Bild des Tages

Wegen Umbau geöffnet

An diesem Wochenende eröffnet die Architekturbiennale in Venedig. Das Kuratorenteam des Deutschen Pavillons hat den alten Beitrag von Maria Eichhorn soweit wie möglich belassen und Abfälle der Kunstbiennale des letzten Jahres wiederverwendet

Von Petra Schaefer
19.05.2023

In den von Napoleon angelegten Gärten der Biennale im Castello-Viertel in Venedig thront der Deutsche Pavillon auf einer Anhöhe, dem ‚Imperial Hill‘, neben Großbritannien und Frankreich. Zunächst war hier im Jahr 1909 von dem Italiener Daniele Donghi ein neoklassisches Bauwerk konzipiert worden, welches sich gut in das Nachbarensemble einfügte. Doch nach einem Besuch von Adolf Hitler im Jahr 1934 musste es einer monumentalen Umgestaltung und Erweiterung weichen. Der Architekt Ernst Haiger stockte 1938 das Gebäude auf und versah es mit einer pompösen Fassade aus hochaufragenden, massiven Pfeilern. Zurückgebaut wurden nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Nazi-Insignien auf dem Eingangsportal, eine Zwischenwand zur Apsis und eine transluzente Lichtdecke. Zur Kunstbiennale 2022 waren einzelne Architekturelemente freigelegt worden, so dass die Geschichte des Gebäudes an Backsteinmauerwerk, Betonriegeln und Zementelementen nachvollziehbar wurde. Mit dieser Intervention „Relocating a Structure“ sezierte die Künstlerin Maria Eichhorn die Historie und legte in einem viel beachteten Katalog grundlegende Forschung zur Baugeschichte des Pavillons im städtischen Kontext vor. Der Architekturtheoretiker Anh-Linh Ngo, der zum Eichhorn-Katalog als Experte für die Architektur des Gebäudes beigetragen hat, ist in diesem Jahr einer der Co-Kuratoren des Deutschen Beitrags zur Architekturbiennale. Unter dem Titel „Open for Maintenance – wegen Umbau geöffnet“ arbeitet er mit einem gut aufgestellten Team, dazu gehören neben Arch+ auch die jungen Architekturbüros Summacumfemmer und Büro Juliane Greb, und der vor einigen Jahren initiierten venezianischen Plattform „Re-Biennale“ zusammen. Da sie gemeinsam Nachhaltigkeit und ökologische Sparsamkeit nicht nur fordern, sondern konsequent umsetzen, haben sie den Eichhorn-Beitrag soweit wie möglich belassen und nur dort punktuell verändert, wo es die Logistik erforderte.

Auf dem Foto vom Innenraum des Deutschen Pavillons sehen wir eine Brücke über den archäologischen Ausgrabungen Eichhorns. Diese schlichte, aus Holzplatten gezimmerte Architektur verweist auf den im Titel genannten Umbau und besteht, wie sämtliche Eingriffe, aus Abfällen der Kunstbiennale des letzten Jahres, die das Kuratorenteam nach der Schließung gesammelt hat. Von dieser Brücke aus schaut man über den Aushub und sieht drumherum eine Reihe von Baumaterial wie Wellblech, Holzstreben, Platten und Gitter. Akkurat angeordnet sowie nach Formen und Mustern sortiert, erkennt man daneben auch die Aluminiumlampen vom Fabrikgelände im Italienischen Pavillon (auf dem Foto rechts im Bild), sieht die stahlblauen Säulen vom Israelischen Beitrag „Queendom“ und stößt auf die psychedelischen 70er Jahre Polstermöbel aus dem Österreichischen Pavillon. Das hier zusammengetragene Depot kann online konsultiert werden. Auf der Website ist jeder Posten mit Fotos, Zeichnungen, Provenienz, Material, Maßen, Anzahl und Preisen aufgelistet. Es handelt sich somit um ein frei zugängliches Recycling-Serviceangebot. Dies führt vor Augen, dass sich einige der hundert Tonnen von Abfall, die die Biennale jährlich produziert, vermeiden ließen, wenn sich die von Anh-Linh Ngo postulierte Wiederverwendung und die damit verbundene Selbstbeschränkung durchsetzen würde. An diesem Punkt erfüllt der Deutsche Beitrag die Forderung der diesjährigen Biennale-Direktorin Lesley Lokko für ihr Thema „The Laboratory of the Future“. Die ghanaisch-schottische Architektin und Schriftstellerin will „ambitionierte und kreative Ideen für eine gerechtere und optimistischere gemeinsame Zukunft.“

Damit das Depot in den kommenden Monaten reibungslos funktionieren kann, wurde die Treppe zum Pavillon mit einer breiten geschwungenen Rampe überspannt: diese Anlage ermöglicht den komfortablen Warentransport mit einem der in Venedig in jedem Haushalt vorhandenen Handkarren. Außerdem wird so der Pavillon, der am rechten Seiteneingang über eine schmale Rampe verfügt, erstmals über das Hauptportal barrierefrei zugänglich. Diese neue Inklusion ist erfreulich. 

Service

BIENNALE

Architekturbiennale 2023

Venedig

20. Mai bis 26. November

Rahmenprogramm: archplus.net

Der Deutsche Pavillon wurde kuratiert von Arch+ und den jungen Architekturbüros SUMMACUMFEMMER und BÜRO JULIANE GREB.

 

Zur Startseite