Kunstwissen

Wie bleiben Sie international, Herr Kunde?

Das Museum Kurhaus Kleve nahe der niederländischen Grenze ist seit dem 6. Mai wieder geöffnet. Ein Gespräch mit dem Direktor Harald Kunde über Internationalität in Zeiten von Corona und den 100. Geburtstag von Joseph Beuys

Von Weltkunst Redaktion
03.06.2020

Ihr Haus war fast zwei Monate geschlossen. Wie erging es Ihnen in dieser Zeit?

Am Anfang war es ein enormer Schock. Die ganze Energie, die in die aufwändige Vorbereitung der 6-Kanal-Videoarbeit von John Akomfrah geflossen ist, konnte sich urplötzlich nicht mehr positiv öffentlich entladen: am Freitag, den 13.(!) März mittags erfuhren wir, dass die für den Abend geplante Eröffnung nicht mehr stattfinden durfte… Danach begann die Phase einer gefühlten Unwirklichkeit der Welt und aller bisherigen Daseinskoordinaten. Kurze Zeit später ergab sich dann aber bereits neuer Handlungsbedarf: Neuplanungen der Ausstellungsabfolgen und Budgets standen ebenso an wie digitale Wortmeldungen zur Sammlung per Video und Telefon. Einerseits also der Versuch, mit Disziplin und Pragmatismus diese noch nie erlebte Situation zu bewältigen, andererseits Schübe unendlicher Traurigkeit im Bewusstsein eines globalen game over.  

Seit dem 6. Mai haben Sie wieder geöffnet. Vor welche Herausforderungen hat Sie die Wiedereröffnung gestellt?

Grundsätzlich hat uns die Möglichkeit zur Wiedereröffnung sehr gefreut, denn ein Museum ohne Publikum ist doch eine beunruhigende Einrichtung: wie ein Sender ohne Empfänger und ohne Echo. Selbstredend sind auch wir noch an die üblichen Auflagen der Abstandsregeln, des Mundschutzes, der Desinfektionsspender usw. gebunden, aber diese Regeln werden vom Publikum angenommen. Die eigentliche Herausforderung besteht eher darin, trotz des nach wie vor geltenden Gebots der sozialen Distanz Angebote wie Führungen und Begegnungen in kleiner Runde umzusetzen, um das grundsätzliche Interesse am Museum wieder zu stimulieren und das Haus insgesamt wieder „hochzufahren“.

Das Museum Kurhaus Kleve liegt nur gut 10 km von der niederländischen Grenze entfernt. Vor der Pandemie kamen mehr als ein Drittel Ihrer Besucher aus dem Nachbarland. Wie ist die Situation jetzt?

Da die Grenze zu den Niederlanden glücklicherweise nie wirklich geschlossen war, gibt es auch jetzt wieder umtriebige Kulturnomaden, die mit Neugier und Entdeckerlust zu uns kommen. Aber leider noch zu wenige, weil sich die Wiedereröffnung wohl noch nicht allseits herumgesprochen hat. Wenn aber diejenigen, die da waren, von ihren Eindrücken, insbesondere ihrer Rezeption des Films „Purple“ von John Akomfrah berichten, sollte es nicht lange dauern, dass viele Menschen diese Arbeit von allerhöchster Aktualität sehen wollen, egal, ob sie aus Amsterdam oder aus Düsseldorf kommen.

Gerade den großen Häusern mit ihren besucherstarken Ausstellungen hat die Coronakrise sehr geschadet. Wie ergeht es Ihnen als einem eher kleinen Museum?

Nun, so klein ist das Haus gar nicht… Es verfügt ja auch über eine hochrangige Sammlung, die sich von Meisterwerken spätgotischer Skulptur über die singulären Bestände von Ewald Mataré und das Frühwerk von Joseph Beuys bis hin zu signifikanten Arbeiten der Gegenwartskunst spannt, also ein vielstimmiges Gespräch über Zeiten, Räume und künstlerische Haltungen ermöglicht. Allein deshalb lohnt jeder Besuch, und wenn das nicht möglich ist, ist das für unser Haus genauso schädlich wie (ganz hoch gegriffen) etwa für den Louvre, natürlich immer im Verhältnis zu den gänzlich unterschiedlichen Dimensionen.

Ihr Ausstellungsprogramm vor der Krise war sehr international geprägt. Wie vernetzen Sie sich in Zeiten (noch) geschlossener Grenzen?

Wir verstehen uns als Museum mit internationaler Ausrichtung und regionaler Anbindung. Diese beiden Aspekte sind wichtig und müssen miteinander kommunizieren, und daran wird hoffentlich auch keine Pandemie etwas ändern. Die sichtende Informationsgewinnung ist durch die digitalen Medien ja jederzeit möglich, wird aber die wirklichen Begegnungen in Ateliers, bei Biennalen, Messen und Ausstellungen niemals ersetzen können. Deshalb wünsche ich mir natürlich sehnlich die Aufhebung aller Reisebeschränkungen, aber wann dafür der richtige zu verantwortende Zeitpunkt ist, kann ich beim besten Willen nicht sagen.

Im kommenden Jahr wollen die Museen am Niederrhein den 100. Geburtstag von Joseph Beuys mit einem großen Ausstellungsreigen feiern. Was wird nun aus diesen Plänen? 

Wir hoffen sehr, dass dieses großangelegte Projekt wie geplant stattfinden wird. Das Museum Kurhaus Kleve wird sich daran mit der Ausstellung „Intuition. Dimensionen des Frühwerks“ beteiligen.    

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