Kunstwissen

Meissens neue Meister

Zu Besuch bei Maria Walther und Maximilian Hagstotz im Atelier von Meissen

Von Simone Sondermann
15.07.2019

„Meine Handschrift muss sich erst noch entwickeln. Maria ist schon viel weiter.“ Maximilian Hagstotz spricht voller Respekt über seine fünf Jahre ältere Kollegin, mit der er sich das Atelier teilt. Dabei hat er mit seinen 26 Jahren schon eine Menge vorzuweisen. Nach der Realschule bewarb er sich bei Meissen und durchlief dort zunächst die mehrjährige Ausbildung zum Porzellanmaler – als einer von wenigen Männern unter vielen angehenden Malerinnen. Als er danach in die Meisterklasse von Jörg Danielczyk aufgenommen wurde, war klar, dass sein Weg in der Porzellanmanufaktur ein außergewöhnlicher wird. Dass er keine Teller oder Vasen bemalen, sondern Figuren schaffen würde. In den viereinhalb Jahren intensiven Studiums bei Meissens Chefplastiker hat er die Kunst der dreidimensionalen Darstellung von der Pike auf gelernt: vom Zeichnen und Modellieren übers Vergrößern und Verkleinern, die Grundlagen des Formenbaus und Brands bis hin zum fertigen Produkt.

Traditionen weiterentwickeln

Als für Hagstotz die Zeit des Lernens vorbei war, schlug Meissen ein neues Kapitel in seiner fast 300-jährigen Geschichte auf. Unter der Leitung des Designerduos Otto Drögsler und Jörg Ehrlich wurde eine Entwicklungsabteilung gegründet, zu der auch drei junge Plastiker gehörten: Judith Lehnert, die gerade aus ihrer Elternzeit zurückkehrt, Maria Walther und Maximilian Hagstotz. Ihre Aufgabe: die Erschaffung von Meissen-Figuren für das 21. Jahrhundert.

Maximilian Hagstotz, Foto: Andrea Grambow & Joscha Kirchknopf
Maximilian Hagstotz, Foto: Andrea Grambow & Joscha Kirchknopf

„Ich probiere im Moment viel aus“, erzählt Hagstotz. Er sei nach wie vor sehr von Meissens traditioneller Formensprache fasziniert, das Filigrane und Naturalistische interessiere ihn mehr als die Abstraktion. Dabei kann gern auch mal etwas Verrücktes herauskommen, wie „eine Hand, die in einem Elefantenrüssel endet“. Nicht alles muss in die Produktion gehen. Seine Serie „Big Five“ aber ist im Meissen-Shop erhältlich: Fünf klassische Tierfiguren, die durch ein afrikanisch anmutendes geometrisches Dekor ein zeitgenössisches Gesicht erhielten.

Maria Walthers Weg zum Porzellan

Maria Walthers Entwürfe entfernen sich noch stärker vom traditionellen Meissen-Repertoire. Vor der Meisterklasse hatte sie in Selb eine Ausbildung zur Produktdesignerin gemacht, die sehr „automobillastig“ gewesen sei. „Porzellan stand für mich nicht im Fokus, ich verband damit etwas Altes, Angestaubtes“, erzählt die 31-Jährige. Die Begegnung mit dem charismatischen Lehrer Danielczyk weckte in ihr die Leidenschaft für den Werkstoff. Sie habe durch ihn noch einmal „neu sehen gelernt“. Die Figuren, die sie heute für Meissen entwickelt, sind oftmals abstrahiert und bedürfen eines genaueren Blicks, wie etwa ihre Frauenskulptur „Geo“ mit ihrer dynamischen und sehr reduzierten Sprache.

Ein Schrank mit Studien im Gemeinschaftsatelier von Maria Walther und Maximilian Hagstotz, Foto: Andrea Grambow & Joscha Kirchknopf
Ein Schrank mit Studien im Gemeinschaftsatelier von Maria Walther und Maximilian Hagstotz, Foto: Andrea Grambow & Joscha Kirchknopf

„Ich mag die Abwechslung“, sagt sie. „Für das glänzende Porzellan spiele ich gern mit geometrischen Formen. Für Tierdarstellungen bevorzuge ich hingegen Böttgersteinzeug, das hat etwas Erdiges und Lebendiges.“ Ihre Neuinterpretation des japanischen Mythos von den „Drei Affen“, die nichts sehen, nichts hören und nichts sagen, im tiefen Sattbraun des Steinzeugs ist ein Höhepunkt ihres bisherigen Schaffens. Auch beim Modellieren ist sie experimentierfreudig. Traditionell erfolgt diese Arbeit in Ton, manchmal in Gips, aber Maria Walther probiert es seit Kurzem auch mit Clay, einer Art Wachs, das den Vorteil hat, nicht so schnell zu trocknen.

Maria Walther in ihrem Atelier, Foto: Andrea Grambow & Joscha Kirchknopf
Maria Walther in ihrem Atelier, Foto: Andrea Grambow & Joscha Kirchknopf

Die Aufträge kommen von den Kreativdirektoren im Haus, aber auch von Privatleuten und Institutionen. Für eine Schule in Japan sollte sie mal eine Figur der britischen Reformerin Florence Nightingale entwerfen. Zwei Monate hat diese Arbeit gedauert. „In Ton geformt, war die Statue fast so groß wie ich“, erinnert sie sich stolz. Als sie sie schließlich in Porzellan gesehen habe, war sie ein bisschen enttäuscht: Durch den Brand ist das Stück wie üblich um ein Sechstel geschrumpft.

Service

Dieser Beitrag erschien in

WELTKUNST Nr. 159/2019

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