Ausstellungen

Geist aus der Glaskiste

In Dessau hat das neue Bauhaus Museum eröffnet

Von Tim Ackermann
27.09.2019

Die britische Journalistin hatte in der Fragestunde zur Eröffnung des neuen Museums in Dessau schon ganz recht, als sie wissen wollte, ob es mit den anderen Städten Weimar und Berlin einen Konkurrenzkampf um die Deutungshoheit über das Bauhaus gebe. Es gibt ihn, und Dessau – durch den Bestand des Bauhaus-Gebäudes von 1926 und der Meisterhäuser ohnehin im Vorteil – hat noch einmal nachgelegt: Mit dem neuen Ausstellungsgebäude, das Besuchern seit 8. September offensteht, besitzt die Stiftung Bauhaus Dessau endlich einen Ort, um ihre große Sammlung dauerhaft zu präsentieren. 

Das vom spanischen Büro Addenda Architects entworfene, unspektakuläre Museum zeigt, was die Moderne immer schon gut konnte – preiswert funktional bauen: Eine 100 Meter lange Kiste aus schwarzem Beton liegt auf zwei Treppenhäusern und schwebt so über einer säulenlosen Eingangshalle. Drumherum eine Vorhangfassade aus Glas, die leider aus klimatischen Gründen mit einem Punktraster Licht und Blicke filtert. Will er etwas im Inneren erkennen, drückt sich der Dessauer Flaneur die Nase an der Scheibe platt.

Die Sammlung des Bauhaus Museums

Wichtiger als die Architektur ist ohnehin, was in der „Black Box“ geschieht: Die Dauerpräsentation mit über 1000 Exponaten verteilt sich auf einen Hauptsaal sowie zwei kleinere Räume am Anfang und am Schluss. Es lohnt eher, hinten zu beginnen, denn das Schlusskapitel zeigt den eigentlichen Startschuss für die Sammlung, als im Juni 1976 ein größeres Bauhaus-Konvolut in der Galerie am Sachsenplatz, Leipzig, für insgesamt 145 030 Mark angekauft wurde. (Die Rechnung ist Teil der Ausstellung.) So kamen Marcel Breuers Beistelltisch „B10″ oder Collagen von Marianne Brandt nach Dessau, wo zuvor keine Objekte aus der Bauhaus-Ära erhalten waren.

Schule der Inspiration

Originell, wie die Schau dann im Hauptsaal das Kontinuum von Lehre und Produktion am Bauhaus vor Augen führt. Didaktisch gliedert sich die Ausstellung in ringförmige Raumzonen: An den Außenwänden liest man zunächst die Theorie. Den Großteil der Schaufläche nehmen anschließend Tischpräsentationen ein, die das Lehrer-Schüler-Verhältnis anschaulich machen. Formen aus einer Farblithografie von Wassily Kandinsky aus dem Jahr 1922 regten wohl Grete Reichardt 1929 zum Entwurf eines Kinderzimmerteppichs mit gelben Kreisen, blauen Dreiecken und roten Streifen an. Und Oskar Schlemmers bühnenhafte Bildräume – ausgestellt ist etwa seine Gouache „Geteilte Halbfigur nach rechts“ von 1923 – inspirierten den Schweizer Künstler Xanti Schawinsky zum Entwurf einer „Stepptanz-Maschine“ (1926).

Designklassiker in Serie

Die serienmäßig realisierten Produkte der Bauhäusler werden dann im Zentrum des Saals in einem orangefarbenen Metallregalriegel präsentiert. Bewundern kann man hier Möbelklassiker wie Marcel Breuers Stahlrohrsessel „B3″ (1926, hergestellt 1928) mit sämtlichen Originalteilen oder Alfred Schäfters Pendelleuchte von 1931/1932. Im verbleibenden Raum – beim Standardrundgang wäre er der erste – lauscht man via Lautsprecher vorgetragenen Artikeln einer heftigen Zeitungsdebatte, die mit dem Bauhaus-Umzug 1925 in Dessau entflammte. Wen Kritikerformulierungen wie „Vergewaltigung unseres Formenwillens“ an gegenwärtige Twitter-Shitstorms erinnern, darf aus dem Gedanken Hoffnung schöpfen, dass die Ästhetik und Philosophie des Bauhauses am Ende gegen alle Widrigkeiten der Geschichte den Sieg davontrug.

Service

Ausstellung

„Versuchsstätte Bauhaus. Die Sammlung“

Bauhaus Museum Dessau, Dauerpräsentation

Dieser Beitrag erschien in

WELTKUNST Nr. 162/2019

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