Frida Kahlo

Schmuck im Blut

In der Selbstinszenierung der Malerin Frida Kahlo, die gerade einen Auktionsrekord erzielt hat, verschmolzen Kunst und Leben. Dazu zählte auch ihr Schmuck – mit dem sie ein familiäres Erbe verband

Von Lisa Zeitz
17.11.2021
/ Erschienen in Weltkunst Nr. 192

Ein Magnet ist Frida Kahlo auch im Museum. Derzeit widmet die Fondation Beyeler ihr einen Raum der Schau „Close-up“, und eine große Ausstellung im Drents Museum im niederländischen Assen feiert ihr Leben und ihre Kunst. Nicht nur Malerei, sondern auch Gegenstände ihres Alltags, Kleider, Schuhe, Schmuck – wie das Silberarmband des mexikanischen Schmuckdesigners Antonio Pineda –, aber auch Nagellack und Lippenstift, ja sogar ihr bemaltes Gipskorsett sind Teil der Ausstellung, die in anderer Form zuerst im Museo Frida Kahlo in Mexiko gezeigt wurde. Vieles davon kam erst 2004 ans Licht, fünfzig Jahre nach Frida Kahlos Tod, als zwei Badezimmer im blauen Haus in Coyoacán zugänglich gemacht wurden, die Diego Rivera Jahrzehnte über seinen eigenen Tod hinaus versiegeln ließ.

Was für ein Schatz allein die Garderobe der Künstlerin ist! Manche der 168 Gewänder hat sie selbst mit präkolumbischen Tier- oder Pflanzenmotiven bestickt. Viele der Kleider und Schmuckstücke stammen aus der Gegend um Oaxaca, vom Isthmus von Tehuantepec, wo Nachfahren des zweitausend Jahre alten Volksstamms der matriarchalisch organisierten Zapoteken leben. Frida Kahlo pflegte den Stil der stolzen Tehuana-Frauen mit „Arracadas“, halbmondförmigen Ohrringen aus Silber oder Gold, bestickten „Huipils“ (Blusen), „Rebozos“ genannten Schultertüchern und langen Röcken aus horizontalen, bunten Stoffstreifen. Archaisch wirkende, dicke Steinperlen aus grüner Jade sind dabei und lange, filigrane Goldketten, wie sie in Oaxaca als Mitgift gebräuchlich waren. Die Künstlerin trug sie mit Anhängern verschiedener Kulturen: Ein Medaillon mit goldenem Blumenbukett und Flusswasserperlen hält eine Kordelkette zusammen, daneben baumeln eine Zwanzig-Dollar-Goldmünze und ein großer goldener Anhänger in Vogelform nach präkolumbischem Motiv.

Im Badezimmer-Fundus aus dem Blauen Haus fanden sich auch Briefe, die ein verliebter junger Mann namens Michel Petitjean an Frida Kahlo geschrieben hatte. Die kurze Liebesaffäre Anfang 1939 in Paris hat dessen Sohn rekonstruiert und jetzt auch auf Deutsch unter dem Titel „Das Herz – Frida Kahlo“ veröffentlicht. André Breton, der Anführer der Surrealisten, organisierte damals eine Ausstellung in der Pariser Galerie Renou & Colle, wo Frida Kahlo den jungen Kunstenthusiasten Petitjean traf. Es war ihre erste und einzige Europareise. Ihre auffällige Erscheinung mit den schwarz leuchtenden Augen, der mexikanischen Kleidung, ihre aufwendigen Hochfrisuren und ihre vielen bunt schillernden Fingerringe schlugen Petitjean sofort in Bann. Wer sich zu ihrer Aufmachung noch ihr theatralisches Verhalten, die Zigarette zwischen ihren Lippen, ihre mit Flüchen und Kraftausdrücken durchsetzte Sprache vorstellt – sie sprach neben Spanisch auch Englisch und Deutsch – den wundert es nicht, dass sie damals das „Ideal der surrealistischen Frau“ verkörperte. André Breton beschrieb sie „geschmückt wie eine Märchenprinzessin mit Zauberkräften bis in die Fingerspitzen im Lichtstrahl des Vogels Quetzal, der beim Davonfliegen in den Rändern der Steine Opale hinterlässt“.

Dank der Affäre mit Michel Petitjean kommt ein intimer Augenzeuge zu Wort, der ihre tägliche Routine selbst beobachtet hat: „Ehe sie ausgeht, richtet sie sich ausführlich her, wie eine Schauspielerin, die sich verwandelt, um der Figur, die sie auf der Bühne darstellen wird, Leben einzuhauchen. Die Wahl der Ringe und Halsketten gleicht einem Ritual. Sie hat ungefähr zwanzig Schmuckstücke lose in Stoffbeutel gepackt und mitgebracht – nun kombiniert sie sie ihrer Inspiration folgend.“ Sie hellt ihren Teint mit Reismehl auf, nimmt einen sattroten Lippenstift (mit dem sie auch ihre Küsse aufs Papier drückt, wenn sie ihren Liebhabern wie dem Fotografen Nickolas Muray schreibt), und flicht rote und blaue Stoffbänder in ihre langen, schwarzen Zöpfe, manchmal kommen noch bunte Schleifen und glitzernde Kämme dazu. „Das Ganze wird wie eine Art Knoten auf dem Kopf platziert, mal höher, mal tiefer, mal kleiner mal größer. Und dieses Kunstwerk verziert sie zuletzt noch mit eingesteckten Blüten.“ Überhaupt, Blumen! Auf Porträts sind Rosen, Fuchsien oder Bougainvillea in ihrem „Tocado“ genannten Kopfputz zu entdecken, je nachdem welche Blumen gerade in ihrer Nähe blühten. Sonst tat es auch der glitzernde Haarreif, der aktuell im Drents Museum zu sehen ist. Michel Petitjean nannte Frida Kahlo seinen „Maibaum“.

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