Fotografiemesse

8 Highlights der Paris Photo

Die Paris Photo ist die wichtigste Messe für zeitgenössische Fotografie. Im Grand Palais Éphemère zeigt sie in diesem Jahr neben klassischen Vintage-Prints auch immer mehr mit KI generierte Werke

Von Christiane Meixner
07.11.2023

Wer sich für Fotografie interessiert, der kommt an der Paris Photo nicht vorbei. Sie ist die wichtigste jährliche Kunstmesse für das Medium und zeigt allein in diesem Herbst an über 170 Ständen, was die Museen und den Markt bewegt – vom Vintage bis zur jüngsten digitalen Kunst. Da kommt im Grand Palais Éphemère einiges zusammen, was angeschaut werden will. Wir zeigen Ihnen acht fotografische Positionen, bei denen sich das unbedingt lohnt.

Timm Rautert bei Parotta Contemporary Art

Von Timm Rautert haben unzählige Studenten gelernt, was Fotografie interessant macht. Ricarda Roggan, Sebastian Stumpf oder Tobias Zielony: Sie alle sind heute erfolgreich und waren in einer der Klassen an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, wo Rautert bis 2008 als Professor unterrichtete. Er selbst studierte bei Otto Steiner, die originale Farbfotografie von 1967 bei Parotta Contemporary Art stammt aus jener Zeit. Sie zeigt, was Rautert vom Begründer der Subjektiven Fotografie gelernt hat: Eine objektive Wiedergabe durch die Kamera gibt es nicht. Besser, man findet sich damit ab. Verfremdet sieht die Wirklichkeit ohnehin viel besser aus.

Timm Rautert Paris Photo
Timm Rautert, „Ohne Titel“ Vintage Print, 1967. © Parotta Contemporary Art

Louisa Clement bei Kunst & Denker

Furore machte die Künstlerin mit einem lebensgroßen KI-Avatar nach ihrem Vorbild, der viel in Museen gezeigt wurde, aber nicht immer funktioniert. Garantiert spannend sind hingegen Louisa Clements digitale Bilder, die den Unterschied zwischen Humanem und Künstlichem aufzuheben scheinen. Ein Bild wie „Hands are tired 1“ am Stand der Düsseldorfer Galerie Kunst & Denker ist beispielhaft für ihre Strategie: Clement, Jahrgang 1987, verwendet Fragmente des Alltags und bearbeitet sie, bis die Grenzen zwischen Fotografie und Malerei verschwinden. Ihr Interesse gilt Lebensbedingungen im 21. Jahrhundert, dafür nutzt sie jede verfügbare Technik – und gewann dieses Jahr den Kunstpreis des Bonner Kunstmuseums.

Louisa Clement Paris Photo
Louisa Clement, “Hands are tired 1”, Inkjetprint. © Kunst & Denker

Irving Penn bei Pace Gallery

Früher gab es mehr historische Fotografie auf der Paris Photo. Ein Porträt von Irving Penn, klassisch schwarz-weiß und ganz auf das Motiv fokussiert, erinnert an die Hochzeiten der Modefotografie und eines ihrer Pioniere, der ab den 1950er-Jahren stilbildend wirkte. Wobei: Schon Penn war Avantgarde in seinem Metier, pure Schönheit interessierte ihn immer weniger. Er baute Brüche ein, für die sowohl die raue Mauer im Hintergrund als auch das Fluide seines rauchenden Models stehen, dessen Geschlecht diffus bleibt. In jedem Fall beeindruckt das köperhafte Porträt allein schon wegen seiner Präsenz.

Irving Penn Paris Photo
Irving Penn, „Woman on the Beach, Smoking, Long Island”. © Pace Gallery

Damjanski bei Office Impart

Der junge jugoslawische Künstler Damjanski geht konsequent in der digitalen Welt auf und arbeitet im Browser. Sein Interesse gilt Themen wie Macht, Partizipation etwa in kulturellen Institutionen – und der Frage, wie sich Apps für die Kunst nutzen lassen. Vor drei Jahren entwickelte Damjanski mit „Computer Goggles“ eine App, durch die man die Welt aus der Sicht einer Maschine betrachtet. Ein Bild wie „Nightswinning“ mag wie zeitgenössische Pop Art der abstrakten Fraktion wirken. Tatsächlich basiert seine Ästhetik wie alles, was den in New York lebenden Künstler beschäftigt, auf reinem Algorithmus.

