Berlin Art Week

Neustart der Kunstmessen

Die Berlin Art Week bildet auch in schwierigen Zeiten eine Plattform für den Kunsthandel. Mit der Positions, der Paper Positions und der Photo Basel zeigen ab heute gleich drei Messen, was mehr als 130 Galerien aktuell anbieten

Von Christiane Meixner
10.09.2020
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 175

Ohne den Rückhalt der Szene würde es die Berliner Positions wie so viele andere Messen dieses Jahr wohl nicht geben. Von Paris über London bis Hongkong wurde aus Angst vor der Corona-Pandemie seit März nahezu alles abgesagt, was Kunst und Publikum auf engem Raum zusammenbringt. Eine Messe mit rund 130 Galerien und Tausenden von Besuchern – das scheint auch jetzt noch auf den ersten Blick kaum realisierbar.

Kristian Jarmuschek und Heinrich Carstens, die Direktoren der Positions, haben es für die diesjährige Art Week dennoch gewagt. Und allein schon die Zahl der Bewerber dürfte die beiden bestätigt haben: Über 300 Galerien wären gern dabei gewesen, wenn die Messe in den Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof am heutigen Donnerstag ihre Türen öffnet. 130 Teilnehmer sind es nun – und es ist, trotz oder vielleicht auch wegen der aktuellen Covid-19-Einschränkungen, eine großartige Veranstaltung geworden.

Stephen Wilks Esel
Der Esel ist ein wichtiges Motiv im Werk des britischen Künstlers Stephen Wilks, das die Galerie Hilgemann Art auf der Positions zeigt. © Courtesy of Hilgemann Art & the artist

Es gibt größere Stände und mehr Auswahl, weil mit der vom Frühjahr auf die Berlin Art Week verschobenen Paper Positions eine zweite Messe hinzugekommen ist. Zusätzlich wurde die Photo Basel nach Berlin eingeladen – eine kleine, feine Satellitenmesse, die im Juni für gewöhnlich die Art Basel mit fotografischen Positionen begleitet. Mit dieser Entscheidung erweitert sich das Angebot nicht bloß um etablierte Schweizer wie französische Galerien, sondern auch um die Namen Barbara Klemm, Roger Ballen und Boris Mykhailov. Vor allem aber gibt die Verdoppelung der Fläche, auf der die Positions bislang am selben Ort bislang stattfand, der Kunst jede Menge Raum zum Wirken. Aus den dicht gedrängten Verkaufskojen sind luftige Orte geworden, in denen nun vieles wie eine kuratierte Ausstellung wirkt. Eine Entwicklung, die die Messe auf ein neues Niveau hebt. Ein Glück auf dem Areal sind außerdem die großzügigen Freiflächen, die für Außenskulpturen und für Veranstaltungen unter freiem Himmel genutzt werden können.

Yana Ar Zeichnung Berlin Art Week Paper Positions
Die poetische Zeichnung von Yana Ar von 2019 bringt Almacén aus Tel Aviv zur Paper Positions mit. © Courtesy of Almacén & the artist

Auch den Testlauf namens „Behind  the Scenes“, zu dem am Vorabend der eigentlichen Eröffnung schon einmal knapp hundert Sammlerinnen und Sammler geladen wurden, um sich vorab exklusiv umzuschauen, hat die Positions bereits souverän bewältigt. Und mit sichtbarem Erfolg, der sich in ersten roten Punkten an verkauften Arbeiten zeigt. Die Galerie Thomas Fuchs aus Stuttgart scheint dabei fast überrannt worden zu sein: Sämtliche Gemälde der beiden Künstler Mona Ardeleanu und Yongchul Kim sind bereits verkauft; dazu ein großes Porträt von Rainer Fetting. Doch das Angebot ist auch jenseits solcher jungen, gehypten Talente groß, dafür sorgen Galerien wie Almacén aus Tel Aviv, die Meno Niša Gallery aus Vilnius oder der Münchner Kunsthandel Kunkel Fine Art, der neben Otto Dix und Lotte Laserstein diesmal auch zeitgenössische Modezeichnungen präsentiert. Alexander Ochs Private aus Berlin trumpft mit hintersinnigen Arbeiten von Via Lewandowsky auf, bei Nanna Preußners (Hamburg) demonstriert Angela Glajcar, wie man aus Papier mithilfe tiefer Schnitte Skulpturen entstehen lassen kann. Eiko Borcherding, der vom Kunsthandel Hubertus Hoffschild (Lübeck) vertreten wird, zeichnet altmeisterlich und lässt seine Blätter dennoch wie Notate der Gegenwart aussehen.

