Diözesanmuseum in Freising

Ein Stück vom Himmel

Eine neue Ausstellung im Diözesanmuseum in Freising beleuchtet die Entwicklung der italienischen Renaissance von religiöser Andacht bis zu weltlicher Selbstdarstellung 

Von Gloria Ehret
07.11.2025

Der Freisinger Ausstellungstitel „Göttlich“ könnte um „Schön“ ergänzt werden, denn ein Großteil der 65 Meisterwerke der italienischen Renaissance aus 27 italienischen Museen und Sammlungen zeigt die Gottesmutter mit dem Jesusknaben als junge, strahlende Madonna. Die Gemälde, Plastiken und kunsthandwerklichen Objekte sind thematisch gegliedert. Den Einband des aufwendig gestalteten und ausgestatteten Katalogs ziert ein Highlight der Schau, Sandro Botticellis „Madonna mit dem Buch“ von 1480/1481 aus dem Mailänder Museo Poldi Pezzoli. Von dort kamen auch mehrere Madonnen-Gemälde des Biagio d’Antonio sowie eines aus dem Umkreis von Hans Memling.

Sandro Botticelli
Sandro Botticelli, „Maria mit Kind (Madonna mit dem Buch)“, Florenz, 1480/1481. © Fondazione Artistica Poldi Pezzoli

Zeitlich machen Dante und Petrarca als Wegbereiter der Renaissance mit illustrierten Prunkhandschriften aus dem 15. Jahrhundert den Auftakt. Einen Perspektivwechsel bieten Holzintarsien mit Stadtansichten. In jener Zeit tun sich die Hintergründe der Bilder mit einem Blick in die Landschaft auf. Unter dem Motto „Christus – menschlich und göttlich (Verzehrt euch selbst vor dem Bild meines Antlitzes)“ veranschaulicht Andrea Mantegnas erschütterndes Brustbild den leidend-entrückten „Erlöser“ aus dem Museo Correggio wie kein Zweiter. Dass auch Frauen in jener Epoche „gelehrt und fromm“ sein konnten, drückt die „Annunziata“ des Antonello de Saliba aus der Accademia in Venedig aus – eine um 1480/90 entstandene Kopie nach dem weltberühmten Gemälde des Antonello da Messina. Es stellt die Madonna mit dem blauen Schleier am Pult vor einem aufgeschlagenen Buch dar, während sie mit ihren lebhaften Händen gleichsam den Text zu erläutern scheint.

Koryphäen der wirtschaftlichen Blüte Norditaliens

Die künstlerischen Höchstleistungen der Renaissance waren nicht zuletzt der wirtschaftlichen Blüte in den oberitalienischen Städten zu verdanken. Unter dem Motto „Im Namen Gottes und des Gewinns“ tritt uns Francesco di Marco Datini aus Prato gegenüber; diese bestens dokumentierte Persönlichkeit der Wirtschaftsgeschichte hat Lodovico Buti 1588 als Ganzfigurenporträt gemalt. Am Ende seines Lebens verfügte Datini notariell die Errichtung der Armenstiftung Ceppo dei poveri mit Sitz im Palazzo Datini, die bis heute besteht.

Porträt des Dominikanermönchs Marcantonio Luciani
Porträt des Dominikanermönchs Marcantonio Luciani gemalt von Lorenzo Lotto in Venedig, 1526. © Musei Civici di Treviso

Lorenzo Lotto ist mit seinem ebenfalls weltberühmten „Porträt des Dominikanermönchs Marcantonio Luciani“ zu bewundern. 1526 in Venedig entstanden, ist es bereits in Öl auf Leinwand gemalt, während die früheren Gemälde vorwiegend noch in Tempera auf Holztafeln ausgeführt worden sind. Um Selbstdarstellung und Seelenheil geht es im Kapitel zum „Stifterwesen“. Ob auf Filippo Lippis großer Tafel der „Madonna della Cintola“ aus Prato oder der „Madonna mit Kind und Stifter“ aus der Pinturicchio-Werkstatt – hier sind die Stifter im selben Größenverhältnis wie die Gottesmutter wiedergegeben.

Bei der „Madonna Cassotti“ des Andrea Previtali ist die Gattin des Auftraggebers, des reichen Kaufmanns Paolo Cassotti, mindestens so kostbar ausstaffiert wie deren Namenspatronin, die Heilige Agnes. 1523 hielt Pietro Grammorseo die Heiligen Antonius und Defendens als Standfiguren fest. Der beliebte Franziskanerheilige wirkt in sich gekehrt-entrückt, während der ehemalige Soldat, modisch-prächtige Renaissancekleidung trägt und den Betrachter direkt anblickt. Unter der Überschrift „Fegefeuer der Eitelkeiten“ zeigen zwei Gemälde die zeittypische kollektive Frömmigkeit von Laiengemeinschaften, deren Mitglieder ihr Gesicht unter Kapuzenkutten mit nur zwei Öffnungen für die Augen verbargen.

