Kunsthandel

Meisterwerke in Bamberg

Wer bei den Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen auf Entdeckungstour geht, wird mit einem reichhaltigen Streifzug durch die Kunstgeschichte belohnt. Ein Blick in das Angebot der Händler

Von Sabine Spindler
31.07.2020

Der Antiquitätenhandel ist eine paradoxe Welt. Was einst in einem kleinen Provinzstädtchen hergestellt wurde, kann Weltklasse sein. Und was man heute vielleicht nur in Metropolen erwartet, entdeckt man im beschaulichen Bamberg. Wie etwa die »Anbetung der Könige«, die um 1520 ein Meister der sogenannten Antwerpener Manieristen malte und die derzeit zu den beeindruckendsten Exponaten in den Schauräumen des Kunsthandels Senger gehört. Prächtig in Bezug auf die Malerei, fantastisch hinsichtlich der Architektur und detailbesessen, wenn es um Brokatumhänge und ziselierte Schwertscheiden geht, stellt der Maler die biblische Geschichte wie einen prallen Bilderbogen dar. Voll von Anspielungen: Caspar, Melchior und Balthasar verkörpern nicht nur die damals bekannten Erdteile Europa, Asien und Afrika, sie stellen auch drei Lebensstufen von der Jugend bis zum Alter dar.

Fayence-Blüte in Ansbach

Antwerpen war zur Zeit der Entstehung eine Hochburg der Künste. Aber Walter Senger, Firmengründer des inzwischen in zweiter Generation geführten Familienunternehmens, legt Wert darauf, zu zeigen, dass man nicht nur tausend Kilometer weiter westlich von Bamberg Kunstwerke von höchster Qualität hergestellt hat. Um 1720/30 befand sich die Ansbacher Fayencemanufaktur auf dem künstlerischen Höhepunkt. Wie überall in Europa versuchten die Künstler auch in dem kleinen südfränkischen Residenzstädtchen, die Luxuswaren aus China zu kopieren. Wer nie ein asiatisches Original sah, wird die Ansbacher Teller und Vasen im Stil der Kangxi-Porzellane für echt gehalten haben. Eine dieser wenigen erhaltenen Deckelvasen mit dem sogenannten Karpfenteichmotiv steht seit Kurzem hier zwischen barocken Möbeln, silbernen Renaissance-Humpen und dem breiten Angebot an gotischen Skulpturen, für das Senger heute bis in die USA oder auch nach Japan geschätzt wird.

Bamberg Kunst Antiquitäten Senger Kunsthandel
Die »Anbetung der Könige«, Antwerpen um 1520, ist bei Senger zu erwerben. © Senger Kunsthandel

Der Kunsthandel, der seit dem ersten Tefaf-Auftritt 1991 zur Spitze des internationalen Antiquitätenmarkts aufrückte, feiert in diesem Jahr ein doppeltes Jubiläum: sein eigenes 50-jähriges Bestehen sowie 25 Jahre Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen. Verteilt auf drei denkmalgeschützte Häuser in der Altstadt, tut sich bei den Sengers ein Querschnitt durch Europas Bildniskunst, aber auch durch verschiedene Preisklassen auf: Die stark modulierten Falten etwa geben einem aus dem Sachsen des späten 15. Jahrhunderts stammenden Gnadenstuhl – Bildtypus, bei dem Gottvater den gekreuzigte Jesus vor sich hält – Ausdruckskraft. Das Werk ist auf 68 000 Euro angesetzt.

Fast bürgerlich erscheint daneben die im Renaissancestil gekleidete heilige Cäcilia aus einer Antwerpener Werkstatt um 1520. Eine kleine Orgel in ihrer linken Hand verweist auf ihre Rolle als Schutzpatronin der Kirchenmusik (48 000 Euro). Eine anmutige heilige Barbara, Symbol der religiösen Standhaftigkeit, deren Körper von einem faltenreichen Umhang verhüllt ist, ist als Kölner Arbeit aus dem 14. Jahrhundert ausgewiesen. Die Figur bewegt sich bereits im sechsstelligen Bereich

Cranachs Hercules

Gotik und Reformationszeit spielen die Hauptrolle im Repertoire bei Senger. Thomas Herzog, Schwiegersohn des Firmengründers und heutiger Geschäftsführer, sagt es unverblümt: »Lucas Cranach ist für uns selbstverständlich die Krönung im Jubiläumsjahr.« Das Cranach-Digital-Archiv wird das große mythologische Bild »Herkules am Hofe von Omphale« in seine Datenbank aufnehmen. Cranach, der Freund Luthers und Melanchthons, hat das Sujet mehrere Male wiederholt und variiert. Aber schon lange war keine Version auf dem Markt, die mit so großer malerischer Hingabe realisiert wurde.

