Tess Jaray in der Wiener Secession

Späte Rückkehr

Die Malerin Tess Jaray, die 1938 aus Wien fliehen musste, wird nun endlich in ihrer Geburtsstadt entdeckt. Die Ausstellung „Return to Vienna“ in der traditionsreichen Secession trägt ihrer sparsamen Arbeitsweise Rechnung

Von Nina Schedlmayer
01.03.2021

Es half nichts: Am Ende mussten einige Werke wieder entfernt werden. Dabei hatte Tess Jaray ohnehin eine recht überschaubare Anzahl ihrer Gemälde nach Wien geschickt. Dort richtet ihr aktuell die Secession eine Ausstellung aus („Return to Vienna: The Paintings of Tess Jaray“). Deren Hauptraum, diese Inkunabel eines White Cube, vertrug letztlich nicht mehr als 25 von Jarays Kompositionen, wie Kuratorin Bettina Spörr der Weltkunst erzählt.

Die Secession entschied sich für eine Präsentation von Gemälden der Entstehungszeit von 1963 bis 2020; der Schwerpunkt liegt jedoch auf der jüngsten Dekade. Nachvollziehbar: eine Künstlervereinigung wie die Secession sollte weniger in die Vergangenheit, mehr in die Gegenwart und Zukunft blicken.

Dabei wäre eine Retrospektive von Tess Jaray in Wien längst überfällig, wurde sie doch hier 1937 in eine bildungs- und kulturaffine jüdische Familie hineingeboren: Der Vater war Erfinder, die Mutter hatte Kunst studiert, Großtante Lea Bondi-Jaray führte eine international bekannte Galerie. 1938 floh die Familie nach Großbritannien, wo Tess am Land aufwuchs. Bereits mit 16 Jahren studierte sie an der St. Martins School of Art, später an der Slade School of Fine Art in London, wo sie später unterrichtete. In ihrer Familie spielte die Wiener Moderne eine große Rolle. „Ich bin aufgewachsen in Wien, mitten in der englischen Landschaft“, sagt sie bei einer virtuellen Pressekonferenz anlässlich der Ausstellung. Als sie 1957 erstmals nach Wien reiste, war sie fasziniert vom Stephansdom, aber auch von der Secession.

An diesem traditionsreichen Ort entwickeln heutet, 64 Jahre später, Jarays sparsame und ausgeklügelte Kompositionen zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion eine Dynamik, die kein Ausstellungskatalog abbilden kann. In „Green Sanctuary“ oder „Early Piazza“, beide in den Sixties entstanden, scheinen sich Formen, die an Fenster erinnern, gegeneinander zu verschieben; in drei Kompositionen aus dem Jahr 2001, verteilen sich rasterförmig angeordnete Punkte so im Raum, dass ein sogartiger Tiefenzug entsteht. An der Stirnseite des Hauptraums hängen vor allem runde Gemälde. „Die runde Form ist fast ein Readymade, es hat so eine dominante Form“, sagte Jaray beim Pressegespräch. „Es ist fast unmöglich, sie zu meistern.“

Hinter ihren Werken stehen oft architektonische Formen, die sie weiterentwickelt: der Wiener Stephansdom, ein Balkongeländer der Tate Britain, islamische Ornamentik – all das fließt ein in ihre Kompositionen. Mit starren Begrifflichkeiten fängt sie wenig an. „Ich bin nicht sicher, was ‚abstrakt‘ bedeutet. Alles kommt irgendwoher“, sagte sie einmal in einem Interview.

Denkbar spät hat Wien die große, vertriebene Tochter entdeckt; die Schau trägt ihrer Arbeitsweise, die das Exakte dynamisiert und Räume eröffnet, Rechnung. Eine museale Retrospektive sollte folgen. 

Service

AUSSTELLUNG

Tess Jaray

„Return to Vienna: The Paintings of Tess Jaray“

19. Februar bis 18. April 2021

Ausstellungsgebäude der Wiener Secession

secession.at

Zur Startseite