Ausstellungsansicht im Diözesanmuseum Freising
Ausstellungsansicht im Diözesanmuseum Freising. © Diözesanmuseum Freising, Foto: Dirk Daniel Mann

Dass Künstler als Unternehmer damals durchaus erfolgreich waren, führt Neri di Bicci mit mehreren Leihgaben vor Augen: darunter die Pendants einer figurenreichen „Thronenden Muttergottes mit Kind und Heiligen“ sowie der „Beweinung Jesu Christi mit Heiligen“ von 1473 aus der Kirche Santa Maria al Morrocco.  Seine Malerwerkstatt in Florenz bestand bereits in dritter Generation. Bicci hat auch den „Edelmann Niccolò Sernigi“ gemalt, den Gründer der Kirche und des Klosters von Morrocco, einem Ortsteil von Tavarnelle in der Provinz Florenz, aus dessen Museum sie als Leihgaben nach Freising kamen.

Gut bestückt geht es mit der Abteilung glasierter Terrakotten von Andrea, Girolamo und Giovanni Antonio, der berühmten Florentiner Familie della Robbia, weiter. Den Abschluss bilden „Heilige Dinge“ als Kunst fürs Heim: hübsche bunt glasierte Majoliken wie ein „Tintenfass mit Krippenszene“ aus Faenza oder ein „Weihwassergefäß mit Verkündigung und Himmelfahrt Mariens“ aus der Patanazzi-Werkstatt in Urbino. Im Kapitel „Die Entdeckung der Kindheit“ sind zwei Büsten des „Johannesknaben“ aus Terrakotta beziehungsweise Stuck von Benedetto da Maiano und Mino da Fiesole vereint.

Lorenzo Ghiberti
Lorenzo Ghiberti und Werkstatt,, „Madonna mit Kind (im Typus der “Madonna di Fiesole”)“, um 1420. © Collezione Grimaldi Fava

Bis zum letzten Exponat bleibt die künstlerische Qualität hochkarätig. „Liebe, Beziehung, Mitgefühl“ ist das 12. Kapitel überschrieben. In der Florentiner Werkstatt des großen Lorenzo Ghiberti entstand um 1420 das gefasste Stuckrelief „Madonna mit Kind“ im Typus der „Madonna di Fiesole“ aus der Sammlung Grimaldi Fava. Es vertritt das vielfältige Spektrum von Stuckskulpturen, die in der Toskana der Frührenaissance bevorzugt für die private Andacht – für Oratorien, Klosterzellen und Wohnräume – geschaffen worden sind. Ebenso wie das Cartapesta-Relief aus Donatellos Werkstatt um 1450 vom Typus der „Madonna da Verona“. Kleine Andachtsfiguren und -reliefs aus Cartapesta waren in verschiedenen Regionen Italiens beliebt; ist Pappmaché doch ein ebenso preisgünstiges wie modellierfähiges Material, das sich leicht und einfach transportieren lässt.

Aus dem Umkreis Hans Memlings in Brügge um 1433/1440 stammt die in Öl auf Eichenholz gemalte Gottesmutter vor strahlendem Blattgoldgrund. Giovanni Bellinis um 1470 gemalte „Madonna mit Kind“ in Tempera auf Holz gilt als eines der besten Beispiele für den ausgereiften Stil im Werk dieses Hauptvertreters der Renaissancemalerei in Venedig. Ebenso großartig ist seine wohl rund zehn Jahre früher in Öl auf Holz gemalte „Pietà“ aus dem Museo Correr, ein Hauptwerk, das so gut wie nie außerhalb Venedigs zu sehen ist. Nah an den Betrachter herangerückt, halten zwei Engelskinder den bis auf das Lendentuch nackten toten Körper Christi mit gesenktem Blick und kraftlos herabhängenden Armen über dem Grab vor tiefem Landschaftshintergrund. Das bedrückende Werk gilt als Beispiel der „devotio moderna“, einer in den Niederlanden entstandenen meditativ-gefühlsbetonten Bewegung menschlicher, mitfühlender Realität. Dass die christliche Kunst in der Renaissance nicht hinter der profanen zurückstand, führt die Freisinger Ausstellung großartig vor Augen.

Ausstellung

AUSSTELLUNG

„Göttlich! Meisterwerke der Renaissance“

Diözesanmuseum, Freising

bis 11. Januar 2026

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