Bild des Tages

Wie uns Nays Augen anschauen

Das Museum Küppersmühle in Duisburg zeigte eine Retrospektive des Malers Ernst Wilhelm Nay

Von Simone Sondermann
29.03.2023

Als Olaf Scholz im vergangenen Herbst auf einer Pressekonferenz im Kanzleramt ein großes Entlastungspaket verkündete, das für die Bürgerinnen und Bürger die Folgen des Ukraine-Kriegs abfedern sollte, starrten wilde Augen auf die versammelten Presseleute. Sie blickten aus einem Triptychon des Malers Ernst Wilhelm Nay, dessen riesige Mitteltafel nun hinter dem schmalen Kanzler prangte. Es war nicht das erste Mal, dass Nays monumentale „Augenbilder“ Aufsehen erregten. Bei der Kasseler Documenta 1964 wurden sie unter die Decke des Fridericianums gehängt und schauten auf die Besucherinnen und Besucher der Weltkunstschau hinab. Der Maler, der 1902 in Berlin geboren wurde, bei Karl Hofer studierte und von den Nationalsozialisten verfemt wurde, war für seine Zeitgenossen des 20. Jahrhunderts fest im Kanon der Nachkriegskunst verankert. Doch für die jüngere Generation des aktuellen Jahrhunderts beginnt gerade erst die Wiederentdeckung seines Werks. Das zeigt sich in einer Wertschätzung im Kunstmarkt, wo die Preise steigen. Aber auch in den Museen ist er wieder mehr auf dem Radar. Die Londoner Tate Modern oder das Musée National d’Art Moderne in Paris erwarben in jüngerer Zeit wichtige Gemälde, und eine Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle, die anschließend in Wiesbaden und nun im Museum Küppersmühle für Moderne Kunst zu sehen sein ist, richtet konsequent den Blick auf das Gesamtwerk statt auf einzelne Schaffensphasen. In Duisburg ist derzeit auch sein poppig-buntes Augenbild „Astral“ aus dem Documenta-Jahr 1964 zu bewundern. Auch hier schaut ein großes Auge auf uns Betrachtende zurück.

Übrigens: „E. W. Nay – Retrospektive“ läuft bis 6. August im Museum Küppersmühle in Duisburg.

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