Kunst und Eigentumsrecht

Darf man ein Kunstwerk verändern?

Aus unserer Reihe Kunst und Recht: Ein Künstler darf mit seinem Werk verfahren, wie er will – bis er es verkauft. Der spätere Eigentümer aber muss sich vor Veränderungen hüten. Welche Grenzen hat das Kunsteigentum? 

Von Eva N. Dzepina
18.09.2020
/ Erschienen in Kunst und Auktionen Nr. 12

Dass Eigentümer von Kunstwerken nicht völlig frei mit ihnen verfahren können, ist nicht neu. Aber wie weit das Eigentumsrecht an Kunst unter Umständen eingeschränkt werden kann, ist doch auch immer wieder bemerkenswert. In einer älteren Entscheidung des OLG Hamm (12. April 2011, Az. I-4 U 197 / 10) ging es um die Entstellung eines Kunstwerks nach § 14 UrhG durch Baumaßnahmen. Der Betreiber eines Krankenhauses hatte einem Bildhauer den Auftrag zum Entwurf eines Brunnens für die dortige Cafeteria gegeben – Kostenpunkt 34 240 D-Mark. Der Bildhauer schuf daraufhin ein fünfeckiges Objekt mit einem Becken aus Kalkstein und einem aufgesetzten Quellstein. Der Brunnen wurde inmitten einer bereits vorhandenen Vertiefung des Raums aufgestellt, mit zwei hinunterführenden Stufen auf jeder Seite. Am Rande dieser Vertiefung standen die Tische und Stühle.

Einige Jahre später beseitigte das Krankenhaus dann die bestehende Vertiefung und verlegte einen Holzfußboden, der den Höhenunterschied zum übrigen Raum ausglich. Am Übergang zum Brunnen füllte man Kies auf. So stand der Brunnen plötzlich nicht mehr frei, sondern war in den Boden eingelassen. Der Künstler wertete dies als Entstellung seines Werks. Eine nachträgliche Anhebung des Brunnens durch einen Unterbau wurde vom Krankenhaus aus Kostengründen verworfen. Auch zu einer Entschädigungszahlung an den Bildhauer konnte man sich nicht durchringen – und so erhob der Künstler Klage. Er verlangte die Entfernung des Holzfußbodens oder hilfsweise eine anderweitige, in jedem Fall vollansichtige Aufstellung seines Werks in der Cafeteria. Damit war das beklagte Krankenhaus aber nicht einverstanden: Immerhin sei man aus rechtlichen Gründen zur Beseitigung der Vertiefung verpflichtet gewesen. Die Kosten für eine Anhebung des Brunnens wären unverhältnismäßig – mit Umbauten habe der Künstler ohnehin irgendwann rechnen müssen.

In erster Instanz konnte sich der Künstler insofern durchsetzten, als das Landgericht Hamm das Krankenhaus dazu verurteilte, den Brunnen vollständig sichtbar in der Cafeteria aufzustellen: Durch die teilweise Verdeckung seien die Wesenszüge des Werks tatsächlich entstellend verändert worden.

Das Krankenhaus ging daraufhin in die Berufung – und somit an das OLG Hamm. Hier argumentierte die Beklagte insbesondere, das Landgericht habe den Brunnen – im Sinne eines Verfahrensfehlers – gar nicht in Augenschein genommen: Nur durch eine Vor-Ort-Begehung hätte man wirklich beurteilen können, ob tatsächlich eine Entstellung oder lediglich eine geringfügige Beeinträchtigung des Kunstwerks vorliege. Auch berücksichtige die vom Landgericht geforderte Anhebung des Brunnens nicht, dass das Krankenhaus DIN-Vorschriften und die Arbeitsstättenverordnung zu beachten habe. Zudem befinde sich der Brunnen nicht etwa auf einem öffentlichen Platz, sondern in einem Zweckbau – er werde also lediglich von Patienten, Besuchern und Mitarbeitern des Krankenhauses wahrgenommen. Die erheblichen Kosten von mindestens 30 000 Euro, die eine Umplatzierung des Brunnens nach sich zöge, wögen schwerer als das Selbstverständnis des Künstlers.

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In unserer Rubrik „Kunst und Recht“ beschäftigen wir uns regelmäßig mit Streitfällen und Rechtsfragen im Kunstmarkt. © Andrea Ventura

Der Künstler wiederum argumentierte, die Einheit von Kunst und Raum sei durch die Einebnung des Bodens zerstört worden. Auch sei die Cafeteria nach der Baumaßnahme sogar unfallträchtiger geworden, da man nun nämlich in das Becken hineinstolpern könne. Die genannten Umstellkosten wären ohnehin überzogen – er selbst könne den Brunnen problemlos demontieren und anderswo wieder aufbauen. 

Das OLG Hamm ging vorläufig zwar auch davon aus, dass das Werk entstellt worden sei, betonte aber auch, dass diese Frage letztlich nur durch einen Ortstermin beantwortet werden könne. Unabhängig davon müsse zwischen dem Integritätsinteresse des Künstlers und dem freien Verfügungsinteresse des Eigentümers abgewogen werden. Wenn die bauliche Sicherheit der Krankenhaus-Cafeteria – die überwiegend von Patienten (Rollstuhlfahrern etc.) besucht werde – beeinträchtigt sei, müssten die Künstlerinteressen unzweifelhaft zurückstehen. Denn es könne nicht angehen, dass das Urheberrecht dazu führe, dass zwingende Unfallverhütungsvorschriften nicht eingehalten werden. Auch seien unverhältnismäßig hohe Umbaukosten – immerhin stehe das Doppelte des ursprünglichen Preises für das Kunstwerk im Raum – nicht zumutbar, zumal ohnehin nur ein begrenzter Personenkreis den Brunnen zu Gesicht bekäme. Angesichts des Standorts in einem Zweckbau habe der Künstler – zumal nach 16 Jahren Standzeit – eventuell erforderliche Änderungen an seinem Werk per se in Kauf zu nehmen. Da es das Landgericht aber nun einmal versäumt habe, sich die Sache vor Ort anzusehen und ein technisches Umbaugutachten einzuholen, müsse dies nun nachgeholt werden. Erst dann könne endgültig entschieden werden – so das OLG Hamm. Damit verwies es den Rechtsstreit an das Landgericht zurück.

Wie die Sache ausgegangen ist, ist nicht bekannt. Jedoch zeigt dieser Sachverhalt einmal mehr, wie wichtig es ist, eventuell anfallende Veränderungen an Kunstwerken vorab vertraglich zu regeln. Die Kosten und Probleme, die auf die Eigentümer sonst zukommen können, sind einfach zu erheblich.

Service

UNSERE EXPERTIN

Eva N. Dzepina, LL.M. (UK) Rechtsanwältin
Mitglied des Instituts für Kunst und Recht IFKUR e.V.

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