Museo Sa Bassa Blanca

Tausendundein Tag

Im Norden Mallorcas, mit Blick aufs Meer und umgeben vom Duft der Zitronen, verwirklichte das Sammlerpaar Yannick Vu und Ben Jakober seinen Lebenstraum: das Museo Sa Bassa Blanca

Von Laura Storfner
31.01.2022

Sieben Jahre später, mit gerade mal 36, starb Gnoli. Vu und Jakober verarbeiteten den Schmerz gemeinsam und fanden zueinander. Aus ihrer Freundschaft wuchs eine Liebe, die bis heute hält. Sie bekamen einen Sohn und eine Tochter, begannen zu sammeln und zogen kurzzeitig nach Tahiti, um ein neues Leben zu beginnen. Doch Mallorca ließ sie nicht los. Sie wünschten sich ein Haus dort und beauftragten den ägyptischen Architekten Hassan Fathy mit den Plänen: Ribat, wie Fathy die kleine Festung nannte, die er für das Paar errichtete, verband mallorquinischen Naturstein mit Ornamenten aus Marokko und Sevilla. Ein Palast in Weiß, direkt am Meer.

Museo Sa Bassa Blanca Mallorca
Werke von Abdelghani Ben Ali, Mustapha Asmah und Mohamed Zouzaf im ersten Stock. © Gabriel Barcelo/Fundacion Yannick y Ben Jakober/ART PRESS/Mitjili Napanangka Gibson/VG Bild-Kunst, Bonn 2022

„Dieser Ort erzählt auch davon, wie man Trauer in etwas Positives verwandeln kann“, sagt Vu. „So wie andere Leute in die Kirche gehen, zog es mich schon als Jugendliche in Museen, um Antworten und Geborgenheit zu finden.“ Die Entscheidung, ihr Haus für Fremde zu öffnen, das Museo Sa Bassa Blanca zu gründen und eine Stiftung aufzubauen, trafen die beiden, nachdem ihre Tochter Anfang der Neunzigerjahre mit 19 Jahren tödlich verunglückte. Sie wollten etwas zurückgeben, und so teilen sie heute alles, was sie gesammelt haben, alles, was ihnen wichtig ist, mit den Menschen, die den Weg nach Alcúdia zurücklegen.

„Ich schaue niemals zurück, ich schaue nur nach vorne“, meint Ben Jakober. „Unser Werk hier ist für mich abgeschlossen. Nun geht es darum, all das für die Nachwelt zu bewahren und aufzubereiten.“ Yannick Vu pflegt neben der Sammlung auch das Archiv ihres Vaters und das Domenico Gnolis. Eine Vielzahl seiner beeindruckenden Zeichnungen und Gemälde sind dauerhaft im Museo Sa Bassa Blanca zu sehen. Besonders stolz ist das Paar darauf, als Leihgeber auftreten zu können, wie für Gnolis große Retrospektive, die bis Ende Februar in der Fondazione Prada in Mailand zu sehen ist.

Die Jakobers pendeln heute zwischen Mallorca und Marokko, die Hälfte des Jahres verbringen sie in Marrakesch, die andere auf der Insel. Im Ribat wohnen sie nicht mehr, das ehemalige Familienanwesen wird heute für wechselnde Ausstellungen genutzt. In der Präsentation orientiert sich das Paar an einem Konzept, das der Kunsthistoriker Jean-Hubert Martin für seine Ausstellung „Carambolages“ vor einigen Jahren im Pariser Grand Palais genutzt hat: Die Werke bauen auf der Basis von inhaltlichen Ideen und äußerlichen Formen assoziativ aufeinander auf und formen einen Dialog. „So können wir Objekte und Werke aus verschiedenen Zeiten, Kontexten und Herkunftsländern auf einer Ebene miteinander in Beziehung setzen.“

Museo Sa Bassa Blanca Mallorca
Blick über den Garten bis zum Mittelmeer. © Gabriel Barcelo/Fundacion Yannick y Ben Jakober/ART PRESS

2007 eröffnete auf dem Gelände ihr unterirdisch angelegter Ausstellungsraum Sokrates. Auch hier verfolgen sie keinen chronologischen Aufbau. Stattdessen werden Masques malades, afrikanische Krankenmasken, mit Fossilien und Gegenwartskunst gepaart. Arbeiten von Rebecca Horn und James Turrell gehen eine Symbiose mit Werken von zeitgenössischen Künstlern des afrikanischen Kontinents sowie Kunst der Aborigines ein. Im Haupthaus hingegen sind die Wände über und über mit Gemälden und Fotos bedeckt. An diesem Ort scheint die Zeit angehalten, er ist voller Spuren des Familienlebens. Hier hängt eine Ansichtskarte von Yoko Ono, daneben ein Telegramm aus On Kawaras Serie „I Am Still Alive“, adressiert an Ben Jakober. Über dem Treppenaufgang fällt das riesige Bildnis eines Hundes auf: Gemalt hat es Yannick Vu. Es zeigt Oscar, den Bullterrier der Familie. In der Bibliothek stehen noch immer die gemütlichen Sofas, es riecht nach altem Leder. Das einstige Schlafzimmer erweckt dank der Kassettendecke aus dem Jahr 1498 im Mudéjarstil den Anschein, als blicke man in den Sternenhimmel. Ohnehin wirkt das Haus mit seinen verwinkelten Räumen, Kuppelgewölben und Säulengängen wie Tausendundeiner Nacht entsprungen.

In den Innenhöfen, wo Palisanderholzbäume lila blühen, liegt der Duft von Zitronen in der Luft. Jakober und Vu gönnen sich hier eine kurze Pause, bevor es weitergeht. Sie lauschen dem Meer und dem Plätschern des Springbrunnens. Das Zusammenspiel aus Natur, Architektur und Kunst verleiht dem Museo Sa Bassa Blanca seinen Charme. Vu, eine leidenschaftliche Gärtnerin, hat neben Gemüse und Kräutern auch über hundert Sorten alter englischer Rosen gepflanzt, die im Mai in voller Blüte stehen. „Ich glaube, wer im Einklang mit Kunst und Natur lebt, lebt auch im Einklang mit sich selbst“, sagt sie. „Es ist schon verrückt“, meint Jakober. „Wir sind in unserem Leben so viel herumgekommen, sind Nomaden, haben keine wirklichen Wurzeln, keine Heimat.“ Er lässt den Blick über den Garten schweifen, hält inne und nippt an seinem Kaffee. „Aber vielleicht“, sagt Vu mehr zu sich selbst, „haben wir uns genau hier ein eigenes Zuhause geschaffen.“ Ein Zuhause, in dem sie Besucher, die den Weg zu ihnen finden, mit offenen Armen empfangen.

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