Gallery Weekend Berlin

Verflixte Abstinenz

Das renommierte Berliner Gallery Weekend eröffnet diese Woche unter Pandemiebedingungen – mit viel digitaler Präsenz und, wenn möglich, Terminbuchung

Von Christiane Meixner
26.04.2021
/ Erschienen in WELTKUNST Nr. 184

Flexibilität ist die Eigenschaft der Stunde. Auch wenn die „Corona-Notbremse“ der Bundesregierung die Galerien vom Lockdown erst einmal ausgenommen hat, ist für das Gallery Weekend Berlin längst nicht alles klar. So lange der offizielle Inzidenzwert in der Hauptstadt unter 150 bleibt, darf der Kunsthandel ebenso wie der Einzelhandel seine Türen öffnen. Übersteigt er diese Zahl drei Tage hintereinander, gilt der Lockdown auch hier. Maike Cruse, seit Jahren Direktorin des erfolgreichen, international kopierten Modells einer gemeinsamen Vernissage führender Galerien, hat für Ende April alle Möglichkeiten im Blick.

Am liebsten wäre ihr natürlich ein langes, physisch erlebbares Wochenende mit „strengem Hygienekonzept und Terminbuchung“. Man habe ein aufwendiges Modellprojekt erarbeitet, das nach den Verschiebungen im Jahr 2020 eine Perspektive bieten will. Daneben präsentieren sich die Ausstellungen von Galerien wie Capitain Petzel, Meyer Riegger, Konrad Fischer, Barbara Thumm oder Plan B auch breit im Netz. Zusätzlich gibt es virtuelle Live-Touren durch die Bezirke, an denen man teilnehmen kann, um digital die Kunst etwa von Christopher Williams, Ulla von Brandenburg, Tony Cragg und Susan Philipsz zu erleben.

Vergangenes Jahr fand das Gallery Weekend im Herbst statt. Besuche nach Anmeldung waren erlaubt, die Konzentration auf wenige Interessierte sorgte für intensive Gespräche und – trotz aller Widrigkeiten – gute Verkäufe. Maike Cruse zweifelt nicht daran, dass dies auch aktuell möglich ist.

Emily Wardill Gallery Weekend
Szene aus dem Film „Game Keepers without Game“ von Emily Wardill (Galerie Carlier Gebauer). © Courtesy of the artist and Carlier/Gebauer, Berlin/Madrid

Schon vor Wochen hat sie Zoom-Touren für internationale Sammler vorbereitet, die wegen der Pandemie zu Hause bleiben. Die Plätze seien begehrt, schließlich verspricht das Weekend seit nun siebzehn Jahren einen begeisternden Mix aus etablierten Namen wie Rebecca Horn (Galerie Thomas Schulte), Julie Mehretu (Borch Gallery), Adrian Ghenie (Galerie Judin) oder Anna Uddenberg (Galerie Kraupa-Tuskany Zeidler) und jungen künstlerischen Positionen, die sich rein medial jedoch schwerer vermitteln lassen. Letztere vor allem hat Maike Cruse im Blick, wenn sie von der Notwendigkeit des sinnlichen Erlebens spricht, das es ausschließlich live gibt.

Bislang hat das Gallery Weekend stets die Balance zwischen Entdeckungen und Mega-Events gehalten, wie sie das britische Künstlerpaar Gilbert & George in der Galerie Sprüth Magers garantiert. Oder der japanische Superstar Takashi Murakami, der im (der Galerie Neugerriemschneider angeschlossenen) Michel Majerus Estate eine Ausstellung hat. Neues verspricht die Galerie Schiefe Zähne mit einem Auftritt von Richard Sides, dessen bildhauerisches Werk mit Absicht eklektisch angelegt ist. Schiefe Zähne gibt es seit 2017. Doch inzwischen hat sich der einstige Projektraum professionalisiert und ist ebenso wie der Galerist Noah Klink – der Arbeiten des 1990 geborenen Künstlers Gerrit Frohne-Brinkmann zeigt – Debütant beim Gallery Weekend. Eine Überraschung anderer Art stellt die Rückkehr von Max Hetzler dar, der sich einige Jahre fernhielt und nun in der Charlottenburger Goethestraße unter dem schönen Titel „unverständliche braune Bilder“ neue Kunst von Albert Oehlen zeigt, während er in seiner Window Gallery in der Bleibtreustraße mit Raymond Hains eine wichtige Position der französischen Nachkriegskunst präsentiert.

Da die Zahl der Galerien auf fünfzig begrenzt ist, fällt mit jedem neuen Teilnehmer einer weg. In diesem Jahr zählt die König ­Galerie in Kreuzberg zu denen, die verzichten. Auf eigenen Wunsch, sagt Cruse. Und Galerist Johann König hat bereits öffentlich erklärt, er habe sich über die Kritik von Berliner Galeristen an seinen expandierenden Geschäften geärgert und deshalb zurückgezogen. Das ist nicht gut für die Veranstaltung, der ein wichtiger Player fehlt. Und ebenso wenig für König, der aber trotz seiner Absage vom Gallery Weekend profitiert – wie übrigens auch alle anderen Berliner Galerien. Bleibt zu hoffen, dass diese Geste des ­Trotzes einmalig ist.

Service

GALLERY WEEKEND

Gallery Weekend Berlin,

30. April bis 2. Mai 2021

Das komplette, aktualisierte Programm gibt es unter

gallery-weekend-berlin.de

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