Ausstellungen

Daheim in der Fremde

Dresden will 2025 Kulturhauptstadt Europas werden. Ein Ausstellungslabor im Hygiene-Museum läutet die Bewerbung ein – dafür hat der indonesische Künstler Hahan tolle Pläne

Von Lisa Zeitz
16.09.2019

Wie eine Pilgerreise schien ihm der Ausflug nach Maxen im Müglitztal, sagt Hahan, der mit vollem Namen Uji Hahan Handoko Eko Saputro heißt. Im Frühling erkundete er dank einer Initiative des Kulturhauptstadtbüros Dresden 2025 während eines zweiwöchigen Stipendiums die Stadt und das Umland. Der Gartenpavillon in Maxen, errichtet 1848, erinnert an die Freundschaft eines preußischen Majors mit dem – wie Hahan – aus Java stammenden Künstler Raden Saleh, der heute als Begründer der modernen indonesischen Malerei verehrt wird. Als erster asiatischer Künstler machte er eine Ausbildung in den Niederlanden und dann, mit ganz eigener Ausprägung der Romantik, Karriere in Dresden.

Auf den Spuren von Raden Saleh

„Ich betrachte die Stadt durch Raden Saleh. Hier fand er, wie übrigens auch Caspar David Friedrich, eine neue Heimat“, erklärt Hahan in fließendem Englisch mit sympathischer indonesischer Färbung. „So wie der eine hier die Ostsee vermisste, sehnte sich der andere nach Java.“ Diese Sehnsucht floss in Raden Salehs exotische Motive ein, in die fantasievollen Löwenjagden und wilden Tierkämpfe, die das deutsche Publikum damals begeisterten. Wenn seine Gemälde heute in Europa auf Auktionen auftauchen, geben reiche Sammler aus Indonesien immer wieder Millionenbeträge dafür aus.

Ganz so weit ist der 36-jährige Hahan noch nicht, auch wenn er weltweit in Ausstellungen zu sehen ist – im Sommer etwa in der Nationalgalerie von Australien. Wie das Künstlerkollektiv Ruangrupa, das die nächste Documenta in Kassel bespielen wird, ist Hahan Teil der jungen indonesischen Kunstszene, die in der javanischen Universitätsstadt Yogyakarta aufblüht. Dort ist Michael Schindhelm, der Kurator für Dresdens Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2025, auf ihn aufmerksam geworden und hat ihn für das Projekt an die Elbe geholt.

Dresden macht sich bereit für die Kulturhauptstadt

Hahans Kunst bedient sich verschiedenster Medien von poppiger Malerei und Skulptur bis zu partizipatorischer Performance. Was also erwartet uns ab Mitte Oktober im Deutschen Hygiene-Museum? „Wir stellen die verschiedenen Programmfelder vor, die Dresden entwickeln würde, wenn die Stadt den Titel bekäme“, so Schindhelm. „Unsere Museumsaktivitäten bieten einen ersten Vorgeschmack auf ‚Neue Heimat‘ in Dresden.“

Hahan verbindet die Geschichte mit der Gegenwart

Eine „spekulative Geschichte Raden Salehs“ nennt Hahan sein Projekt, das sich mit den Mechanismen des Kunstmarkts beschäftigt und nicht nur Malerei sein wird, sondern auch in Performances münden soll. Er sieht den Romantiker geradezu als Modell des Überlebens als Künstler: Von einem aristokratischen Hof zum nächsten gereicht, fand er durch das Malen von Porträts ein Auskommen. Auf seinem Handy zeigt Hahan eine handschriftliche Rechnung aus dem Jahr 1879, als der alte Herr Raden Saleh noch einmal von Java nach Dresden zurückkehrte. Wir können nur wenige Wörter der alten Schreibschrift entziffern, darunter Kaffee und Bier, Essig, Zimt und Zitronen. Auch diese Speise- und Getränkeliste könnte eine Inspiration für Hahans Vorhaben sein.

In seinem Atelier in Yogyakarta bemalt er im Sommer eine 2,6 mal 7,5 Meter große Leinwand, die im Lauf der Ausstellung in Stücke geschnitten wird, um damit Ende November unter dem Titel „Neue Heimat ­Exchange“ eine Tausch-Auktion zu veranstalten. Schindhelm will damit das Dresdner Publikum animieren, sich vorzustellen, was der zeitgenössische Künstler zum Überleben braucht. „Dabei kann es sich um Nahrungsmittel, Arbeitsgegenstände oder Objekte des alltäglichen Lebens handeln“, sagt er. „Es entsteht eine spontane Ausstellung zum Thema ‚Alltag des Künstlers‘, kuratiert von den Besuchern.“ Anschließend wird eine Jury entscheiden, wie groß das Stück Malerei sein wird, das der Bieter damit erwirbt. Die kleinsten Fetzen sind nur zehn mal zehn Zentimeter groß. „Die Leute nehmen Stücke des Bildes mit“, sagt Hahan, „und in einem anderen Zusammenhang werden sie eine andere Bedeutung haben.“ Zum Schluss könnte er sich noch vorstellen, dass aus den mitgebrachten Lebensmitteln ein Festmahl für alle Beteiligten gekocht wird – „Community Building“ auf Dresdnerisch.

Service

Dieser Beitrag erschien in

WELTKUNST Nr. 159/2019

Showroom „Neue Heimat Dresden 2025“ 11. Oktober bis 15. Dezember, Deutsches Hygiene-Museum Dresden

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