Lola Montez

Schaut auf mich!

Die Tänzerin Lola Montez, die vor 200 Jahren geboren wurde, hat den bayerischen König Ludwig I. um Kopf, Krone und viel Geld gebracht. Wer nach ihren Spuren in der Kunst sucht, stößt auf Verklärung, Ironie und Spott

Von Sabine Spindler
24.10.2021
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 191

Der Skandal wurde ihr ständiger Begleiter. Und wie überall so auch in München war sie bewunderte Schönheit und Zielscheibe von Hass und Spott. Für Karikaturisten war ihr Tun und Handeln eine sprudelnde Quelle. Der Spätromantiker Moritz von Schwind, Professor an der Münchner Akademie und maßgeblich beteiligt an den Entwürfen für die Ausmalung der Residenz, gewann dem Verhältnis zwischen dem verliebten König und seiner angeblichen Domina in einem Scherenschnitt eher eine zarte Ironie ab. Wie eine exotische Ritualtänzerin hebt sie ihre Beine in die Luft, während ihr der knöchrige König seinen großen Zeh entgegenspreizt in der Hoffnung auf eine Berührung.

Andere zeigten mehr Schärfe. Besonders bissig war die Karikatur „Ariadne auf Box“, die 1847 kurz nach der Erhebung Lolas zur Gräfin Marie von Landsfeld von Hand zu Hand gereicht wurde. Die Lithografie mit der fast nackten, lang gestreckten Lola auf ihrem bulligen Hund Turk verstand jeder als eine Parodie auf Johann Heinrich von Danneckers berühmte Skulptur „Ariadne auf dem Panther“, eine Huldigung an die Kraft der Schönheit, die zugleich den Verstand betäuben kann. Das Gift der Karikatur aber wirkt besonders ätzend durch den kleinen mageren Cupido mit dem greisen Konterfei Ludwigs, der auf ihrem Schenkel reitet und ihr die Krone reicht. Angeblich soll Wilhelm von Kaulbach der Urheber dieser Bösartigkeit gewesen sein.

Ein Porträt mit Sprengkraft

Hatte Ludwig möglicherweise den Falschen engagiert, als er Kaulbach mit einem staatstragenden Porträt seiner Mätresse für die Neue Pinakothek beauftragte? „Ein so göttliches, geistreiches Wesen muss von dem höchsten Standpunkt historischer Malerei aufgefasst und dargestellt sein, deshalb von dem größten lebenden Historienmaler ausgeführt werden“, begründete er Stieler gegenüber die Auftragsvergabe an Kaulbach. Dieser stand Ludwig eigentlich nahe durch die Ausmalung der Hofgartenarkaden und des Odeons. Aber Lola verachtete er. Dass Kunst politische Sprengkraft besitzt, weiß man nicht erst seit Maurizio Cattelans „La Nona Ora“, des zu Boden gegangenen Papstes, und Kaulbach konnte sich 1847 die gehässigen Anspielungen nicht verkneifen. Wie eine Maria Stuart steht Montez in ihrem schweren Kleid und blickt kalt und herrisch auf die Betrachter. Der opulente Sessel, die Silberarbeiten täuschen eine Tradition und einen Status vor, die Lola nie besaß.

Es muss viel Streit um dieses Bild gegeben haben, das heute im Münchner Stadtmuseum verwahrt ist. Kaulbach habe ein paar „schalkhafte Symbole“ integriert, notierte Leo von Klenze in seinen Memoiren. Schlangen sollen sich angeblich um ihren Körper gewunden haben. Und wahrscheinlich hielt sie in der linken Hand ihre Reitgerte und nicht wie später das weiße Tuch. Aber Kunst war nur so frei, wie es dem König gefiel. Manches ließ er übermalen, anderes hinzufügen wie jenes kleine Goldkettchen am Handgelenk der Königin seines Herzens: Die Botschaft des Herzanhängers mit Krönchen ist unmissverständlich. „Der eigentliche Affront Kaulbachs lag in der kühnen Wahl des Bildschemas“, schrieb Reinhold Rauh, der erste deutsche Lola-Montez-Biograf, 1991 in einem Ausstellungskatalog. Kaulbach persiflierte das Krönungsbild Ludwigs von Joseph Karl Stieler und kommentierte damit auf ironische Weise den Weg einer Tarantella-Tänzerin in die Sphären der Macht. Das Porträt hat Ludwig nie aus Kaulbachs Atelier abholen lassen.

