Rebecca Horn

„Die Neuerscheinung“

Die Galerie Thomas Schulte feiert die Großmeisterin Rebecca Horn zum Berliner Gallery Weekend mit einer Soloschau. Neben zwei großen Installationen ist auch die kinetische Wandarbeit „Die Neuerscheinung“ zu sehen

Von Christiane Meixner
12.04.2021
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 184

Geigen, Federn, Schmetterlingsflügel: Der Blick auf die Materialien von Rebecca Horn legt ein Werk voll Poesie nahe. Eines, das sich den sanften Tönen und ein bisschen auch dem Sentimentalen verschrieben hat. Spazierte die Künstlerin nicht 1970 als „Einhorn“ durch die Gegend und nahm den Hype um das mythische Tier um Jahrzehnte vorweg? Wer sich eine Fotografie von damals anschaut, sieht die Künstlerin dann allerdings mit einem Stachel auf dem Kopf performen, der brutal in die Luft sticht.

Sanft sind bei ihr höchstens die Zutaten, das Werk weckt bewusst gemischte Gefühle. Bei Horn spielen mechanische Apparaturen Instrumente oder schreiben mit Tinte und imitieren so die menschliche Kreativität. Es geht, wie 2018 in der raffinierten Spiegelarbeit „Glowing Core“ für die Berliner St. Hedwigs-Kathedrale, um den Blick ins Unendliche, der einem den Boden unter den Füßen wegzieht. Bewegung ist ebenfalls ein Thema seit den späten Sechzigerjahren. Zuerst tastete sich die 1944 im Odenwald geborene Künstlerin mit selbst gebauten „Arm-Extensions“ durch den Raum oder hüllte sich als „Paradieswitwe“ in ein metallisches Federkostüm. Später kamen die Körpermaschinen, die zuletzt groß in ­Basel und Metz ausgestellt wurden. Und schaut einen nicht auch „Die Neuerscheinung“, eine kinetische Wandarbeit von 2019, unverwandt mit ihren sanft rotierenden, geschliffenen Glasaugen an?

„Die Neuerscheinung“ hängt in der Galerie Thomas Schulte. Sie feiert Horn zum Gallery Weekend Berlin mit einer Soloschau. Das Datum ist perfekt: Vor genau dreißig Jahren eröffnete die Galerie ebenfalls mit ­einer Ausstellung der Künstlerin, die nach zahlreichen Auszeichnungen und einem längeren Aufenthalt in New York 1989 als Professorin an der Berliner Universität der Künste begonnen hatte. Schulte huldigt ihr nun mit zwei monumentalen Installationen. „Die Neuerscheinung“ wirkt dagegen klein, ist aber für ihn dennoch ein Highlight, weil sie bei aller Reduziertheit wunderbar präzise existenzielle Widersprüche versinnbildlicht. Es geht um die Schönheit und Monotonie einer wiederkehrenden Bewegung genau wie um das Sehen bei gleichzeitigem Unvermögen zur Erkenntnis, wofür die kalten, letztlich toten Augen des Fernglases stehen.

Dieser Widerspruch war schon Thema beim „Chor der Heuschrecken“  – jener Arbeit aus alten Schreibmaschinen und einem Blindenstock, die die Galerie Franck & Schulte zur Premiere zeigte. Das Programm speiste sich aus den Favoriten beider Galeristen: Rebecca Horn, Nam June Paik, Sol LeWitt. Als Franck 2001 nach London zog, übernahm Thomas Schulte die Berliner Räume, aber nicht alle Künstler. Geschätzt habe er Horn sehr, erzählt er, doch sei sie bald exklusiv bei Marian Goodman in New York unter Vertrag gewesen. Kontakt habe es immer gegeben, genau wie Schultes Interesse an einer Wiederbelebung der Zusammenarbeit. Diese besiegelt nun die erste Präsentation nach zwei Jahrzehnten, die Horns zentrale Stellung für die Kunst der Gegenwart unmittelbar einsichtig macht.

Service

AUSSTELLUNG

Soloschau: Rebecca Horn 

Galerie Thomas Schulte, Berlin

Vom 28. April bis 26. Juni 2021

galeriethomasschulte.de

GALLERY WEEKEND

Das 17. Gallery Weekend findet zum traditionellen Frühjahrstermin, am Wochenende vom 30. April bis 2. Mai 2021 statt. Je nach aktuellen Pandemieauflagen mit Publikum oder ausschließlich digital.

gallery-weekend-berlin.de

Zur Startseite