also dessen Adresse, eine Rolle spielt und nicht der Name der Person, der das Haus gehört. Schließlich sollen auch die Gäste von dort schreiben können (und Namen wie Leone Sextus Denys Oswolf Fraudatifilius Tollemache-Tollemache de Orellana Plantagenet Tollemache-Tollemache würden für den eigentlichen Brief auch nur schwerlich Platz lassen).

Das Briefpapier sollte/kann also als Einrichtungsgegenstand angesehen werden, seine entsprechende Gestaltung (allein die Formate!) oder Nichtgestaltung (allein die Opazität!) als bewusste Entscheidung getroffen werden. Kein Gegenstand im Haus lässt auf so wenig Raum so viel zu und hat dazu noch eine solche bildhafte und inhaltliche Außenwirkung. Großartig auch, dass es keine echten Regeln gibt, nur die Beschränkung auf ein gewisses Maß. Das gilt für die Größe genauso wie für die grafische Zurückhaltung oder drucktechnischen Maximalismus. Wir versammeln hier also den ersten Teil unserer liebsten Briefpapiere.

Letterheady
© Letterheady

Elegante Marilyn

Fangen wir mit dem schönsten an. Ein Briefpapier Marilyn Monroes. Blindgeprägt und amerikanisch elegant. 1958 hat sie das benutzt. Da war sie schon zwei und noch drei Jahre mit Arthur Miller verheiratet.

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Marlene Dietrich

… und machen wir mit der anderen und anders Schönen weiter. Marlene Dietrich. Vermeintlich nüchtern und auf jeden Fall praxisorientiert. Das Papier stammt wahrscheinlich von einem personalisierten Abreißblock für Hausnotizen an Gäste und Angestellte: „Who’s prettier? Love, Marlene“, schrieb sie an Helmut Berger, nachdem sie Viscontis „Die Verdammten“ gesehen hatte.

Officine Universelle Buly
© Officine Universelle Buly

Universelle Buly

Französischer Maximalismus, geschenkt: Die französische Kosmetikboutique Officine Universelle Buly 1803 (Achtung, erst 2014 gegründet!) verschickt und verpackt ihre Produkte und Geschenkwaren mit von Meisterinnen kalligrafierten Briefbögen, Karten und Umschlägen.

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Dick Gregory

Dass Dick Gregory genial war, erklärt schon sein Briefpapier aus den Siebzigern. Genauso erklärt es, was für ihn alles nicht stimmte in seinem Land und was er alles schon versucht und erreicht hatte: 1968 beispielsweise als Präsident der Vereinigten Staaten zu kandidieren; 1971 schrieb Nixon den Autor, Aktivisten, Stand-up-Comedian und Feministen auf seine „Master list of political opponents“.

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Volle Transparenz

Hiermit ist der Empfänger vollständig informiert über den Versender und sein Briefpapier. Und amüsiert. Robert Brownjohn hat sonst die Vorspänne für die James-Bond-Filme „Liebesgrüße aus Moskau“ und „Goldfinger“ gestaltet. Michael Cooper war der Hoffotograf der Rolling Stones.

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Mehr Effekt als Inhalt

Der Kuriosität wegen. Es fehlt eigentlich nur noch die Bankverbindung, damit man direkt überweisen kann. Viel zu sagen oder zu schreiben scheint es ohnehin nicht zu geben. Es wäre auch nicht viel Platz.

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Roy Lichtenstein

Ein bestes Beispiel für echtes Hausbriefpapier. Kein Namen, nur die Zentrale. Und die Gestaltung, durch die man darauf schließen könnte, dass es sich um Roy Lichtensteins Studio handelt. Zu recht.

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Michael Jordan

Glücklich, wer sein eigenes Logo ist. Insofern hätte Michael Jordan hier den Namen gar nicht noch mal nennen müssen. Das hätten sonst eigentlich nur Elvis, Karl Lagerfeld und Michael Jackson gekonnt. Trotzdem begeisterte Grüße nach Chicago!

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Tex McGuire

Obskurer Typ mit deutlichem Briefpapier von 1958: Der Kartenzauberer und „Gambler from the Golden West“, Tex McGuire. Interessant ist, dass fast alle Trickkünstlerinnen, Hellseher und Illusionistinnen recht überkandidelte Briefpapiere hatten, deren Stahlstich- oder Lithografiedrucke den meisten Platz auf dem Papier einnahmen. So auch hier, aber zeichnerisch sehr sympathisch und rahmenswert. Kippenberger hätte es gefallen (siehe unten).

Martin Kippenberger Gisela Capitain
Martin Kippenberger, „Ohne Titel (Aussen Alster Hotel/Hôtel Touring-Balance)“, 1989 © Estate of Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Cologne

Martin Kippenberger

Kaum ein bildender Künstler hat mehr für das Briefpapier getan und es als sein eigenes und überhaupt als Medium verstanden wie Martin Kippenberger. Seine Domäne waren Hotelbriefpapiere. Wie wir fand er sie sammelnswert, egal wie schön oder kurios, Hotel Garni oder Grand Hotel. Nicht in jedem Hotel, auf dem er gezeichnet hat, hat er auch gewohnt. Freunde und Anhänger aus der Gang schickten ihm die Bögen aus fern und nah.

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