Der Knabe und das Krokodil

Lola selbst nahm die schönen Künste nicht so ernst. Was im 18. Jahrhundert die Haarlocke im Medaillon war, wurde in der Biedermeierzeit ein Hand- oder Fußabguss. Der Bildhauer Johann Leeb, eher ein Künstler aus der zweiten Reihe, erhielt den Auftrag, den Fuß der Tänzerin in Marmor zu hauen, ein intimes Geschenk der Favoritin an ihren Gönner. Nur: So einen schönen Fuß wie Leebs Marmorwerk ihn zeigt, besaß Montez gar nicht. Von Verformungen und Hühneraugen war die Rede. So wich Leeb auf einen Abguss des linken Fußes der Venus von Milo aus. Die selbst ernannte Spanierin wird der Trick amüsiert haben. 1847 saß sie Leeb auch Porträt. Antikisch, aber ohne Charakter stellt er sie dar. Zwei Marmorausführungen stehen heute im Depot der Neuen Pinakothek. Wahrscheinlich werden sie nicht einmal zum 200. Geburtstag in diesem Jahr ausgestellt. Lola vertraute weiterhin auf das Geschick des Bildhauers. Als sie ihr Palais in der Barer Straße mit dem Geld des Königs ausstattete, schuf Leebs für den Garten eine Brunnenfigur. Den antiken „Ganswürgenden Knaben“ aus der Glyptothek adaptierte er für seine temperamentvolle Auftraggeberin sehr frei zu einem Knaben, der mit einem Krokodil ringt.

Joseph Stieler Lola Montez Porträt
Im Auftrag des Königs malte Joseph Stieler von 1827-1850 eine berühmte Reihe von Bildnissen schöner Frauen: In Wahrheit war Lola Montez war weder so fromm und noch so züchtig, wie die die Schönheitengalerie in Nymphenburg darstellte. © Bayerische Schlösserverwaltung

Die Brunnenfigur des Knaben, der mit einem Krokodil ringt, steht heute im Musee d’art et d’histoire in Genf, wo Lola nach ihrer Flucht eine Zeit lang lebte. Die Skulptur ist neben einer gefälschten antiken Henkelvase – ebenfalls in Genf – eines der wenigen nachweisbaren Dinge aus ihrer Münchner Wohnung. Die Einrichtung ihres (1912 abgerissenen) Palais war fürstlich. Für Luxus hatte Lola, die nach den Pfiffen und Buhrufen von der Bühne abgetreten war und sich als Salondame versuchte, einen Sinn. Schwere Vorhänge aus grünem Plüsch hingen vor den Fenstern, die Möbel aus Palisander lieferte der Tischlermeister Leonhard Glink, der wohl nicht ganz ohne Kalkül ausgewählt wurde. Er hatte schon das Toilette-Zimmer der Königin Therese im Königsbau der Residenz ausgestattet.

Lola schuf die Bühne für ihren Auftritt als Gräfin Marie von Landsfeld, ging mit ihrem Interieur auf Augenhöhe mit dem Hochadel, der jedoch nicht einmal den König bei seinen Besuchen in die Villa begleiten wollte. Das Porzellan bestellte sie zum Entsetzen des königlichen Verwalters in Paris und nicht in Nymphenburg. Es gab ein Rauchzimmer, ein Damenzimmer mit Piano, ein Speisezimmer. Und in einer verspiegelten Vitrine bewahrte sie das Tafelsilber auf, das sie bei Mayerhofer in München gekauft hatte und von dem sie sich schon Monate vor ihrer Ernennung zur Gräfin auf jedes Stück die Initialen M. v. L. und die Grafenkrone gravieren ließ.

Lolas Flucht

Der Traum einer noblen Etablierung in München ging nicht in Erfüllung. Im März 1848 trieb ein Gebräu aus verschleppten politischen Reformen und Preissteigerungen die Bevölkerung auf die Barrikaden. Verantwortlich gemacht wurde Lola Montez. In Windeseile floh sie nach Lindau. Graf Arco hob ihren letzten Zigarettenstummel, den sie auf die Straße warf, auf und beschriftete ihn wie ein Artefakt. Ein anderer riss ein Stück Stoff aus ihrem Kleid. Viel blieb nicht von Lola Montez. In 56 Kisten schickte Ludwig das Hab und Gut nach Genf. 1849 wurde es bei Phillips in London versteigert. Verbleib unbekannt.

Die wahre Lola bleibt ein Mysterium, um das sich zahlreiche Legenden ranken. Auch das sogenannte Lola-Montez-Haus in München-Großhesselohe, in dem sie und Ludwig eine letzte Liebesnacht verbracht haben sollen, ist eher ein Marketingtrick als wahr. Dass Illusionen lebendiger sind als nüchterne Fakten, hat sie selbst schon gewusst. In ihrem Bühnenstück „Lola in Bavaria“, in dem nicht die historische Wahrheit die Hauptrolle spielt, vermarktete sie ihr eigenes Leben. Und sie hat damit in den 1850er-Jahren in New York und im Wilden Westen ein Vermögen verdient. München war zweifellos der Höhepunkt ihrer Biografie.

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