Ausstellungstipps

Nicht verpassen: 6 Ausstellungen im Oktober

Die aufregendsten Kunstausstellungen im Oktober: Nicole Eisenmans Gegenwartskunst im Dialog mit der Moderne in Bielefeld, Modefotografie im Kunstpalast Düsseldorf und Botticelli im Pariser Musée Jacquemart-André

Von Tim Ackermann
01.10.2021
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 190

CAPTIVATE!

Kunstpalast, Düsseldorf, bis 9. Januar 2022

Für die Neunzigerjahre war sie eine Art Brigitte Bardot – nur unendlich viel braver. Und anders als einige Kolleginnen aus dem Kreis der „Supermodels“ wie Naomi Campbell oder Kate Moss ist Claudia Schiffer komplett skandalfrei in der Gegenwart angekommen. Nun ist sie auch noch Kuratorin! Bei „Captivate! Modefotografie der 90er“. Respektabler geht’s nicht. Die Schau reflektiert, klar, auch ihre eigene Karriere, die mit Ellen von Unwerths Fotos für Guess-Jeans begann.

BOTTICELLI

Musée Jacquemart-André, Paris, bis 24. Januar 2022

Anmut erfüllt die Gemälde des Botticelli – egal ob er den Bankierssohn Giuliano de’ Medici porträtierte oder den keck abgespreizten Schwertarm der biblischen Judith malte, nachdem sie Holofernes einen Kopf kürzer gemacht hat. Das erste Bild reist aus Bergamo nach Paris, das zweite kommt aus dem Amsterdamer Rijksmuseum. Noch zahlreiche weitere wertvolle Leihgaben laden zum vergleichenden Fachsimpeln: Warum malte Botticelli die „Venus pudica“ (aus Berlin) nackt, die drei Göttinnen im „Urteil des Paris“ (aus Venedig) aber komplett bekleidet? Und was haben sich Kopisten seines Studios wie der „Meister der gotischen Gebäude“ vom Renaissancegenie abgeschaut?

MARIA MARTINS

Museo de Arte de São Paulo, bis 30. Januar 2022

Es ist im Moment sehr schwierig, nach Brasilien zu kommen, doch allein diese Ausstellung wäre die Mühe wert: Die bisher umfassendste Retrospektive der immer noch zu wenig bekannten Bildhauerin Maria Martins (1894–1973) kann man in São Paulo bewundern. Die Brasilianerin schuf in den Vierzigerjahren, während sie in New York lebte, unfassbar ausdrucksstarke Skulpturen. Werke aus dieser Dekade wie „O Impossível“ sind von den Mythen ihrer Heimat und dem brasilianischen Antropophagie-Konzept des kulturellen Kannibalismus beeinflusst. Martins’ fremdartige, naturverbundene Formensprache beeindruckte die New Yorker Surrealisten um André Breton und Marcel Duchamp, zu denen sie bis 1949 gehörte.

DAVID HOCKNEY

Bozar, Brüssel, 8. Oktober bis 23. Januar 2022

Man möchte ein Baum sein – wenn man wüsste, dass man dann von David Hockney gemalt würde. Der 83-jährige Brite hat den Lockdown-Frühling des Jahres 2020 wahrlich gut genutzt und das Aufblühen der Natur rund um sein Atelier in der französischen Normandie festgehalten. Ganz dem 21. Jahrhundert gemäß führte der Pop-Art-Maler dabei wieder den iPad-Pinsel. Die neuen Werke wie „Nr. 88“, das einen gloriosen 3. März 2020 zeigt, beglücken nun im Bozar in der Schau „The Arrival of Spring, Normandy, 2020“. Selten hat die Schönheit derart über das globale Unglück triumphiert

Ausstellungen Oktober David Hockney
„No. 88“ von 2020 gehört zu den neuen, mit iPad-Pinsel gemalten Werken David Hockneys. © David Hockney

TOYEN

Hamburger Kunsthalle, bis 13. Februar 2022

Noch eine Künstlerin des Surrealismus, die von den Machos der Kunstgeschichte aus dem Kanon gestrichen wurde: Marie Čermínová wurde 1902 in Prag geboren, gab sich das Pseudonym Toyen (vom französischen citoyen, also „Bürger“), ging mit 23 Jahren für einige Zeit nach Paris und war dann in den Dreißigerjahren in ihrer Heimatstadt Mitbegründerin der tschechischen Surrealistengruppe. Toyen nahm an den großen internationalen Surrealismusausstellungen jener Zeit teil, floh 1947 von Prag wieder nach Paris und geriet dort schon zwei Dekaden vor ihrem Tod im Jahr 1980 in Vergessenheit. Die überfällige Wiederentdeckung in Hamburg zeigt durchaus düstere Bilder, in denen symbolhafte Tiere, zwischenmenschliche Gewaltszenen und sexuelle Anspielungen auftauchen.

NICOLE EISENMAN

Kunsthalle Bielefeld, 2. Oktober bis 9. Januar 2022

Ein bisschen Humor, der an Philip Guston erinnert (wie in „Ketchup VS Mustard“, 2005),ein bisschen Pathos à la Eugène Delacroix. Hier eine Straßenszene mit desillusionierten Menschen, die von Ernst Ludwig Kirchner abgeschaut sein könnte. Dort die große Feier queeren Lebens in Betten und Bars. Die 1965 im französischen Verdun geborene Amerikanerin Nicole Eisenman gehört zu den souveränsten, wandelbarsten und damit spannendsten Malerinnen der Gegenwart. In Bielefeld zeigt sie neben 80 eigenen Bildern auch Werke der Moderne, die sie schätzt, etwa von Paula Modersohn-Becker oder Max Beckmann. Langeweile an der Wand sieht definitiv anders aus.

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