In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche neue Gesetze zur Regulierung des Kunstmarkts erlassen. Doch bei der konkreten Umsetzung zeigt sich eine Vielzahl an Problemen
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24.10.2022
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Erschienen in
Kunst und Auktionen 16/22
Nachdem in den letzten Jahren eine Vielzahl an Gesetzen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene erlassen wurden, zeigt sich nun – sozusagen in der nächsten Runde des Regulierungszyklus’ –, dass die Probleme erst richtig anfangen, wenn es um die konkrete Umsetzung der Normen geht.
Zunächst bereitet die neue EU-Einfuhr-Verordnung 2019 / 880 vor allem Händlern im Vereinigten Königreich und in der Schweiz Kopfzerbrechen. Ab spätestens 2025 müssen insbesondere für archäologische Kulturgüter mit einem Alter von mehr als 250 Jahren Einfuhrgenehmigungen eingeholt werden, wenn diese nicht aus dem Zollgebiet der EU stammen, aber in dieses eingeführt werden sollen. Für andere Kulturgüter muss eine Einfuhrerklärung abgegeben werden, wenn diese über 200 Jahre alt sind und einen Wert von mindestens 18.000 Euro aufweisen. Angeführt werden hier nicht nur Gemälde, sondern explizit auch Inkunabeln – obwohl diese Wiegendrucke ja alle aus dem 15. Jahrhundert stammen. Im Genehmigungsverfahren prüft die ohnehin ausgelastete Behörde dann idealiter, ob die Ausfuhr aus den Drittländern legal war.
Obwohl bei Lektüre des Gesetzestexts eine gewisse Unsicherheit im Gebrauch kunsthistorischer Begriffe auffällt sowie die Willkürlichkeit der Wert- und Altersgrenzen evident ist, so werden doch klare Regelungen getroffen, mit denen sich a priori arbeiten lässt. Im Rahmen der Anwendung taucht jedoch dann eine Kette von Problemen auf. Um prüfen zu können, ob die Ausfuhr überhaupt reguliert war, müssen ausländische und oft fremdsprachige Normen herangezogen werden – zum Beispiel chinesische, iranische oder äthiopische. Die Kommission hat bereits deutlich gemacht, dass sie hier keine Hilfestellung in Form von Übersetzungen oder erläuternden Informationen leisten wird. Die Bedeutung der außereuropäischen Normen zum Kulturgutschutz sollte man jedoch nicht unterschätzen, denn nach Aussage der Kommission rekurriere die Definition „bedeutendes Kulturgut“ auf die Definitionen der jeweiligen Herkunftsländer. Aus dem Gesetzestext selbst ergibt sich diese Interpretation nicht – Probleme bei der Anwendung durch die Behörden sind da vorprogrammiert.
Dass die EU-Einfuhr-Verordnung Unzulänglichkeiten aufweist, wurde vom europäischen Gesetzgeber wohl schnell erkannt, denn bereits kurz auf das eigentliche Gesetz erfolgte eine Konkretisierung: die Durchführungsverordnung (EU) 2021 / 1079, die neben anderen Detailfragen regelt, welche Dokumente als Nachweis der legalen Ausfuhr zugelassen werden sollen. Was die Definition des „bedeutenden Kulturguts“ und damit der Mutter aller Probleme des Kulturgutschutzrechts angeht, so verhilft die Durchführungsverordnung leider mangels zusätzlicher Anhaltspunkte nicht zu mehr Rechtssicherheit.
Neben der neuen EU-Einfuhr-Verordnung gibt es schon seit 1992 die EU-Ausfuhr-Verordnung 116 / 2009 für Kulturgut, das aus dem Zollgebiet der EU stammt. Auch hier müssen bei Überschreiten bestimmter Alters- und Wertgrenzen Genehmigungen eingeholt werden, allerdings im Rahmen der Ausfuhr. Der Gesetzgeber hat die Wertgrenzen – abgesehen von einer Anpassung für Papierarbeiten im Jahr 1996 – seit Inkrafttreten der Verordnung nicht mehr revidiert. Die Marktpreise für Kunstwerke haben jedoch seither kräftig angezogen und auch die Inflation ist zuletzt massiv gestiegen, sodass eine Überarbeitung dringend nötig ist, um dem Sinn- und Zweck der Wertgrenzen noch gerecht zu werden und insbesondere auch die Verwaltung zu entlasten. Nachdem der Kunsthandel entsprechende Überlegungen bereits kommuniziert hat, ist es nun an der Politik, die Änderungen in Angriff zu nehmen.