Damjanski Paris Photo
Damjanski, „Nightswinning“, 2023, Print. © Office Impart

 Omar Victor Diop & Lee Shulman bei Magnin-A

Die fotografische Serie „Beeing there“ fußt auf einem Buch, dass die beiden Künstler herausgegeben haben. Darin finden sich anonyme Familienfotos aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren, die vom Feiern und Alltag erzählen. Natürlich nur der privilegierten Mittelklassefamilien. Tatsächlich stammen sie aus einer Zeit stammen der Rassentrennung, in der Amerika einem Teil seiner Bürger grundlegende Rechte vorenthielt. Omar Victor Diop verändert die Realität, indem er sich mithilfe geschickter Montage in jedes der Bilder schleicht. Er war nicht eingeladen, stellt aber nun Fragen nach der Repräsentation in jener Zeit, die bis heute wirkt.

Omar Victor Diop & Lee Shulman Paris Photo
Omar Victor Diop & Lee Shulman, „Beeing there 42“, Inkjet-Print, zu sehen am Stand von Magnin-A. © Magnin-A

Kevin Abosch bei Nagel Draxler

Der irische Konzeptkünstler fotografiert nicht nur, er ist auch als Bildhauer und Filmemacher aktiv. KI und Blockchain spielen eine große Rolle in seinem Werk, und immer geht es um die Frage, welchen Wert Dinge haben respektive nach welchen Kriterien ihr Wert bemessen wird. Bekannt ist die Serie „Pricelesse“, eine Kooperation mit dem Künstler Ai Weiwei, für die beide gemeinsam verbrachte Zeit als Tokens in der Blockchain hinterlegten, um eigentlich Unbezahlbares käuflich zu machen – womit der 1969 Geborene durchaus auch die Grenzen der Kunst austestet. Die Fotografie „Somewhere in Los Angeles“ wirkt da fast schon konventionell, aber natürlich hat auch ein Basketballfeld in einer turbokapitalistischen Metropole politische Implikationen.

Kevin Abosch Paris Photo
Kevin Abosch, „Somewhere in Los Angeles: Basekt”, 2023, Fine Art Print. © Nagel Draxler

Stephanie Syjuco bei Ryan Lee Gallery

Die Künstlerin Stephanie Syjuco hat in den Archiven von St. Louis, Missouri, recherchiert und historische Fotografien von der Weltausstellung 1904 entdeckt, auf denen Einwohner der Philippinen zu sehen sind. Über 1200 von ihnen wurden infolge kolonialer Eroberungen in die USA gebracht und zur Schau gestellt, sie sollten Tänze und Rituale vorführen. In ihrer Serie „Block Out the Sun” nutzt Syjuco ihre Hände, um die Gesichter jener Menschen zu bedecken. Damit interveniert sie mit dem eigenen Körper gegen die Ausbeutung, die mittels der Fotografien bis heute stattfindet. Die Geste ist simpel, dennoch bewahrt sie die Porträtierten davor, weiterhin angestarrt zu werden, obwohl sie nie ihr Einverständnis für die Aufnahmen gegeben haben.

Stephanie Syjuco Paris Photo
Stephanie Syjuco, „Block Out the Sun”, 2019. © Ryan Lee Gallery

Roger Humbert bei Photo Edition Berlin

Noch ein Klassiker! Der Schweizer war ein Pionier der Konkreten Fotografie, in seiner Dunkelkammer experimentierte er ab den 1950er-Jahren mit diversen Lichtquellen und Schablonen, für die diffuse Qualität der Motive sorgte die Verwendung von Silbergelatine auf Barytpapier. Form und Struktur in der strengen Tradition des Bauhauses waren Humberts Themen, bevor er 2005 seine Erfahrungen in die digitale Fotografie überführte. Sein unikates Bild ohne Titel aus dem Jahr 1968 steht für die frühe Phase des Foto-Künstlers, der im vergangenen Jahr verstarb.

Roger Humbert Paris Photo
Roger Humbert, „Untitled (Photogram)“, 1968. © Photo Edition Berlin

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