München

Kunsthandel Röbbig: Zahlungsunfähig

Gegen den Inhaber der renommierten Münchner Porzellanhandlung Röbbig ist ein vorläufiges Insolvenzerfahren eingeleitet. Wird dieses nach Galerie Thomas der zweite schwerwiegende Gerichtsfall im deutschen Kunsthandel?

Von Sabine Spindler
20.06.2025

Auf der TEFAF im März dieses Jahres hat der Porzellanspezialist Röbbig aus München mit Spitzenstücken aus Meissen aufgetrumpft wie immer. Doch am 10. Juni 2025 hat das Amtsgericht München bekanntgegeben, dass gegen den Inhaber der weltweit agierenden Porzellanhandlung, Alfredo Reyes, ein vorläufiges Insolvenzverfahren eingeleitet ist. Dass der 74-Jährige nicht erst in den letzten drei Monaten Zahlungsschwierigkeiten hatte, war in der Kunstmarkt-Branche bekannt. Jetzt kümmert sich laut Gerichtsbeschluss, der dem Weltkunst Insider vorliegt, ein von diesem beauftragter Insolvenzverwalter aus einer Münchner Rechtsanwaltskanzlei um das Schuldnervermögen. Bemerkenswert ist, dass dort als Bevollmächtigte für das Verfahren eine Mitarbeiterin der Firma Röbbig e. K. aufgeführt ist. Denn Alfredo Reyes selbst scheint sich aus der Schusslinie gebracht zu haben. Anrufe des Weltkunst Insiders und SMS-Anfragen mit der Bitte um Stellungnahme ließ er unbeantwortet.

Wer die Gläubiger sind und welchen Umfang die Schulden haben, ist bislang nicht bekannt gegeben worden. Es dürften einige sein und es wird nicht nur um fünfstellige Beträge gehen. Neben dem Insolvenzverfahren liegt auch eine Strafanzeige vor. Auf eine Anfrage vom Weltkunst Insider hin teilte die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft München, Oberstaatsanwältin Anne Leiding, Anfang Juni mit, „dass wir aufgrund einer Strafanzeige eines möglichen Geschädigten ein Ermittlungsverfahren in dieser Sache wegen des Tatverdachts des Betruges und der Untreue führen.“ Das klingt nicht nach einem Privatkläger. Nach der Galerie Thomas wäre der Kunsthandel Röbbig ein weiterer Fall, in dem Marktveränderungen und Missmanagement die Justiz auf den Plan rufen.

Alfredo Reyes hatte bemerkenswerte kunsthändlerische Ambitionen und Vision. Er wollte als Händler das Bewusstsein für Kunst und Kultur des Rokoko wiederbeleben. Zu seinem Angebot gehörten auch Gemälde und hochwertige Louis-XV-Möbel. Erst 2019 ließ er im neobarocken Carolinen-Palais in Münchens teurer Brienner Straße von dem Mailänder Opern-Bühnenbildner Massimo Pizzi Gasparon 220 Quadratmeter zu einer Bel Etage des galanten Geschmacks umbauen. Zu seinen Kunden zählten bedeutende Porzellansammler aus Europa, Asien und Übersee. Unter anderem auch Amyn Aga Khan, Bruder des kürzlich verstorbenen Familienoberhaupts. Der Einfluss von Amyn Aga Khan ermöglichte es ihm wohl, im Schloss Chantilly nahe Paris eine große Ausstellung zum Meissner Porzellan des 18. Jahrhundert zu organisieren. Zu allen wichtigen Expositionen publizierte Reyes aufwendige, wissenschaftlich fundierte Kataloge. In einem Gespräch mit der Autorin über die hohen Marketing-Investitionen sagte er vor sechs Jahren: „Ich bin überzeugt, dass das Interesse für diese Epoche gerade wieder wächst und übernehme gerne die Last der Passion.“

Die Last der Finanzierung jedoch ist ihm dabei nicht erst im letzten Vierteljahr zwischen TEFAF-Auftritt und Einleitung des vorläufigen Insolvenzverfahrens aus dem Blick geraten. Als einer der weltweit führenden Händler für frühes Meissner Porzellan, der auf bedeutenden Kunst-Messen mit prachtvollen Ständen beeindruckte, hatte er in vielen Auktionshäusern und bei Kommissionären Kredit. Wie Recherchen des Weltkunst Insiders ergaben, kam es jedoch schon vor der Bekanntmachung der Zahlungsunfähigkeit per Amt zu juristischen Verfügungen. In einem Münchner Auktionshaus landete im Frühjahr eine Augustus-Rex-Vase, die Reyes Monate zuvor bei einem Kölner Auktionshaus für über 100.000 Euro ersteigert hatte, aber nie bezahlte, wie der rheinische Geschäftsführer per E-Mail bestätigte. Im Auftrag eines Gläubigers von Alfredo Reyes hatte ein Gerichtsvollzieher das Porzellan beschlagnahmt und in München zur Versteigerung gebracht. Es wurde zurückgestellt, da Röbbig zwar Besitzer, aber nicht Eigentümer der Vase war. Beim Münchner Versteigerer meldeten sich nach Aussagen von dessen Geschäftsführung ebenfalls im Mai zwei weitere Rechtsanwälte, die für ihre Mandanten Ware aus dem Röbbig-Bestand geprüft wissen wollten und zurückstellen ließen.

Das vorläufige Ende der Firma Röbbig hinterlässt eine unübersichtliche, ungeordnete Situation, die zweifelsohne im Handel noch weitere Kreise ziehen wird. Eines ist schon jetzt klar: Für den Kunsthandel und den Porzellanmarkt entsteht mehr als ein Imageschaden, wenn einer der engagiertesten Händler, der als Mitbieter auf Auktionen die Konkurrenz und die Gebote befeuerte, nicht weiter in Aktion tritt. Die Meissen-Preise werden fallen.

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