Warhol und Basquiat

Wer hat’s gemacht?

Andy Warhol und Jean-Michel Basquiat schufen zusammen zahlreiche Gemälde. Die Fondation Louis Vuitton präsentiert nun das vierhändige Werk der Giganten des Kunstmarkts und gibt einen Einblick in die pulsierende Kreativität des New Yorks der 1980er-Jahre

Von Olga Grimm-Weissert
11.04.2023

Die Unternehmensstiftung Fondation Louis Vuitton setzt mit ihrer Megaschau „Basquiat X Warhol vierhändig“ ein weiteres Zeichen für ihre kunsthistorische Kompetenz und ihre finanzielle Kapazität, vor allem mit Letzterem kann heute kaum ein öffentliches Museum konkurrieren. Mit künstlerischer Meisterhand geleitet von Suzanne Pagé, unterstützt vom persönlichen Kunstberater des Multimilliardärs Bernard Arnault, Jean-Paul Claverie, wird mittlerweile jede Ausstellung der Fondation zum Publikumsrenner. Darüber hinaus setzt der Herrscher über LVMH (inklusive Louis Vuitton) seine Kunststiftung gezielt als politisches, kulturelles und gesellschaftliches Instrument zur wirtschaftlichen Einflussnahme ein, indem sein Team Spezialvernissagen mit sachkundiger Führung für französische und europäische Politiker organisiert.

Trotzdem ist die aktuelle Ausstellung über die Zusammenarbeit der beiden einflussreichsten, wichtigsten Künstler der 1960er- bis 1980er-Jahre risikoreich, weil die dort vorgestellten Werke zur Zeit ihres Entstehens auf harsche Kritik stießen. Der Pop-Art-Papst Andy Warhol, der die Industriezeichnung zur Kunst erhob, die Alltagswerbung – auch durch ästhetische Vervielfältigung – veredelte und ins Museum brachte, schuf 160 Gemälde gemeinsam mit dem Kometen Jean-Michel Basquiat, der mit seiner Street-Art ab 1981 in New Yorker Galerien gelangte; rasch folgten Stationen in Los Angeles, Zürich und die documenta 7 im Jahr 1982, bis er ab Dezember 1983 in die legendäre „Factory“ von Andy Warhol einstieg.

Andy Warhol Jean-Michel Basquiat Fondation Louis Vuitton
Andy Warhol und Jean-Michel Basquiat schufen zusammen zahlreiche Gemälde, darunter auch die Arbeit „Mind Energy“ (1984). © Estate of Jean-Michel Basquiat Licensed by Artestar, New York; © The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Licensed by ADAGP, Paris 2023; Courtesy Galerie Bruno Bischofberger, Männedorf-Zurich

Der heute 83-jährige Schweizer Galerist Bruno Bischofberger hat die Ausstellung in der Fondation Louis Vuitton als „Spezialberater“ mitbetreut. Er vertrat Andy Warhol ab Ende der 1960er-Jahre und Jean-Michel Basquiat exklusiv für Europa. Die Zusammenarbeit, ursprünglich zu dritt mit Francesco Clemente, war seine Idee. Zuerst entstanden fünfzehn Werke des Trios, die jetzt in Paris gezeigt werden. Sie sind interessant, ohne zu den absoluten Sternstunden der Kunstgeschichte zu zählen. Die gemeinsamen – meist Groß- bis Megaformate von Warhol und Basquiat sind spannend, weil die Betrachter rätseln: Wer hat was gemalt?

Das freundschaftliche, vertrauensvolle und auf gegenseitiger Faszination beruhende Verhältnis der beiden Stars war die Grundlage ihrer eineinhalb Jahre dauernden Koproduktionen. Im Herbst 1985 beschlossen sie, in der New Yorker Galerie Tony Shafrazi einige ihrer 160 Gemälde zu zeigen. Die Kritiken waren vernichtend und gipfelten darin, dass Basquiat als das manipulierte „Maskottchen“ Warhols bezeichnet wurde. Was der durch steten Konsum von Marihuana und harten Drogen überempfindliche Basquiat so schlecht ertrug, dass er die gemeinsame Produktion allmählich einstellte. Geduldig kalkulierend behielt Bruno Bischofberger viele Gemälde. Heute zählen Basquiat und Warhol zu den fünf teuersten zeitgenössischen Malern.  

Andy Warhol Jean-Michel Basquiat Fondation Louis Vuitton
Warhol malte 1985 zweimal das Firmenzeichen „Arm & Hammer“, Basquiat übermalte nur eine Seite der Vorgabe. © Estate of Jean-Michel Basquiat Licensed by Artestar, New York; © The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Licensed by ADAGP, Paris 2023; Courtesy Galerie Bruno Bischofberger, Männedorf-Zurich

Die Inszenierung der Ausstellung von Dieter Buchhart und Anna Karina Hofbauer ist ebenso subtil wie spektakulär. Sie steigert sich vom Untergeschoss bis nach oben zu immer größeren Formaten und immer weniger erkennbarer Pinselführung. Sie beginnt mit einer – noch – klaren Trennung der Leinwand zwischen den beiden Malern: Warhol malte zweimal das Firmenzeichen „Arm & Hammer“, Basquiat übermalte nur eine Seite der Vorgabe: mit der geschriebenen Forderung nach „Freiheit“, plus das Gedenkporträt des 1995 verstorbenen schwarzen Saxophonisten Charlie Parker, als Symbol für Basquiats stete Auseinandersetzung mit dem Rassismus. Seine wiederholt gemalte dreizackige Krone illustriert den Kampf für die Anerkennung der schwarzer Kunstschaffender und der populären, allgemein zugänglichen Kunst.

Andy Warhol Jean-Michel Basquiat Fondation Louis Vuitton
Andy Warhols und Jean-Michel Basquiats gemeinsame Konsumkritik: „Dollar Sign / Don’t Tread on Me“1984-1985. © Estate of Jean-Michel Basquiat Licensed by Artestar, New York;© The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Licensed by ADAGP, Paris 2023

Eine ganze Serie gibt es zum Thema des von Warhol zur Ikone stilisierten Dollar-Zeichens. Basquiat malte eine Schlange darüber, mit der Aufschrift: „Tritt nicht auf mich“. Eine vierhändige Konsumkritik.

Viele hervorragende Fotos ergänzen die Schau, die die außerordentliche Kreativität der 1980er-Jahre vermittelt. Warhol starb im Jahr 1987, ein Jahr später starb auch Basquiat mit nur 27 Jahren. Das hellgelbe Plakat mit der rosa Aufschrift und den Porträts der beiden Maler mit schwarzen Boxhandschuhen stammt vom Fotografen Michael Halsband, der 1985 eine 80-teilige Serie der beiden Maler schoss. Das Plakat ist derzeit überall in Paris zu sehen, denn Werbung ist im Luxusbereich konstitutiv.

Service

AUSSTELLUNG

„Basquiat x Warhol. Painting four hands“

Fonadation Louis Vuitton, Paris

bis 28. August

fondationlouisvuitton.fr

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