Bamberg Kunst Antiquitätenwochen Silber Kontor Heiss
Ein Glanzstück im Silber Kontor Heiss: Art-déco-Platte mit Warmhalteglocke des Dänen Holger Rasmussen. © Barthel bamberg

Der Bamberger Kunsthandel bleibt ein Füllhorn des Schönen. Seine Stärke ist das Mäandern zwischen den Jahrhunderten, Stilen und Dingen, die Millionen kosten können, aber auch nur ein paar Hundert Euro. Julia Heiss ist schon lange eine Institution für dänisches Art-déco-Silber. Sie münzte ihre Begeisterung für die reduzierten, formschönen Stücke der 1930er bis 1950er vor Jahrzehnten in ein Geschäftskonzept um. In ihrem Silber Kontor, in dem sie auch englisches Silber und Schmuck anbietet, wird Dänemark zur Hochburg neuer Meister, die die Moderne als elegante Verbindung von Funktionalismus und sanft fließenden Linien interpretieren.

Dänisches Understatement

Aage Weimars glattwandige Terrine in Schiffchenform mit dem planen Deckel, aus dem scheinbar ein gerolltes Blatt herauswächst, ist ein Beispiel für diesen unverwechselbaren Stil. Oder die gravitätische, stromlinienförmige Kanne aus gewichtigem 925er-Silber, die in den Fünfzigern in der ­Silberschmiede von Frantz Hingelberg hergestellt wurde. Zwischen 1000 und 10 000 Euro bewegen sich die Preise für diese Klassiker des modernen Understatements. Julia Heiss’ bestes Stück derzeit: eine ovoide, nach mathematischen Koordinaten perfekt proportionierte Cloche mit dazugehörigem ­Tablett. Diese Tafelzier zum Warmhalten von Speisen datiert Julia Heiss in die Dreißigerjahre, Stempel und Marke verweisen auf die Werkstatt des sehr gefragten Kopenhageners Holger Rasmussen.

Bamberg Kunst Antiquitätenwochen Antiquariat Lorang
Eine Rarität im Antiquariat Lorang: »Naturgeschichte der ausländischen Fische« des Arztes und Naturforschers Marcus Élieser Bloch, 1786. © Barthel Bamberg

Nicht weit entfernt vom Silber Kontor Heiss, unmittelbar vor dem legendären Brückenrathaus, animiert das Antiquariat Lorang zwischen hohen Bücherregalen und vielen Druckgrafiken zum Stöbern und Verweilen. Wer wie Robert Lorang vor allem Bücher und nicht nur Worte liebt, hat einen sicheren Blick für bibliophile Raritäten wie die 1786 erschienene »Naturgeschichte der ausländischen Fische« von Marcus Élieser Bloch. Sie wird für 4800 Euro angeboten. Präzise wissenschaftlich, aber zugleich so ambitioniert wie ein Kunstwerk stellen die 107 handkolorierten Kupferstiche den Plümierschen Goldfisch, den Stachelschwanz oder den Moritzischen Klippfisch dar. Es ist kein Anglerlatein, denn der deutsche Arzt und Naturforscher besaß 1500 Fischpräparate aus den verschiedensten Gewässern der Welt. Was an Büchern fasziniert, ist so unterschiedlich wie ihr Inhalt. Der Satz, die Lettern, das Redigat reizt an der Erstausgabe von René Descartes’ berühmter Polemik, die er 1643 an Gisbert Voetius richtete. Und die Illustrationen von Gertrud Caspari, die für ihre kind­gerechte, aber moderne Bildsprache bekannt war, machen eine mit 180 Euro ausgepreiste Ausgabe ausgewählter grimmscher Märchen von 1921 zum Liebhaberobjekt.

Der Erzengel aus Neapel

In Zeiten wie diesen, in denen ein Virus weltweit die Balance des gesellschaftlichen Lebens ins Wanken bringt, versteht man vielleicht die Verehrung des heiligen Michael als Mythen- und Heldenfigur wieder etwas besser. Der Erzengel bezwang schließlich das Böse, indem er Satan zurück in die Hölle stößt. Fast lebensgroß und mit der Aura metaphysischer Leichtigkeit umgeben, ist ein Michael aus der Zeit um 1700 das Highlight im Kunsthandel Wenzel. Umgeben von barocken Möbeln und Gemälden, inmitten von Porzellanen des 18. Jahrhunderts und liebreizenden Putti schwärmt Matthias Wenzel von seiner Neuerwerbung. Von der anmutigen Gestalt, vom reich dekorierten Brustschild und dem flatternden Waffenrock. Er war sofort überzeugt: »Das ist Neapel.« Recherchen haben nun ergeben, dass die eindringliche Arbeit im Umfeld, wenn nicht gar in der Werkstatt des bedeutenden neapolitanischen Bildhauers Nicolò Fumo entstand. Der Preis beträgt 38 000 Euro.

Bamberg Kunst Antiquitäten Wenzel Kunsthandel
Bei Wenzel schlägt eine expressiv bewegte Skulptur des heiligen Michael in Bann, Neapel um 1700. © Barthel Bamberg, Wenzel Kunsthandel

Wenzel, dessen Vater vor Jahrzehnten mit seinem Geschäft den Grundstein für Bambergs Aufstieg zu Stadt mit der höchsten Antiquitätendichte legte, ist ein Generalist, wie es ihn heute im Kunsthandel kaum noch gibt. Und sein Gespür für das Außergewöhnliche zeigt sich nicht nur in den bizarren Renaissance-Lüsterweibchen, die stets ein Auftrag von höchstem Rang waren, aber mit ihren integrierten Geweihstangen zu schwebenden Mischwesen mutieren. Übrigens, auch Ratsherren wurden in die Sphäre des Fantastischen verbannt, wie das kecke Gamsmännchen aus dem 16. Jahrhundert belegt: ein ländlich geschnitzter Landsknecht, dessen Beine als Schlüssel- oder Garderobenhaken in zwei Gamshörner auslaufen.

