Entwaffnend fröhlich mischt das Münchner Künstlerduo Mehmet & Kazim die Szene auf. In ihrem New Yorker Atelier sprechen die Cousins über ihre Anfänge mit Graffiti und Hip-Hop und über ihr neues Bühnenbild für die Kammerspiele
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03.11.2022
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Erschienen in
WELTKUNST Nr. 205
KA An der Akademie begibt man sich auf die Suche. Irgendwann waren wir an einem Punkt, an dem Markus uns gefragt hat: „Wieso macht ihr es euch denn so schwer? Ihr habt doch alles, was ihr braucht.“ Um die Zeit sind wir nach Berlin gefahren und haben unter anderem Ausstellungen von Bjarne Melgaard und von John Bock gesehen und begriffen, dass es auch andere Perspektiven geben kann. Wenn die Kunst so frei ist, wie man sagt, dann muss es auch einen Platz für zwei Typen wie uns geben. Das heißt, wir müssen dieses Hip-Hop-Thema, das wir lange verdrängt haben, gerade deshalb machen.
MA Dabei haben wir uns auch auf unseren kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt, Weiß und Rot. Wir benutzen mal nur die zwei Farben und fügen dann eben Hip-Hop mit rein und Bad Painting und Humor und Liebe.
KA Also eigentlich uns.
KA Wir sind auf alle Fälle auf der Gute-Laune-Seite.
WK Das ist ein Glück – und es zeugt von Disziplin!
KA Es ist oft nicht einfach. Man versucht es ständig und wird immer wieder zurückgehalten. Da muss man lächeln und durchhalten. Wir haben uns immer die Frage gestellt, wer wir sind. Wir sind irgendwo zwischen Klamauk und Sozialkritik. Wenn man zu gut gelaunt ist, wird man oft nicht ernst genommen, aber damit spielen wir. Philip Gustons Comic-Ästhetik wurde in seiner Zeit auch nicht ernst genommen. Wir wollen, dass unsere Kunst für jeden offen ist, dass jeder Mensch, der unsere Bilder ansieht, erst mal einen Zugang dazu hat.
KA Schon ein paar Jährchen, zehn oder so. Mein Zwillingsbruder Emre ist Regisseur und schreibt auch. Wir haben immer wieder mal etwas für seine Stücke gemacht, das harmoniert sehr gut. Wir nennen ihn den dritten „Kissing Cousin“.Wenn wir für das Theater arbeiten, dann nur mit ihm.
MA In dem Stück geht es um Digital Natives in einer digitalen Welt und die Frage, was sie aus der Realität mitgenommen haben oder ob sie neue Konstrukte geschaffen haben? Dann sind da noch zwei Alte, die letzten verbliebenen aus der analogen Welt, die in der digitalen Welt alles neu lernen müssen, das Greifen, das Gehen.
KA Im ganzen Stück verschwimmen reale und digitale Elemente. Von den Kammerspielen, von der Dramaturgin Olivia Ebert und von Emre aus haben wir freie Hand, um gemeinsam mit Paula Wellmann ein Bühnenbild zu kreieren, das sich aus unserer Welt und Ästhetik speist. Von New York aus mussten wir einen Weg finden, wie das Ganze funktioniert. So haben wir das meiste in VR gemalt – oder in 3-D erstellt, das wird analog nachgebaut.
MA (Er zeigt auf einen Knopf.) Du drückst hier auf den Joystick und beeinflusst das Bild je nach Druck.
KA Du musst es dir vorstellen wie eine Schaumstoffpistole, nur dass man damit eben malen kann. Dafür gibt es verschiedene Programme, auch zum Animieren. So haben wir diese Brillen aufgezogen und dann die Teile der Bühne gemalt, alles im Wechselspiel mit der Bühnenbildnerin Paula Wellmann und der Kostümbildnerin Annika Lu Hermann und mit den Technikern, all das muss passen. Es wurde immer wieder hin- und hergeschickt und verbessert. Außerdem gibt es viele Animationen. Das Ganze dreht sich um eine Drehbühne, die in eine virtuelle Welt eingebettet ist.
MA Wir schaffen eine Illusion mit verschiedenen Ebenen. Wir arbeiten analog und digital und gehen immer von der Malerei aus. Jetzt mit Menschen zusammenzuarbeiten, die so eine riesige Drehbühne für dich bauen, das ist megaspannend.
WK Sie wirkt, als sei sie aus …
KA … Knetmasse, sagen wir mal. Wir finden diesen Look, das Kindliche, sehr spannend. Das passt zu dem Stück, in dem auch acht Kinder und Jugendliche mitspielen.
KA Die meisten, die unsere Animation sehen, denken, wir machen sie wirklich mit Knetmasse und Stop-Motion.
WK Aus welchem Material besteht die Drehbühne?
MA Das wird eine Mischung sein. Wir malen diese Dinger, dann schicken wir sie der Bühnenbildnerin und dem Architekten, und der baut es noch mal so zusammen, dass es passen könnte. Er schickt es uns dann wieder zurück, und wir malen es noch mal nach, sodass es da reinpasst. In den Kammerspielen wird es mit Holz nachgebaut und bemalt, und es kommt ein Plastiker, der einige Elemente dreidimensional gestaltet. Andere Teile sind nur zweidimensional, sehen aber dreidimensional aus. Am liebsten hätten wir natürlich alles in 3-D gedruckt, aber das wäre utopisch.
KA Im Allgemeinen das Essen. Gestern haben wir einen Döner probiert, der hieß „Berlin Döner“, das war wirklich eine Katastrophe. Außerdem natürlich die Standards, Weißwurst und Schnitzel.
MA Wir gehen immer zu Turka Kebap in der Amalienstraße, eigentlich ein ganz normaler Standard-Döner, aber sehr gut dafür – das ist schon schwierig!
KA Bei Verdi am Hauptbahnhof, eigentlich eher ein Supermarkt, gibt es einen Döner, der auch nicht schlecht ist.
MA Da gibt es die Gaststätte Großmarkthalle in der Kochelseestraße 13, die ist richtig gut.
Die Kammerspiele haben „Göttersimulation“ ab 5. November im Programm. Am 7. November sind Mehmet und Kazim bei einem Artist Talk über Mode und Kunst mit Johnny Talbot und Adrian Runhof im Haus der Kunst zu erleben