Eine Ausstellung im belgischen Mons zeigt die ganze Bandbreite des Malers Fernando Botero. Auf Kunstmarkt ist allerdings vor allem sein Markenzeichen gefragt: Gemälde draller, üppiger Figuren
Von
14.12.2021
/
Erschienen in
Kunst und Auktionen Nr. 20
So beliebt Botero beim Publikum auch ist – die Fülle der Internet-Angebote von Plakaten, Lithografien mit erheblichen Auflagen und Nachmalereien von chinesischer Hand belegt das nachdrücklich –, so schwankend ist über die Jahrzehnte der Zuspruch der Sammler. Den höchsten Preis erzielte am 26. März 2018 bei Bonhams in London mit umgerechnet 1,9 Millionen Euro die Bronze „Adam und Eva“, eine Arbeit von 3,30 Metern Höhe. Hinter weiteren Großplastiken rangiert das teuerste Gemälde einer Auktion erst an sechster Stelle – umgerechnet 1,5 Millionen Euro mussten am 20. November 2019 bei Christie’s New York für „Tablao flamenco“ von 1984 bewilligt werden. Andererseits begegnet man in Mons einer Reihe von Bildern, die erst nach Rückschlägen einen neuen Besitzer fanden. Beispielsweise „Los Ricos“ von 1967 – Mann und Frau bildfüllend mit einem Pudel. Das Gemälde fand am 22. November 2016 bei Christie’s New York für 1 Millionen Dollar keinen Käufer. Erst zwei Jahre später, am 22. Mai 2018, als sich die Taxe mit 800.000 Doller begnügte, konnten 710.000 Dollar erzielt werden.
Dagegen haben es die frühen Werke, die nicht als „typischer“ Botero zu erkennen sind, schwer. Das zeigte sich bei der Tempera „Muchacho con un gallo“ von 1956, einem schmächtigen Knaben, der einen Hahn hält. Am 24. Mai 2006 ließ sich das Werk bei Christie’s New York noch für taxgerechte 35.000 Dollar verkaufen. Doch danach war es weder bei Meeting Art im italienischen Vercelli (6. April 2008, Taxe 70.000 Euro) noch im Wiener Dorotheum (26. November 2019, Taxe 40.000 Euro) erfolgreich. Davor, am 26. Mai 2012, hatte das Bild bei Farsetti in Prato 48.000 Euro (Taxe 50.000 Euro) realisieren können.
Dagegen legte der Höllenspuk „El Infierno“ von 1978, das den Teufel mit einem Flammenschwert über dem Höllenfeuer zeigt, in dem die Seelen braten, kräftig zu. Am 27. Juni 1985 kassierte Sotheby’s dafür taxgerechte 30.000 Pfund. Am 9. Mai 2001 hatte sich der Preis in der New Yorker Dependance des Hauses auf 95.000 Dollar (Taxe 90.000 Dollar) gesteigert. Und fünf Jahre später, am 21. November 2006, musste man bei Christie’s New York dann schon 200.000 Dollar (Taxe 120.000 Dollar) für das Bild investieren. In diesem Rahmen bewegten sich damals die meisten Preise.
Dafür ist die Sammlung Würth, die vier Gemälde nach Mons ausgeliehen hat, ein Beispiel. Das extreme Breitformat (48 x 390 cm) „Masacre de Los Inocentes“, bei Christie’s am 26. November 1985 für 60.000 Dollar (Taxe 70.000 Dollar) zugeschlagen, war bei der Berliner Galerie Brusberg 1991 dann bereits für 2 Millionen D-Mark im Katalog. „Tribulationes de Sor Angélica“, mit 53 mal 293 Zentimetern nicht ganz so breit, erforderte am 17. Mai 1993 bei Christie’s New York 150.000 Dollar (Taxe 160.000 Dollar). 250.000 D-Mark (Taxe 300.000 D-Mark) mussten am 26. November 1999 für „La gran fiesta“ in der Villa Grisebach, Berlin, investiert werden. Zehn Jahre später, am 27. Mai 2011, stieg dann, wiederum bei Grisebach, die Courbet-Paraphrase „Bonjour, Monsieur Botero“ aus dem Jahr 1982 von 350.000 auf 590.000 Euro. Inzwischen liegen die Hammerpreise für Boteros bereits zwölf Mal jenseits der Million. Und erst an 50. Stelle reicht eine halbe Million – wobei auffällt, dass die gut dotierten Bilder überwiegend vor der Jahrhundertwende entstanden sind.
Boteros Zeichnungen überschreiten die 500.000-Euro-Grenze nicht. Zwar wurden umgerechnet 461.000 Euro für eine „Menina“ nach Velasquez gezahlt, aber insgesamt werden 300.000 Euro eher selten erreicht. Und doch ist auch schon sehr lange her, als Brusberg 1974 – damals noch in Hannover – stolz vermeldete, von den 44 Zeichnungen seiner Ausstellung hätte er 90 Prozent zu Preisen zwischen 4000 und 38.000 D-Mark verkauft. Solche Zahlen befriedigen den Sammler, der damals zugegriffen hat und nun ein kräftiges Plus verbuchen kann. Und sie kränken den, der sich damals nicht gewinnen ließ, zögerte und verzichtete. Ihm bleiben als Trost nur die Ausstellungen – wie in Mons.