Kunsthandel

Junge Kunst für alle !

Das Abenteuer kann beginnen: Sophia Vonier hat im Frühjahr ihre erste eigene Galerie in Salzburg eröffnet. Mit dem Fokus auf Künstler ihrer Generation will sie eine Lücke füllen

Von Sandra Prechtel
13.08.2019

Sie wusste schon ganz früh, dass sie weg muss. Weg aus Montafon, diesem engen Tal in Vorarlberg mit den steil aufragenden Bergen, die einen umzingeln, fast auf einem draufliegen. Das macht etwas mit den Menschen, die haben die Berge, die Enge im Kopf, sagt Sophia Vonier. Sie machte ihre Matura, das österreichische Abitur, und zog nach Salzburg. „Alle meine Freunde sind zum Studieren nach Wien und Innsbruck gegangen. Ich wollte dahin, wo ich niemanden kenne.“ Das war vor zehn Jahren. Sophia Vonier ist geblieben. Und sie will hier nicht mehr weg.

Neuanfang im Barockpalais

Seit Wochen fühlt sich die 30-Jährige wie die Hauptdarstellerin in ihrem eigenen Film. Anfang des Jahres arbeitete sie noch in einer Galerie. Dann wurde ihr gekündigt. Sechs Wochen später hatte Vonier ihre eigene Galerie. In einem Barockpalais mitten in der Salzburger Altstadt. Die Felsenreitschule um die Ecke, der graue Betonkubus von ­Anselm Kiefer schräg gegenüber, die Fotosammlung des Museums der Moderne nebenan. In ein paar Wochen wird das Festspielpublikum an ihren großen Fenstern vorbeiflanieren. „Hier oder gar nicht, habe ich gedacht. Dann kam die Zusage des Vermieters. Es war fast unheimlich.“

Räume für junge Positionen

In Salzburg gibt es die größte Galeriendichte in Österreich. In den goldenen Achtzigern holte der Galerist Thaddaeus Ropac die Kunst-Weltstars nach Salzburg. Aber die jungen Wilden von damals sind längst eta­bliert. „Ich bewundere Ropac. Aber was in den letzten Jahren gefehlt hat, war eine junge Galerie für junge Kunst.“ Sophia Vonier füllt diese Lücke. Sie eröffnete im April mit „lebt und arbeitet in Salzburg“ – acht Künstler aus der jungen Szene, davon sieben Frauen. „Ich bin Feministin. Aber eine lächelnde, keine mit Ellbogen. Ich fördere Künstlerinnen nicht, indem ich ‚Kunst von Frauen‘ ­ausstelle. Ich will, dass das Geschlecht keine Rolle mehr spielt.“

Aufforderung zum Hinsehen

An den Wänden hängen großformatige Zeichnungen, one line ­drawings von sich küssenden und sich liebenden Paaren, die mit wenigen feinen Strichen Emotionen festhalten, Persönlichkeiten erfassen. Flowsofly ist ein Insta­gram-Star, Tausende lassen sich die Motive tätowieren. Ob sich hinter dem Pseudonym ein Mann oder eine Frau verbirgt, bleibt im Dunkeln. In Sophia Voniers Galerie gibt es keine Schilder mit Titeln, keinen Katalog und keine erklärenden Texte. Aus Prinzip: „Ich will, dass die Menschen sich schockverlieben. Das geht nur über das Sehen, die direkte sinnliche Erfahrung.“ Der besondere Reiz dieser Ausstellung besteht genau darin. Dass man vor Bildern verweilt, durch die man im Netz scrollen oder die man mal kurz anklicken würde. „Ich fordere ein, dass man hinsieht. Das Pinselhaar, das auf der Leinwand klebt. Der Pinselstrich, der Spachtelzug. Die Struktur von Ölfarbe. Alles, was man entdeckt, wenn man in ein Bild hineintaucht und darin versinkt.“

Kunst zum Entdecken und Verlieben

Die Ausstellung, in der sich Sophia ­Vonier das erste Mal in Kunst schockverliebt hat, hat sie sieben Mal gesehen. Erst dann hatte sie das Gefühl zu begreifen, was die provokante Wiener Aktionistengruppe Gelitin mit den Ausstellungsbesuchern anstellt. Vorne am Eingang lehnt an der Wand ein gerahmter Druck der Wiener Secession mit einem geheimnisvollen Palazzo. In jeder Ausstellung gibt es das eine Bild, das aus der Reihe tanzt. Vonier hängt die Werke auch nie in einer Linie und auf derselben Höhe. Es soll immer etwas zu entdecken geben. Für die junge Galeristin sind die Zeiten des cleanen, sterilen White Cube vorbei. Ein Raum, in dem man sich in Kunst verlieben soll, muss Seele haben. Eine Geschichte, wie das barocke Gewölbe mit seinen Nischen und Ecken. Der White Cube, das ist für sie auch das Sinnbild einer elitären, abgehobenen Kunstszene. „Ich will, dass Kunst kein Luxusgut ist. Dass jeder sie sich leisten kann. Ich will, dass junge Leute bei mir ihr erstes Kunstwerk kaufen. Entdecken, was es mit einem Raum macht, was es mit ihnen macht.“

Im Alleingang

Lange hat die junge Vorarlbergerin gezögert, ihren Namen zur Marke zu machen. Sie fand es narzisstisch. Und überhaupt hatte sie Angst, dass sie als Playerin auf dem Kunstmarkt ihre Seele verkaufen würde. Jetzt sitzt sie in ihrem orangeroten Pullover vor der ­Galerie in der Sonne wie ein leuchtender Honigstreifen, der die Ströme von Touristen und Einheimischen in die weit geöffneten Türen ihrer Galerie lockt. Und glüht vor Stolz und Liebe zu dem, was sie tut. „Ich bin meine eigene Chefin, meine Praktikantin, meine Webdesignerin, meine Putzfrau. Und wenn jemand etwas kauft, bringe ich es selbst vorbei. Genau so muss es am Anfang sein.“ Drei Nächte lang hat sie vor der Eröffnung von Flowsofly nicht geschlafen. Was die Kunstwelt dazu sagen würde, dass sie flüchtige Instagram-Drawings als Kunst präsentiert? Aber Salzburg, sagt Vonier, ist viel weniger spießig, als man denkt. Die Berge sind eben weit genug weg. „Die Stadt ist für mich Fluch und Segen. Weil sie so klein ist. Weil mich jetzt schon so viele kennen.“

Salzburg ist eine Todeskrankheit, schreibt Thomas Bernhard in einer seiner Hasstiraden auf die Stadt. Ein „menschenfeindlicher architektonisch-erzbischöflich-stumpfsinnig-nationalsozialistisch-katholischer Todesboden“. Vonier mag Bernhard. Aber sie liebt die Stadt. Wenn es ihr zu hektisch wird mit den vielen Menschen vor der Tür, geht sie einmal über die Gasse und betritt den weißen, bilderlosen Raum der Kollegienkirche. „Denen ist damals das Geld ausgegangen, deshalb gibt es hier keine Bilder.“ Für Sophia Vonier ist die bilderlose Kirche der schönste Ort der Stadt. Der Ort, an dem sie am besten abschalten kann.

Service

Besuch

Galerie Sophia Vonier
Wiener-Philharmoniker-Gasse 3
5020 Salzburg

Dieser Beitrag erschien in

WELTKUNST  – Kunst in Salzburg 2019

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