Kulturstaatsministerin

Die Ära Grütters

Acht Jahre lang prägte Monika Grütters Deutschlands Kulturpolitik, nun wird Claudia Roth ihre Nachfolgerin als Kulturstaatsministerin. Wie fällt die Bilanz der Ära Grütters aus? Ein Kommentar

Von Matthias Ehlert
26.11.2021
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 192

Mit der Ära Merkel geht eine weitere Ära zu Ende, die von Monika Grütters als Staatsministerin für Kultur. Acht Jahre lang hatte die CDU-Politikerin dieses im Bundeskanzleramt angesiedelte Amt inne, nun ist die Grünen-Politikerin Claudia Roth als ihre Nachfolgerin bestimmt. Das Amt wurde 1998 geschaffen, um die kultur- und medienpolitischen Aktivitäten des Bundes in einer Behörde zu bündeln und ihnen so mehr Wirkungskraft zu verleihen. Wie fällt die Bilanz der Ära Grütters aus? Welche politischen Erfolge hat sie errungen, welche Baustellen wird sie hinterlassen?

Auf der Ebene der Zahlen ist Monika Grütters die bislang mit Abstand erfolgreichste Kulturministerin. Dank ihrer über viele Jahre gewachsenen Vernetzung im politischen Berlin gelang es ihr, den Kulturetat des Bundes um rund 70 Prozent zu steigern. In diesem Jahr durchbrach er erstmals die Schallmauer von zwei Milliarden Euro, die Mittel des Corona-Hilfsprogramms „Neustart Kultur“ dabei noch nicht miteingerechnet. Parallel dazu wuchs ihre Behörde von ursprünglich 180 auf fast 400 Mitarbeiter an. Keiner ihrer Vorgänger, weder die SPD-Intellektuellen Michael Naumann, Julian Nida-Rümelin und Christina Weiss noch der CDU-Parteifunktionär Bernd Neumann, hatte mehr Geld zum Verteilen, keiner dirigierte mehr Personal.

Wer am Geldhahn sitzt, der kann Prozesse und Entscheidungen in seinem Sinne lenken. Auch dieses Spiel beherrschte Monika Grütters perfekt. Ihre Behörde, das BKM, hatte überall seine Köpfe im Spiel, die Staatsministerin oder ihre Getreuen saßen in unzähligen Gremien und Aufsichtsorganen. Die kulturpolitische Machtfülle ist Grütters mitunter zum Vorwurf gemacht worden: „Intendanten, Museumschefs, Direktorinnen, die man zu ihr befragt, fürchten nichts so sehr wie ihren Zorn“, hieß es in einem Porträt über sie, das 2018 in der Süddeutschen Zeitung erschien.

Wird jemand so charakterisiert, dann ist er mit Sicherheit nicht auf Harmonie gebürstet. War Grütters von einer Sache überzeugt, dann versuchte sie diese mit allen Kräften durchzusetzen. Die Kunstmarktbranche kann davon ein Lied singen. Die Konflikte um das Kulturgutschutzgesetz 2015 haben Narben hinterlassen, die mit einer frühzeitigen Einbindung der Marktakteure zu vermeiden gewesen wären.

Monika Grütters
Monika Grütters größtes Reformvorhaben war die institutionelle Neuaufstellung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. © Foto: Elke Jung-Wolff

Bei ihrem größten Reformvorhaben, der institutionellen Neuaufstellung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, hat Monika Grütters einen ähnlich kühnen Vorstoß gewagt. Eine von ihr initiierte Studie empfahl 2020 die Zerschlagung der Stiftung in beweglichere Einzelteile. Dazu wird es aller Voraussicht nach nicht kommen. Es wird schon schwer genug werden, die Länder künftig hinauszukomplimentieren und der gesamten Stiftung eine schlagkräftigere Struktur zu verpassen. Monika Grütters hat hierzu den Anstoß gegeben, vollenden muss es jemand anderes.

Eine ähnliche Baustelle hinterlässt sie beim Humboldt Forum. Hier ist das BKM in der Pflicht, gehört es doch zu seinen Kernaufgaben, besondere Verantwortung für das kulturelle Leben in Berlin zu übernehmen und den Bund in der Hauptstadt angemessen und zeitgemäß zu repräsentieren. Der modernste und strahlendste Ort dafür sollte das Humboldt Forum werden. Das ging schief – so wie der dort zuvor stehende Palast der Republik mit Asbest und DDR-Geschichte kontaminiert war, sind es die Ethnologischen Sammlungen des Humboldt Forums mit ihrer zu wenig und zu spät aufgearbeiteten Kolonialgeschichte.

Große Verunsicherung prägt nun diesen Ort, er droht zum Spielball postkolonialer Aktivisten zu werden. Eine Kulturpolitik mit mehr Gespür hätte sich vielleicht nicht so in die Defensive drängen lassen und frühzeitig darauf gedrungen, die Untiefen der Kolonialgeschichte wissenschaftlich auszuloten. Statt die Überführung des Luf-Bootes aus Dahlem nach Berlin-Mitte in einer 20 Meter langen Kiste als technische Meisterleistung öffentlichkeitswirksam zu feiern, hätte man vielleicht lieber – so wie es Götz Aly jüngst in seinem Buch „Das Prachtboot“ tat – die tatsächliche Inbesitznahme dieses Meisterwerks aus Papua-Neuguinea gründlich erforschen sollen. Auch hier kommen große Aufgaben auf ihren Nachfolger zu. Und neben der Wiedergewinnung der intellektuellen Deutungshoheit wird es vor allem darum gehen, für das Humboldt Forum ein schlüssiges Gesamtkonzept zu entwickeln, das mehr ist als die Summe der drei dort beheimateten Institutionen.

Bliebe am Ende ihr Lieblingsprojekt: Mit viel Elan hat die Kulturstaatsministerin den Neubau eines Museums der Moderne am Kulturforum vorangetrieben. Es soll die große Lücke in der Sammlungspräsentation der Nationalgalerie schließen. Dieses Museum wird kommen, so viel ist gewiss, und es wird mit ihrem Namen verbunden bleiben. Monika Grütters ist zu wünschen, dass der Entwurf von Herzog & de Meuron in seiner Realisierung mehr wird als eine „Scheune“, die nur die Schätze der Moderne verwahrt. Dass dieses Museum des 20. Jahrhunderts wirklich von innen leuchtet, wie es die Architekten versprechen. Und nicht schon vor der Eröffnung als Klimakiller verdammt wird.

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