Auch bei der Umsetzung der neuen Regeln zur Vermarktung von Elfenbein – seit Anfang des Jahres müssen auch für Antiquitäten Vermarktungsgenehmigungen eingeholt werden – knirscht es im behördlichen Getriebe. In den ersten Monaten des Jahres ging es zunächst um die Frage, ob Auktionshäuser stellvertretend für die Einlieferer Vermarktungsgenehmigungen beantragen können. Das Problem ergab sich aus der Auslegung des Wortes „Vermarktung“: Liegt eine solche bereits vor, wenn der Einlieferer das Auktionshaus aufsucht, oder erst, wenn das Auktionshaus beginnt, das Objekt zu bewerben? Nach anfänglicher Unsicherheit setzte sich auch auf Behördenseite die Ansicht durch, dass eine Vermarktung noch nicht bereits zum frühen Zeitpunkt der Kontaktaufnahme vorliegt. Der Kunsthandel darf also stellvertretend für den Kunden die Genehmigung einholen. Dies bietet neben dem reduzierten Aufwand für den Einlieferer auch den Vorteil, dass die Anonymität des Kunden gewahrt werden kann. Als vorerst letztes Problem trat auf, dass die zuständigen unteren Naturschutzbehörden in der Regel – trotz anderslautender Vorgabe des tatsächlich nicht zuständigen Bundesamtes für Naturschutz – verlangen, dass ein Antrag am Wohnort des Einlieferers zu erfolgen hat. Sie vertreten diese Meinung aus wahrscheinlich gutem Grund, denn andernfalls würden sich die Anträge vor allem bei den Behörden von Städten wie Berlin, München oder Köln stapeln, in denen der Kunsthandel stark vertreten ist. Angesichts des Hin und Hers bleibt abzuwarten, ob es bei dieser Verwaltungspraxis bleibt, oder ob der Amtsschimmel noch einmal von hinten aufgezäumt wird – es kursieren bereits Gerüchte über einen neuen, internen Leitfaden des Bundesamtes für Naturschutz, durch den die Karten neu gemischt werden könnten.
Auch im Bereich des sogenannten Soft Laws kam es in diesem Jahr zu neuen Entwicklungen. So hat die UNESCO mehr oder weniger im Alleingang einen Ehrenkodex für den Kunsthandel ausgearbeitet, der größtenteils das abbildet, was in Deutschland und weiten Teilen Europas bereits ohnehin den gesetzlichen Anforderungen von Ein- und Ausfuhrbestimmungen, Kulturgutschutz- und Geldwäschegesetzen entspricht. In den Bereichen, in denen der Ehrenkodex über diese Vorschriften hinausgeht – so etwa, wenn er ohne Weiteres die Offenlegung der Verkäuferdaten gegenüber dem Erwerber fordert – stellt sich die Frage, ob dadurch nicht gegen die strengen Vorschriften des Datenschutzgesetzes verstoßen würde oder zumindest die Grundlagen des jahrhundertealten Kommissionsgeschäfts – seit 1897 mit dem Handelsgesetzbuch deutschlandweit einheitlich normiert und von niemandem ernsthaft als Prinzip in Zweifel gezogen – ad absurdum führen würden.
Ein Mangel an Gesetzen – wie man aufgrund des Vorstoßes der UNESCO meinen könnte – gibt es also nicht. Die Legislative wird vielmehr auch weiterhin neue Gesetze schaffen. Dabei handelt es sich zunächst um abstrakte Schriftstücke, die Anwender und Adressat mit Leben füllen müssen. Die praktische Bedeutung der Normen wird indes nicht nur von der Qualität des Gesetzestextes, sondern auch davon abhängen, ob parallel zur Anzahl der einzuhaltenden Vorschriften auch die Anzahl der Stellen in der Verwaltung steigt. Kann eine effiziente Verwaltung nicht gewährleistet werden, verkommen Gesetze zu Gesetzesprosa und reinen Absichtserklärungen. Dann wäre tatsächlich die Zeit für einen strengen, internationalen Ehrenkodex als selbstregulierendes Mittel des Kunsthandels gekommen. Zum Glück oder Unglück sind wir davon jedoch (noch) weit entfernt.