Allein 50 Galerien füllen die Wände der Paper Positions, die sich mit Kunst auf und aus Papier befasst. Und auch hier stellt man überrascht einen positiven Trend fest: Unter die treuen Aussteller mischen sich gewichtige Neuzugänge wie Michael Haas (Berlin/Zürich), Thomas Schulte oder die Galerie König, die beide in Berlin ansässig sind.

Lin Zhipeng Porträt Berlin Art Week
Migrant Bird Space zeigt ein eigenwilliges Porträt von Anna Mistal, das Lin Zhipeng gemacht hat. © Lin Zhipeng

Diese neuen Allianzen haben nicht zuletzt mit der Aufgabe des Mitbewerbers, der Art Berlin, zu tun, die bis 2019 im angrenzenden Hangar stattfand. Ein Verlust, der im Vorfeld nur schwer kompensierbar schien: Beide Messen haben in der Vergangenheit voneinander profitiert. Dennoch ist es Jarmuschek und Carstens gelungen, eine hochwertige, attraktive und vielfältige Messe auf die Beine zu stellen. Mit Kunst von Veteranen wie Richard Serra oder Walter Stöhrer (Galerie Nothelfer), Gerhard Altenbourg (Galerie Brusberg) oder Hartmut Böhm (drj art projects). Aber auch mit ungewöhnlichen Positionen, die Blow Up Press (Warschau), der Lübecker Kunsthandel Hoffschild oder die slowenische Galerija Fotografija mit Aufnahmen des 1970 geborenen Künstlers DK mitbringen.

DK Fotografie Berlin Art Week
Auf der Photo Basel/Berlin spürt Fotograf DK in seiner „Emotion“-Serie der Gestalt von Wellen nach. © DK

So rundet sich das Angebot zu einem stimmigen Gesamtbild. Mit Malerei von Franziska Maderthaner, deren monströse, florale Gewächse von der Berliner Galerie Brennecke Fine Art gezeigt werden. Oder jener strengen Lithografie in Schwarz-Weiß, die der amerikanische Bildhauer Richard Serra 1990 schuf und die von der Galerie Nothelfer angeboten wird. Am Stand der White Square Gallery hängt eine Gouache, auf der H. M. Davringhausen 1938 eine hockende Figur verewigte – mehr im Stil eines magischen Realisten denn in der Tradition neusachlicher Malerei der Zwanzigerjahre, für die der gebürtige Aachener ebenfalls stand. Einer fantastischen Zeichnung von Gerhard Altenbourg mit dem ­ Titel „Sommersprösschen, Sommersprösslein“ von 1989 begegnet man bei der Galerie Brusberg. Und Hilgemann Art hat einen Esel aus Stoff von Stephen Wilks dabei, der im Werk des britischen Künstlers immer wieder auftaucht.

Kristian Jarmuschek sieht diesen starken Auftritt dreier Messen für die Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts als „Signal für den Herbst“. Tatsächlich wäre die Berlin Art Week, die auch ins Leben gerufen wurde, um den Kunsthandel der Metropole mit kulturellen Sidekicks zu stärken, ohne jenes Engagement ein Stück ärmer. Mit den beiden Ausgaben der Positions und dem – vielleicht ja nicht einmaligen – Auftritt der Photo Basel bereichert das Programm trotz aller Widrigkeiten den Berliner Kunstherbst um einen wichtigen Part.

Service

Positions, Paper Positions und Photo Basel

Flughafen Tempelhof, Berlin

10. bis 13. September

positions.de und photo-basel.com

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