Angebot in allen Preislagen

Epochensprünge gehören zum Programm. Das Arrangement einer Kommode aus der Zeit um 1800 vor einer flämischen Tapisserie des 17. Jahrhunderts, eine zart schimmernde, zweifarbige Email-Tischuhr aus der berühmten Petersburger Werkstatt Fabergé, die in der Belle Époque vor dem Ersten Weltkrieg Lieferant der europäischen Aristokratie war, auf einem Louis-seize-Schreibtisch aus seidenmatt poliertem Mahagoni: Der Kunsthandel Franke hält auf charmante Weise und mit Kennerblick seit 30 Jahren an dieser besonderen Art der Eklektik fest. Eine Preziose wie die Goldtabatiere, in deren Deckel ein Mikromosaik mit Hundedarstellung von einem Kranz aus Diamanten umrahmt ist, hat hier ihren Platz neben einem schwedischen Silbersamowar à la Montgolfière, eine Anspielung auf die erste Ballonfahrt von 1783. Die Preise in diesem Schatzhaus reichen von 2000 bis 200 000 Euro.

Bamberg Kunst Antiquitäten Kunsthandel Christian Eduard Franke
Eine prachtvolle Pendule von Brunus Léthier, Paris um 1770, angeboten von Franke. © Christian Eduard Franke Kunsthandel

Was deutsche Möbelkunst des 18. Jahrhunderts bedeutet, das kann Christian Eduard Franke-Landwers an mindestens einer Handvoll grandioser Exemplare erklären. Manchmal zeigen nur Kleinigkeiten die Größe eines Talents. Bei einer Kommode der Gebrüder Spindler, die vor knapp 300 Jahren den Ruf des deutschen Rokoko-Möbels begründeten, ist es die schwungvolle, intarsierte Kartusche aus grün gebeiztem Holz, die Stilsicherheit und handwerkliche Meisterschaft offenbart. Den Namen Spindler merkte sich auch Friedrich der Große. Nach dem Tod seiner Schwester Wilhelmine, Markgräfin von Bayreuth, an deren Hof die Spindler-Brüder in der Anfangszeit tätig waren, berief er sie 1764 nach Preußen. Für die Ausstattung des Neuen Palais brauchte er Könner. Franke ist sich sicher, dass auch sein Exemplar aus der Potsdamer Zeit stammt: »Der Alte Fritz schickte die Brüder erst mal nach Paris, und dann wurde alles aus ihrer Werkstatt sehr elegant und sehr friderizianisch.«

Dresdner Prunksilber

Es ist kein Geheimnis, dass die wertvollsten Sammlerstücke häufig im Umfeld kunstsinniger Fürsten und Könige entstanden. So kommt Franke vom Preußenherrscher Friedrich auf August den Starken und das Augsburger Service aus vergoldetem Silber zu sprechen. 1730 ließ der Dresdner Monarch das zur Hochzeit seines Sohnes geschaffene Ensemble um viele Teile erweitern. Doch sind von diesen Stücken, die kaum mehr an Dekoration aufweisen als das königlich-polnische und kurfürstlich-sächsische Wappen, nur wenige Exemplare geblieben. Zwei der bestechend einfachen, aber handwerklich perfekten Platten und Wärmeglocken, deren barocke Herkunft nur ein facettierter Stulpen für den Griff verrät, kann Franke nun für 165 000 Euro anbieten. Bleibt ein Problem: Ein Tagestrip in die Welterbe-Stadt an der Regnitz reicht kaum aus, um die Schätze des Bamberger Kunsthandels richtig zu genießen.

Hier geht’s zur Kunst

Christian Eduard Franke
Herrenstraße 1

Hauptmann Antiquitäten
Geyerswörthplatz 2

Silber Kontor Heiss
Dominikanerstraße 11

Antiquariat Lorang
Karolinenstraße 1

Kunstauktionshaus Schlosser
Karolinenstraße 11

Senger Kunsthandel
Karolinenstraße 8 und 14

Wenzel Kunsthandel
Karolinenstraße 16

Service

25. Bamberger Kunst- und Antiquitätenwochen

24. Juli bis 24. August 2020

Öffnungszeiten:
Mo bis Fr 10–18 Uhr, Sa 10–16 Uhr
So und Feiertag 13–17 Uhr

In allen Kunsthandlungen werden die derzeit gültigen Abstands- und Hygieneregelungen eingehalten.

Kontakt und Information:
Fiona Freifrau Loeffelholz von Colberg
Tel. 0175 2468806
info@bamberger-antiquitaeten.de
www.bamberger-antiquitäten.de

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